sich seine Freundschaft und Unterricht ausgebeten. Dieser hieß Dinkler, und bediente eine weitläufige Praxis.
Herr Doktor Dinkler also und Herr Troost wohnten Stillings Kopulation bei: und bei dieser Gelegenheit schlu- gen sie ihm Beide vor, daß er sich in Schönenthal nie- derlassen möchte, besonders weil eben just ein Arzt daselbst gestorben war. Stilling wartete abermal auf einen nähern Wink von Gott, daher sagte er: er wolle sich darauf beden- ken. Allein die beiden Freunde, Herr Doktor Dinkler und Herr Troost, gaben sich alle Mühe, eine Wohnung in Schö- nenthal für ihn auszuspähen, und diese fanden sie auch, noch ehe Stilling wieder verreiste; auch versprach der Herr Doktor, seine Christine während seiner Abwesenheit öfters zu besuchen und für ihre Gesundheit zu sorgen.
Herr Friedenberg fand nun auch eine Quelle, für ihn Geld zu bekommen, und nachdem nun alles angeordnet war, so rüstete sich Stilling wieder zur Abreise nach Straß- burg. Des Abends vor diesem traurigen Tage ging er auf die Kammer seiner Gattin. Er fand sie da mit gefalteten Händen auf den Knien liegen. Er trat zu ihr, und sahe sie an: sie war aber starr, wie ein Stück Holz. Er fühlte an ihrem Puls, der ging ganz ordentlich. Er hob sie auf, redete ihr zu, und brachte sie endlich wieder zurechte. Die ganze Nacht verging unter beständigem Trauren und Kämpfen.
Des andern Morgens blieb Christine auf ihrem Ange- sicht im Bette liegen. Sie faßte ihren Mann um den Hals, weinte und schluchzte beständig. Er riß sich endlich mit Ge- walt von ihr. Seine beiden Schwäger begleiteten ihn bis Cölln. Noch des andern Tages, ehe er sich in den Postwa- gen setzte, kam ein Bote von Rasenheim, und brachte die Nachricht, daß sich Christine nun beruhigt habe.
Dieses machte Stillingen Muth, er fühlte nun eine große Erleichterung, und er zweifelte nicht, er würde seine getreue liebe Christine gesund wieder finden. Er empfahl sie und sich in die Vaterhände Gottes, nahm Abschied von seinen Brüdern, und fuhr fort.
Stillings sämmtl. Schriften. I. Band. 19
ſich ſeine Freundſchaft und Unterricht ausgebeten. Dieſer hieß Dinkler, und bediente eine weitlaͤufige Praxis.
Herr Doktor Dinkler alſo und Herr Trooſt wohnten Stillings Kopulation bei: und bei dieſer Gelegenheit ſchlu- gen ſie ihm Beide vor, daß er ſich in Schoͤnenthal nie- derlaſſen moͤchte, beſonders weil eben juſt ein Arzt daſelbſt geſtorben war. Stilling wartete abermal auf einen naͤhern Wink von Gott, daher ſagte er: er wolle ſich darauf beden- ken. Allein die beiden Freunde, Herr Doktor Dinkler und Herr Trooſt, gaben ſich alle Muͤhe, eine Wohnung in Schoͤ- nenthal fuͤr ihn auszuſpaͤhen, und dieſe fanden ſie auch, noch ehe Stilling wieder verreiste; auch verſprach der Herr Doktor, ſeine Chriſtine waͤhrend ſeiner Abweſenheit oͤfters zu beſuchen und fuͤr ihre Geſundheit zu ſorgen.
Herr Friedenberg fand nun auch eine Quelle, fuͤr ihn Geld zu bekommen, und nachdem nun alles angeordnet war, ſo ruͤſtete ſich Stilling wieder zur Abreiſe nach Straß- burg. Des Abends vor dieſem traurigen Tage ging er auf die Kammer ſeiner Gattin. Er fand ſie da mit gefalteten Haͤnden auf den Knien liegen. Er trat zu ihr, und ſahe ſie an: ſie war aber ſtarr, wie ein Stuͤck Holz. Er fuͤhlte an ihrem Puls, der ging ganz ordentlich. Er hob ſie auf, redete ihr zu, und brachte ſie endlich wieder zurechte. Die ganze Nacht verging unter beſtaͤndigem Trauren und Kaͤmpfen.
Des andern Morgens blieb Chriſtine auf ihrem Ange- ſicht im Bette liegen. Sie faßte ihren Mann um den Hals, weinte und ſchluchzte beſtaͤndig. Er riß ſich endlich mit Ge- walt von ihr. Seine beiden Schwaͤger begleiteten ihn bis Coͤlln. Noch des andern Tages, ehe er ſich in den Poſtwa- gen ſetzte, kam ein Bote von Raſenheim, und brachte die Nachricht, daß ſich Chriſtine nun beruhigt habe.
Dieſes machte Stillingen Muth, er fuͤhlte nun eine große Erleichterung, und er zweifelte nicht, er wuͤrde ſeine getreue liebe Chriſtine geſund wieder finden. Er empfahl ſie und ſich in die Vaterhaͤnde Gottes, nahm Abſchied von ſeinen Bruͤdern, und fuhr fort.
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 19
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Herr Doktor Dinkler alſo und Herr Trooſt wohnten
Stillings Kopulation bei: und bei dieſer Gelegenheit ſchlu-
gen ſie ihm Beide vor, daß er ſich in Schoͤnenthal nie-
derlaſſen moͤchte, beſonders weil eben juſt ein Arzt daſelbſt
geſtorben war. Stilling wartete abermal auf einen naͤhern
Wink von Gott, daher ſagte er: er wolle ſich darauf beden-
ken. Allein die beiden Freunde, Herr Doktor Dinkler und
Herr Trooſt, gaben ſich alle Muͤhe, eine Wohnung in Schoͤ-
nenthal fuͤr ihn auszuſpaͤhen, und dieſe fanden ſie auch,
noch ehe Stilling wieder verreiste; auch verſprach der Herr
Doktor, ſeine Chriſtine waͤhrend ſeiner Abweſenheit oͤfters
zu beſuchen und fuͤr ihre Geſundheit zu ſorgen.
Herr Friedenberg fand nun auch eine Quelle, fuͤr ihn
Geld zu bekommen, und nachdem nun alles angeordnet war,
ſo ruͤſtete ſich Stilling wieder zur Abreiſe nach Straß-
burg. Des Abends vor dieſem traurigen Tage ging er auf
die Kammer ſeiner Gattin. Er fand ſie da mit gefalteten
Haͤnden auf den Knien liegen. Er trat zu ihr, und ſahe ſie
an: ſie war aber ſtarr, wie ein Stuͤck Holz. Er fuͤhlte an
ihrem Puls, der ging ganz ordentlich. Er hob ſie auf, redete
ihr zu, und brachte ſie endlich wieder zurechte. Die ganze
Nacht verging unter beſtaͤndigem Trauren und Kaͤmpfen.
Des andern Morgens blieb Chriſtine auf ihrem Ange-
ſicht im Bette liegen. Sie faßte ihren Mann um den Hals,
weinte und ſchluchzte beſtaͤndig. Er riß ſich endlich mit Ge-
walt von ihr. Seine beiden Schwaͤger begleiteten ihn bis
Coͤlln. Noch des andern Tages, ehe er ſich in den Poſtwa-
gen ſetzte, kam ein Bote von Raſenheim, und brachte die
Nachricht, daß ſich Chriſtine nun beruhigt habe.
Dieſes machte Stillingen Muth, er fuͤhlte nun eine
große Erleichterung, und er zweifelte nicht, er wuͤrde ſeine
getreue liebe Chriſtine geſund wieder finden. Er empfahl
ſie und ſich in die Vaterhaͤnde Gottes, nahm Abſchied von
ſeinen Bruͤdern, und fuhr fort.
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 19
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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