Bon Monsieur! Sie brauchen sie zwar noch nicht, doch ist ihre Connaissance das Wesentliche in der Orthographie. Verstehen Sie das Rechnen auch?
"Ich habe mich in der Geometrie geübt, und dazu wird das Rechnen erfordert, auch habe ich mich in der Sonnuhrkunst und Mathematik etwas umgesehen."
Eh bien, das ist artig! das convenirt mir; ich gebe Ihnen nebst freiem Tisch fünf und zwanzig Gulden im Jahr.
Stilling ließ sich das gefallen, wiewohl es ihm etwas zu wenig däuchte, deßwegen sagte er:
"Ich bin zufrieden mit dem, was Sie mir zulegen werden, und ich hoffe: Sie werden mir geben, was ich verdiene."
Oui! Ihre Conduite wird determiniren, wie ich mich da zu verhalten habe.
Nun ging man an die Tafel. Auch hier sah Stilling, wie viel er noch zu lernen hatte, eh er einmal Speiß und Trank nach der Mode in seinen Leib bringen konnte. Bei aller die- ser Beschwerlichkeit spürte er eine heimliche Freude bei sich selbst, daß er doch nun endlich einmal aus dem Staube her- aus, und in den Zirkel vornehmer Leute kam, wornach er so lange verlangt hatte. Alles, was er sah, das zum Wohlstand und guten Sitten gehörte, das beobachtete er auf's genaueste, sogar übte er sich in geschickten Verbeugungen, wenn er allein auf seiner Kammer war, und ihn Niemand sehen konnte. Er sah diese Condition als eine Schule an, worinnen er Anstand und Lebensart lernen wollte.
Des andern Tages fing er mit den beiden Knaben und dem Mädchen die Information an; er hatte alle seine Freude an den Kindern, sie waren wohl erzogen, und besonders sehr zärt- lich gegen ihren Lehrer, und dieses versüßte alle Mühe. Nach einigen Tagen zog Herr Hochberg auf die Messe. Dieser Abschied that Stilling sehr leid; denn er allein war der Mann, der mit ihm sprechen konnte; die Andern redeten im- mer von solchen Sachen, die ihm ganz gleichgültig waren.
So verflossen einige Wochen ganz vergnügt, ohne daß Stil-
Verſtehen Sie auch Sprachen?
„Die lateiniſche ſo ziemlich.“
Bon Monsieur! Sie brauchen ſie zwar noch nicht, doch iſt ihre Connaissance das Weſentliche in der Orthographie. Verſtehen Sie das Rechnen auch?
„Ich habe mich in der Geometrie geuͤbt, und dazu wird das Rechnen erfordert, auch habe ich mich in der Sonnuhrkunſt und Mathematik etwas umgeſehen.“
Eh bien, das iſt artig! das convenirt mir; ich gebe Ihnen nebſt freiem Tiſch fuͤnf und zwanzig Gulden im Jahr.
Stilling ließ ſich das gefallen, wiewohl es ihm etwas zu wenig daͤuchte, deßwegen ſagte er:
„Ich bin zufrieden mit dem, was Sie mir zulegen werden, und ich hoffe: Sie werden mir geben, was ich verdiene.“
Oui! Ihre Conduite wird determiniren, wie ich mich da zu verhalten habe.
Nun ging man an die Tafel. Auch hier ſah Stilling, wie viel er noch zu lernen hatte, eh er einmal Speiß und Trank nach der Mode in ſeinen Leib bringen konnte. Bei aller die- ſer Beſchwerlichkeit ſpuͤrte er eine heimliche Freude bei ſich ſelbſt, daß er doch nun endlich einmal aus dem Staube her- aus, und in den Zirkel vornehmer Leute kam, wornach er ſo lange verlangt hatte. Alles, was er ſah, das zum Wohlſtand und guten Sitten gehoͤrte, das beobachtete er auf’s genaueſte, ſogar uͤbte er ſich in geſchickten Verbeugungen, wenn er allein auf ſeiner Kammer war, und ihn Niemand ſehen konnte. Er ſah dieſe Condition als eine Schule an, worinnen er Anſtand und Lebensart lernen wollte.
Des andern Tages fing er mit den beiden Knaben und dem Maͤdchen die Information an; er hatte alle ſeine Freude an den Kindern, ſie waren wohl erzogen, und beſonders ſehr zaͤrt- lich gegen ihren Lehrer, und dieſes verſuͤßte alle Muͤhe. Nach einigen Tagen zog Herr Hochberg auf die Meſſe. Dieſer Abſchied that Stilling ſehr leid; denn er allein war der Mann, der mit ihm ſprechen konnte; die Andern redeten im- mer von ſolchen Sachen, die ihm ganz gleichguͤltig waren.
So verfloſſen einige Wochen ganz vergnuͤgt, ohne daß Stil-
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Verſtehen Sie auch Sprachen?
„Die lateiniſche ſo ziemlich.“
Bon Monsieur! Sie brauchen ſie zwar noch nicht, doch
iſt ihre Connaissance das Weſentliche in der Orthographie.
Verſtehen Sie das Rechnen auch?
„Ich habe mich in der Geometrie geuͤbt, und dazu wird
das Rechnen erfordert, auch habe ich mich in der Sonnuhrkunſt
und Mathematik etwas umgeſehen.“
Eh bien, das iſt artig! das convenirt mir; ich gebe Ihnen
nebſt freiem Tiſch fuͤnf und zwanzig Gulden im Jahr.
Stilling ließ ſich das gefallen, wiewohl es ihm etwas zu
wenig daͤuchte, deßwegen ſagte er:
„Ich bin zufrieden mit dem, was Sie mir zulegen werden,
und ich hoffe: Sie werden mir geben, was ich verdiene.“
Oui! Ihre Conduite wird determiniren, wie ich mich
da zu verhalten habe.
Nun ging man an die Tafel. Auch hier ſah Stilling, wie
viel er noch zu lernen hatte, eh er einmal Speiß und Trank
nach der Mode in ſeinen Leib bringen konnte. Bei aller die-
ſer Beſchwerlichkeit ſpuͤrte er eine heimliche Freude bei ſich
ſelbſt, daß er doch nun endlich einmal aus dem Staube her-
aus, und in den Zirkel vornehmer Leute kam, wornach er ſo
lange verlangt hatte. Alles, was er ſah, das zum Wohlſtand
und guten Sitten gehoͤrte, das beobachtete er auf’s genaueſte,
ſogar uͤbte er ſich in geſchickten Verbeugungen, wenn er allein
auf ſeiner Kammer war, und ihn Niemand ſehen konnte. Er
ſah dieſe Condition als eine Schule an, worinnen er Anſtand
und Lebensart lernen wollte.
Des andern Tages fing er mit den beiden Knaben und dem
Maͤdchen die Information an; er hatte alle ſeine Freude an
den Kindern, ſie waren wohl erzogen, und beſonders ſehr zaͤrt-
lich gegen ihren Lehrer, und dieſes verſuͤßte alle Muͤhe. Nach
einigen Tagen zog Herr Hochberg auf die Meſſe. Dieſer
Abſchied that Stilling ſehr leid; denn er allein war der
Mann, der mit ihm ſprechen konnte; die Andern redeten im-
mer von ſolchen Sachen, die ihm ganz gleichguͤltig waren.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/224>, abgerufen am 27.11.2024.
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