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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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damit meinen. Stilling aber, der ein guter Geographus
war und überhaupt die ganze Fabel wohl verstand, lachte recht
herzlich und schwieg. Gayet sagte Keilhof wieder ins Ohr:
Sie habens halb und halb errathen.

Nachdem man nun glaubte, sich in gehörige Sicherheit gesetzt
zu haben, so schickte man um Fastnacht eine Deputation an
den Pastor ab; Schöffe Keilhof ging selbst mit, denn er
mußte das Wort führen. Stilling wurde Zeit und Weile
lang, bis sie wieder kamen, um zu hören, wie die Sache abge-
laufen wäre. Er hörte es auch von Wort zu Wort. Keilhof
hatte den Vortrag gethan.

"Herr Pastor! wir haben uns einen lateinischen Schulmei-
ster ausgesucht, wir kommen her, um es Ihnen anzukündigen."

Ihr habt mich aber nicht vorher gefragt, ob ich den auch
haben will, den Ihr ausgesucht habt.

"Davon ist die Frage nicht, die Kinder sind unser, die Schul
ist unser und auch der Schulmeister."

Aber welcher unter Euch versteht wohl so viel Latein, um ei-
nen solchen Schulmeister zu prüfen, ob er auch wohl zu dem
Amte nutzt?

"Dazu haben wir unsere Leute."

Der Fürst aber sagte: Ich soll der Mann seyn, der den hie-
sigen Rector examinirt und bestätiget, versteht Ihr mich!

"Deßwegen kommen wir ja auch her."

Nun dann! ohne Weitläufigkeit -- ich hab auch einen aus-
gesucht, der gut ist, -- und das ist -- der bekannte Schulmeister
Stilling!

Keilhof und seine Leute sahen sich an. Stollbein aber
stand und lächelte mit Triumph, und so schwieg man eine Weile
und sagte gar nichts.

Keilhof erholte sich endlich und sagte: "Nun denn, so sind
wir ja Einer Meinung!"

Ja, Schöffe Starrkopf! wir wären denn doch endlich ein-
mal Einer Meinung! bringt Euern Schulmeister her, ich will
ihn bestätigen und einsetzen.

"So weit sind wir noch nicht, Herr Pastor! wir wollen ein

damit meinen. Stilling aber, der ein guter Geographus
war und uͤberhaupt die ganze Fabel wohl verſtand, lachte recht
herzlich und ſchwieg. Gayet ſagte Keilhof wieder ins Ohr:
Sie habens halb und halb errathen.

Nachdem man nun glaubte, ſich in gehoͤrige Sicherheit geſetzt
zu haben, ſo ſchickte man um Faſtnacht eine Deputation an
den Paſtor ab; Schoͤffe Keilhof ging ſelbſt mit, denn er
mußte das Wort fuͤhren. Stilling wurde Zeit und Weile
lang, bis ſie wieder kamen, um zu hoͤren, wie die Sache abge-
laufen waͤre. Er hoͤrte es auch von Wort zu Wort. Keilhof
hatte den Vortrag gethan.

„Herr Paſtor! wir haben uns einen lateiniſchen Schulmei-
ſter ausgeſucht, wir kommen her, um es Ihnen anzukuͤndigen.“

Ihr habt mich aber nicht vorher gefragt, ob ich den auch
haben will, den Ihr ausgeſucht habt.

„Davon iſt die Frage nicht, die Kinder ſind unſer, die Schul
iſt unſer und auch der Schulmeiſter.“

Aber welcher unter Euch verſteht wohl ſo viel Latein, um ei-
nen ſolchen Schulmeiſter zu pruͤfen, ob er auch wohl zu dem
Amte nutzt?

„Dazu haben wir unſere Leute.“

Der Fuͤrſt aber ſagte: Ich ſoll der Mann ſeyn, der den hie-
ſigen Rector examinirt und beſtaͤtiget, verſteht Ihr mich!

„Deßwegen kommen wir ja auch her.“

Nun dann! ohne Weitlaͤufigkeit — ich hab auch einen aus-
geſucht, der gut iſt, — und das iſt — der bekannte Schulmeiſter
Stilling!

Keilhof und ſeine Leute ſahen ſich an. Stollbein aber
ſtand und laͤchelte mit Triumph, und ſo ſchwieg man eine Weile
und ſagte gar nichts.

Keilhof erholte ſich endlich und ſagte: „Nun denn, ſo ſind
wir ja Einer Meinung!“

Ja, Schoͤffe Starrkopf! wir waͤren denn doch endlich ein-
mal Einer Meinung! bringt Euern Schulmeiſter her, ich will
ihn beſtaͤtigen und einſetzen.

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[189/0197] damit meinen. Stilling aber, der ein guter Geographus war und uͤberhaupt die ganze Fabel wohl verſtand, lachte recht herzlich und ſchwieg. Gayet ſagte Keilhof wieder ins Ohr: Sie habens halb und halb errathen. Nachdem man nun glaubte, ſich in gehoͤrige Sicherheit geſetzt zu haben, ſo ſchickte man um Faſtnacht eine Deputation an den Paſtor ab; Schoͤffe Keilhof ging ſelbſt mit, denn er mußte das Wort fuͤhren. Stilling wurde Zeit und Weile lang, bis ſie wieder kamen, um zu hoͤren, wie die Sache abge- laufen waͤre. Er hoͤrte es auch von Wort zu Wort. Keilhof hatte den Vortrag gethan. „Herr Paſtor! wir haben uns einen lateiniſchen Schulmei- ſter ausgeſucht, wir kommen her, um es Ihnen anzukuͤndigen.“ Ihr habt mich aber nicht vorher gefragt, ob ich den auch haben will, den Ihr ausgeſucht habt. „Davon iſt die Frage nicht, die Kinder ſind unſer, die Schul iſt unſer und auch der Schulmeiſter.“ Aber welcher unter Euch verſteht wohl ſo viel Latein, um ei- nen ſolchen Schulmeiſter zu pruͤfen, ob er auch wohl zu dem Amte nutzt? „Dazu haben wir unſere Leute.“ Der Fuͤrſt aber ſagte: Ich ſoll der Mann ſeyn, der den hie- ſigen Rector examinirt und beſtaͤtiget, verſteht Ihr mich! „Deßwegen kommen wir ja auch her.“ Nun dann! ohne Weitlaͤufigkeit — ich hab auch einen aus- geſucht, der gut iſt, — und das iſt — der bekannte Schulmeiſter Stilling! Keilhof und ſeine Leute ſahen ſich an. Stollbein aber ſtand und laͤchelte mit Triumph, und ſo ſchwieg man eine Weile und ſagte gar nichts. Keilhof erholte ſich endlich und ſagte: „Nun denn, ſo ſind wir ja Einer Meinung!“ Ja, Schoͤffe Starrkopf! wir waͤren denn doch endlich ein- mal Einer Meinung! bringt Euern Schulmeiſter her, ich will ihn beſtaͤtigen und einſetzen. „So weit ſind wir noch nicht, Herr Paſtor! wir wollen ein

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/197>, abgerufen am 22.11.2024.