nen Sie nicht, wenn man Sie nun mit Ihren Mobilien in Arrest nimmt, was fangen sie dann an?
Das überlasse ich alles Gott, versetzte er, und bekümmere mich nicht darum, denn es ist seine Sache.
Er fing also an, das, was er mitnehmen wollte, einzu- packen und nach Frankfurt zu versenden; zum Verkauf des Uebrigen setzte er einen Tag zur Auktion an. Alles ging un- gehindert von statten, und Niemand rührte sich: er sandte ab und empfing Geld, ohne daß der mindeste Einspruch ge- schahe; sogar bestellte er den Postwagen bis auf Rüssel- stein für sich, seine Frau und zwei Kinder, auf nächstfol- genden Sonntag, und also acht Tage vorher. Indessen steckte man ihm unter der Hand, daß sich ein paar Gläubiger ver- abredet hätten, ihn arretiren zu lassen: denn da das Bis- chen Hausrath, das er überhaupt besaß, so viel wie nichts war, so hatten sie sich an nichts gekehret, und sie glaubten, wenn sie ihn so in seiner Laufbahn hinderten, so würden sich Leute finden, die ihn ranzionirten. Stilling zitterte inner- lich vor Angst, doch vertraute er fest auf Gott.
Den folgenden Donnerstag kam sein Freund Troost mit froher lächelnder Miene und nassen Augen zur Thür herein- getreten, er trug schwer an seiner Tasche. Freund! fing er an, es geht wieder auf Stillings Weise, und er zog einen leinenen Sack mit Laubthalern heraus und warf ihn auf den Tisch. Stilling und Christine sahen sich an, und fin- gen an zu weinen.
Wie geht das zu? fragte er seinen Freund Troost. Das geht so zu, antwortete dieser: ich war bei einem gewissen Kaufmann, den er auch nannte, ich wußte, daß Sie ihm sechzig Thaler schuldig sind, ich bat ihn also, er möchte Ih- nen die Schuld streichen; der Kaufmann lächelte und sagte: das nicht nur, ich will ihm noch sechzig dazu schenken, denn ich weiß, wie sehr er in der Klemme sitzt; er zahlte mir also das Geld und da ist es; jetzt haben Sie schon beinahe den achten Theil von dem, was Sie brauchen; aber nun will ich Ihnen einen Rath geben: Morgen müssen Sie bei allen Bekannten Abschied nehmen, damit Sie den Samstag
nen Sie nicht, wenn man Sie nun mit Ihren Mobilien in Arreſt nimmt, was fangen ſie dann an?
Das uͤberlaſſe ich alles Gott, verſetzte er, und bekuͤmmere mich nicht darum, denn es iſt ſeine Sache.
Er fing alſo an, das, was er mitnehmen wollte, einzu- packen und nach Frankfurt zu verſenden; zum Verkauf des Uebrigen ſetzte er einen Tag zur Auktion an. Alles ging un- gehindert von ſtatten, und Niemand ruͤhrte ſich: er ſandte ab und empfing Geld, ohne daß der mindeſte Einſpruch ge- ſchahe; ſogar beſtellte er den Poſtwagen bis auf Ruͤſſel- ſtein fuͤr ſich, ſeine Frau und zwei Kinder, auf naͤchſtfol- genden Sonntag, und alſo acht Tage vorher. Indeſſen ſteckte man ihm unter der Hand, daß ſich ein paar Glaͤubiger ver- abredet haͤtten, ihn arretiren zu laſſen: denn da das Bis- chen Hausrath, das er uͤberhaupt beſaß, ſo viel wie nichts war, ſo hatten ſie ſich an nichts gekehret, und ſie glaubten, wenn ſie ihn ſo in ſeiner Laufbahn hinderten, ſo wuͤrden ſich Leute finden, die ihn ranzionirten. Stilling zitterte inner- lich vor Angſt, doch vertraute er feſt auf Gott.
Den folgenden Donnerſtag kam ſein Freund Trooſt mit froher laͤchelnder Miene und naſſen Augen zur Thuͤr herein- getreten, er trug ſchwer an ſeiner Taſche. Freund! fing er an, es geht wieder auf Stillings Weiſe, und er zog einen leinenen Sack mit Laubthalern heraus und warf ihn auf den Tiſch. Stilling und Chriſtine ſahen ſich an, und fin- gen an zu weinen.
Wie geht das zu? fragte er ſeinen Freund Trooſt. Das geht ſo zu, antwortete dieſer: ich war bei einem gewiſſen Kaufmann, den er auch nannte, ich wußte, daß Sie ihm ſechzig Thaler ſchuldig ſind, ich bat ihn alſo, er moͤchte Ih- nen die Schuld ſtreichen; der Kaufmann laͤchelte und ſagte: das nicht nur, ich will ihm noch ſechzig dazu ſchenken, denn ich weiß, wie ſehr er in der Klemme ſitzt; er zahlte mir alſo das Geld und da iſt es; jetzt haben Sie ſchon beinahe den achten Theil von dem, was Sie brauchen; aber nun will ich Ihnen einen Rath geben: Morgen muͤſſen Sie bei allen Bekannten Abſchied nehmen, damit Sie den Samſtag
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[363/0371]
nen Sie nicht, wenn man Sie nun mit Ihren Mobilien in
Arreſt nimmt, was fangen ſie dann an?
Das uͤberlaſſe ich alles Gott, verſetzte er, und bekuͤmmere
mich nicht darum, denn es iſt ſeine Sache.
Er fing alſo an, das, was er mitnehmen wollte, einzu-
packen und nach Frankfurt zu verſenden; zum Verkauf des
Uebrigen ſetzte er einen Tag zur Auktion an. Alles ging un-
gehindert von ſtatten, und Niemand ruͤhrte ſich: er ſandte
ab und empfing Geld, ohne daß der mindeſte Einſpruch ge-
ſchahe; ſogar beſtellte er den Poſtwagen bis auf Ruͤſſel-
ſtein fuͤr ſich, ſeine Frau und zwei Kinder, auf naͤchſtfol-
genden Sonntag, und alſo acht Tage vorher. Indeſſen ſteckte
man ihm unter der Hand, daß ſich ein paar Glaͤubiger ver-
abredet haͤtten, ihn arretiren zu laſſen: denn da das Bis-
chen Hausrath, das er uͤberhaupt beſaß, ſo viel wie nichts
war, ſo hatten ſie ſich an nichts gekehret, und ſie glaubten,
wenn ſie ihn ſo in ſeiner Laufbahn hinderten, ſo wuͤrden ſich
Leute finden, die ihn ranzionirten. Stilling zitterte inner-
lich vor Angſt, doch vertraute er feſt auf Gott.
Den folgenden Donnerſtag kam ſein Freund Trooſt mit
froher laͤchelnder Miene und naſſen Augen zur Thuͤr herein-
getreten, er trug ſchwer an ſeiner Taſche. Freund! fing er
an, es geht wieder auf Stillings Weiſe, und er zog einen
leinenen Sack mit Laubthalern heraus und warf ihn auf den
Tiſch. Stilling und Chriſtine ſahen ſich an, und fin-
gen an zu weinen.
Wie geht das zu? fragte er ſeinen Freund Trooſt. Das
geht ſo zu, antwortete dieſer: ich war bei einem gewiſſen
Kaufmann, den er auch nannte, ich wußte, daß Sie ihm
ſechzig Thaler ſchuldig ſind, ich bat ihn alſo, er moͤchte Ih-
nen die Schuld ſtreichen; der Kaufmann laͤchelte und ſagte:
das nicht nur, ich will ihm noch ſechzig dazu ſchenken, denn
ich weiß, wie ſehr er in der Klemme ſitzt; er zahlte mir
alſo das Geld und da iſt es; jetzt haben Sie ſchon beinahe
den achten Theil von dem, was Sie brauchen; aber nun
will ich Ihnen einen Rath geben: Morgen muͤſſen Sie bei
allen Bekannten Abſchied nehmen, damit Sie den Samſtag
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/371>, abgerufen am 24.11.2024.
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