ruhig sind, und sich also zur Reise anschicken können. Seyn Sie getrost und sehen Sie zu, was Gott thun wird.
Stilling folgte und fing an, des Freitags Morgens Ab- schied zu nehmen; der Erste, zu welchem er ging, war ein reicher Kaufmann; so wie er zur Thür hineintrat, kam ihm dieser entgegen, und sagte: Herr Doktor! ich weiß, Sie kom- men Abschied zu nehmen, ich habe Sie nie verkannt, Sie waren immer ein rechtschaffener Mann, als Arzt konnte ich Sie nicht brauchen, denn ich war mit dem meinigen zufrie- den; Gott hat mich auch aus dem Staub erhoben und zum Mann gemacht, ich erkenne, was ich ihm schuldig bin; ha- ben Sie die Güte, diese Erkenntlichkeit in seinem Namen an- zunehmen, beschämen Sie mich nicht mit einem Abschlag, und versündigen Sie sich nicht durch Stolz. Damit umarmte und küßte er ihn, und steckte ihm ein Röllchen von zwanzig Dukaten, folglich hundert Gulden in die Hand. Stilling erstarrte, und der edle Wohlthäter lief fort. Erstaunen ergriff ihn bei dem Schopf, wie jener Engel den Habakuk, er wurde wie empor gehoben von hoher Freude, und ging weiter.
Doch, was halte ich meine Leser auf? -- mit größter Schonung und Bescheidenheit wurden ihm Erkenntlichkeiten aufgedrungen; und wie er des Abends fertig war, und nach Hause kam -- und nachzählte -- was hatte er? -- genau achthundert Gulden: -- nichts mehr und nichts weniger.
Solche erhabene Scenen werden durch Beschreibung und durch die glänzendsten Ausdrücke nur geschwächt -- ich schweige -- und bete an! Gott wird Euch finden, ihr geheimen Schö- nenthaler Freunde! ich will Euch am Tage der Vergeltung hervorziehen und sagen: Siehe Herr, die warens, die mich Verlassenen erretteten, lohne ihnen nach deinen großen Ver- heißungen überschwenglich; und Er wirds thun. Dir aber, auserwählter und unwandelbarer Freund Troost! Dir sage ich nichts. -- Wenn wir einmal Hand in Hand die Gefilde jener Welt durchwallen, dann läßt sich von der Sache reden.
Ich habe bisher hin und wieder den Charakter der Schö- nenthaler nicht zum besten geschildert, und es ist leicht mög-
ruhig ſind, und ſich alſo zur Reiſe anſchicken koͤnnen. Seyn Sie getroſt und ſehen Sie zu, was Gott thun wird.
Stilling folgte und fing an, des Freitags Morgens Ab- ſchied zu nehmen; der Erſte, zu welchem er ging, war ein reicher Kaufmann; ſo wie er zur Thuͤr hineintrat, kam ihm dieſer entgegen, und ſagte: Herr Doktor! ich weiß, Sie kom- men Abſchied zu nehmen, ich habe Sie nie verkannt, Sie waren immer ein rechtſchaffener Mann, als Arzt konnte ich Sie nicht brauchen, denn ich war mit dem meinigen zufrie- den; Gott hat mich auch aus dem Staub erhoben und zum Mann gemacht, ich erkenne, was ich ihm ſchuldig bin; ha- ben Sie die Guͤte, dieſe Erkenntlichkeit in ſeinem Namen an- zunehmen, beſchaͤmen Sie mich nicht mit einem Abſchlag, und verſuͤndigen Sie ſich nicht durch Stolz. Damit umarmte und kuͤßte er ihn, und ſteckte ihm ein Roͤllchen von zwanzig Dukaten, folglich hundert Gulden in die Hand. Stilling erſtarrte, und der edle Wohlthaͤter lief fort. Erſtaunen ergriff ihn bei dem Schopf, wie jener Engel den Habakuk, er wurde wie empor gehoben von hoher Freude, und ging weiter.
Doch, was halte ich meine Leſer auf? — mit groͤßter Schonung und Beſcheidenheit wurden ihm Erkenntlichkeiten aufgedrungen; und wie er des Abends fertig war, und nach Hauſe kam — und nachzaͤhlte — was hatte er? — genau achthundert Gulden: — nichts mehr und nichts weniger.
Solche erhabene Scenen werden durch Beſchreibung und durch die glaͤnzendſten Ausdruͤcke nur geſchwaͤcht — ich ſchweige — und bete an! Gott wird Euch finden, ihr geheimen Schoͤ- nenthaler Freunde! ich will Euch am Tage der Vergeltung hervorziehen und ſagen: Siehe Herr, die warens, die mich Verlaſſenen erretteten, lohne ihnen nach deinen großen Ver- heißungen uͤberſchwenglich; und Er wirds thun. Dir aber, auserwaͤhlter und unwandelbarer Freund Trooſt! Dir ſage ich nichts. — Wenn wir einmal Hand in Hand die Gefilde jener Welt durchwallen, dann laͤßt ſich von der Sache reden.
Ich habe bisher hin und wieder den Charakter der Schoͤ- nenthaler nicht zum beſten geſchildert, und es iſt leicht moͤg-
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[364/0372]
ruhig ſind, und ſich alſo zur Reiſe anſchicken koͤnnen. Seyn
Sie getroſt und ſehen Sie zu, was Gott thun wird.
Stilling folgte und fing an, des Freitags Morgens Ab-
ſchied zu nehmen; der Erſte, zu welchem er ging, war ein
reicher Kaufmann; ſo wie er zur Thuͤr hineintrat, kam ihm
dieſer entgegen, und ſagte: Herr Doktor! ich weiß, Sie kom-
men Abſchied zu nehmen, ich habe Sie nie verkannt, Sie
waren immer ein rechtſchaffener Mann, als Arzt konnte ich
Sie nicht brauchen, denn ich war mit dem meinigen zufrie-
den; Gott hat mich auch aus dem Staub erhoben und zum
Mann gemacht, ich erkenne, was ich ihm ſchuldig bin; ha-
ben Sie die Guͤte, dieſe Erkenntlichkeit in ſeinem Namen an-
zunehmen, beſchaͤmen Sie mich nicht mit einem Abſchlag,
und verſuͤndigen Sie ſich nicht durch Stolz. Damit umarmte
und kuͤßte er ihn, und ſteckte ihm ein Roͤllchen von zwanzig
Dukaten, folglich hundert Gulden in die Hand. Stilling
erſtarrte, und der edle Wohlthaͤter lief fort. Erſtaunen ergriff
ihn bei dem Schopf, wie jener Engel den Habakuk, er
wurde wie empor gehoben von hoher Freude, und ging weiter.
Doch, was halte ich meine Leſer auf? — mit groͤßter
Schonung und Beſcheidenheit wurden ihm Erkenntlichkeiten
aufgedrungen; und wie er des Abends fertig war,
und nach Hauſe kam — und nachzaͤhlte — was
hatte er? — genau achthundert Gulden: — nichts
mehr und nichts weniger.
Solche erhabene Scenen werden durch Beſchreibung und
durch die glaͤnzendſten Ausdruͤcke nur geſchwaͤcht — ich ſchweige
— und bete an! Gott wird Euch finden, ihr geheimen Schoͤ-
nenthaler Freunde! ich will Euch am Tage der Vergeltung
hervorziehen und ſagen: Siehe Herr, die warens, die mich
Verlaſſenen erretteten, lohne ihnen nach deinen großen Ver-
heißungen uͤberſchwenglich; und Er wirds thun. Dir aber,
auserwaͤhlter und unwandelbarer Freund Trooſt! Dir ſage
ich nichts. — Wenn wir einmal Hand in Hand die Gefilde
jener Welt durchwallen, dann laͤßt ſich von der Sache reden.
Ich habe bisher hin und wieder den Charakter der Schoͤ-
nenthaler nicht zum beſten geſchildert, und es iſt leicht moͤg-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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