einmal eins sind und alles regulirt haben, so müssen sie doch zu mir kommen und meine Einwilligung holen. Weil sie nun immer gewohnt sind, dumme Streiche zu machen, so sind sie auch gewohnt, daß ich ihnen allezeit contrair bin. Wie werden sie auf spitzige Stichelreden studiren? -- und wenn sie dann hören werden, daß ich mit ihnen einer Meinung bin, so wird sie's wirklich reuen, daß sie Euch gewählt haben, allein dann ists zu spät. Haltet Euch ganz ruhig und seyd nur brav und fleißig, so wirds gut gehen."
Indessen fingen die Florenburger an, des Abends nach dem Essen zum Schöffen Keilhof zu kommen, um sich zu berath- schlagen, wie man die Sache am besten angreifen möchte, um auf alle Fälle gegen den Pastor gerüstet zu seyn. Stilling hörte das alles, und öfters mußte er hinausgehen, um durch Lachen der Brust Luft zu machen.
Unter denen, die zu Keilhof kamen, war ein sonderlicher Mann, ein Franzose von Geburt, der hieß Gayet. So wie nun Niemand wußte, wo er eigentlich her war, deßgleichen ob er lutherisch oder reformirt war, und warum er des Sommers ebensowohl wollene Oberstrümpfe mit Knöpfen an den Seiten trug, als des Winters; wie auch, woher er an das viele Geld kam, das er immer hatte, so wußte auch Niemand, mit wel- cher Partie ers hielt. Stilling hatte diesen wunderlichen Heiligen schon kennen gelernt, als er in die lateinische Schule ging. Gayet konnte Niemand leiden, der ein Werkeltags- Mensch war; Leute, mit denen er umgehen sollte, mußten Feuer und Trieb und Wahrheit und Erkenntniß in sich haben; wenn er so Jemand fand, dann war er offen und vertraulich. Da er nun zu Florenburg Niemand von der Art wußte, so machte er sich ein Plaisir daraus, sie Alle zusammen, den Pastor mit- gerechnet, zum Narren zu haben. Stilling aber hatte ihm von jeher gefallen, und nun, da er erwachsen und Informator bei Keilhof war, so kam er oft hin, um ihn zu besuchen. Dieser Gayet saß auch wohl des Abends da und hielte Rath mit den andern; dieses war aber nie sein Ernst, sondern nur, um seine Freude an ihnen zu haben. Einstmals, als ihrer sechs bis acht recht ernstlich an der Schulsache überlegten, fing er
einmal eins ſind und alles regulirt haben, ſo muͤſſen ſie doch zu mir kommen und meine Einwilligung holen. Weil ſie nun immer gewohnt ſind, dumme Streiche zu machen, ſo ſind ſie auch gewohnt, daß ich ihnen allezeit contrair bin. Wie werden ſie auf ſpitzige Stichelreden ſtudiren? — und wenn ſie dann hoͤren werden, daß ich mit ihnen einer Meinung bin, ſo wird ſie’s wirklich reuen, daß ſie Euch gewaͤhlt haben, allein dann iſts zu ſpaͤt. Haltet Euch ganz ruhig und ſeyd nur brav und fleißig, ſo wirds gut gehen.“
Indeſſen fingen die Florenburger an, des Abends nach dem Eſſen zum Schoͤffen Keilhof zu kommen, um ſich zu berath- ſchlagen, wie man die Sache am beſten angreifen moͤchte, um auf alle Faͤlle gegen den Paſtor geruͤſtet zu ſeyn. Stilling hoͤrte das alles, und oͤfters mußte er hinausgehen, um durch Lachen der Bruſt Luft zu machen.
Unter denen, die zu Keilhof kamen, war ein ſonderlicher Mann, ein Franzoſe von Geburt, der hieß Gayet. So wie nun Niemand wußte, wo er eigentlich her war, deßgleichen ob er lutheriſch oder reformirt war, und warum er des Sommers ebenſowohl wollene Oberſtruͤmpfe mit Knoͤpfen an den Seiten trug, als des Winters; wie auch, woher er an das viele Geld kam, das er immer hatte, ſo wußte auch Niemand, mit wel- cher Partie ers hielt. Stilling hatte dieſen wunderlichen Heiligen ſchon kennen gelernt, als er in die lateiniſche Schule ging. Gayet konnte Niemand leiden, der ein Werkeltags- Menſch war; Leute, mit denen er umgehen ſollte, mußten Feuer und Trieb und Wahrheit und Erkenntniß in ſich haben; wenn er ſo Jemand fand, dann war er offen und vertraulich. Da er nun zu Florenburg Niemand von der Art wußte, ſo machte er ſich ein Plaiſir daraus, ſie Alle zuſammen, den Paſtor mit- gerechnet, zum Narren zu haben. Stilling aber hatte ihm von jeher gefallen, und nun, da er erwachſen und Informator bei Keilhof war, ſo kam er oft hin, um ihn zu beſuchen. Dieſer Gayet ſaß auch wohl des Abends da und hielte Rath mit den andern; dieſes war aber nie ſein Ernſt, ſondern nur, um ſeine Freude an ihnen zu haben. Einſtmals, als ihrer ſechs bis acht recht ernſtlich an der Schulſache uͤberlegten, fing er
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auch gewohnt, daß ich ihnen allezeit contrair bin. Wie werden
ſie auf ſpitzige Stichelreden ſtudiren? — und wenn ſie dann
hoͤren werden, daß ich mit ihnen einer Meinung bin, ſo wird
ſie’s wirklich reuen, daß ſie Euch gewaͤhlt haben, allein dann
iſts zu ſpaͤt. Haltet Euch ganz ruhig und ſeyd nur brav und
fleißig, ſo wirds gut gehen.“
Indeſſen fingen die Florenburger an, des Abends nach dem
Eſſen zum Schoͤffen Keilhof zu kommen, um ſich zu berath-
ſchlagen, wie man die Sache am beſten angreifen moͤchte, um
auf alle Faͤlle gegen den Paſtor geruͤſtet zu ſeyn. Stilling
hoͤrte das alles, und oͤfters mußte er hinausgehen, um durch
Lachen der Bruſt Luft zu machen.
Unter denen, die zu Keilhof kamen, war ein ſonderlicher
Mann, ein Franzoſe von Geburt, der hieß Gayet. So wie
nun Niemand wußte, wo er eigentlich her war, deßgleichen ob
er lutheriſch oder reformirt war, und warum er des Sommers
ebenſowohl wollene Oberſtruͤmpfe mit Knoͤpfen an den Seiten
trug, als des Winters; wie auch, woher er an das viele Geld
kam, das er immer hatte, ſo wußte auch Niemand, mit wel-
cher Partie ers hielt. Stilling hatte dieſen wunderlichen
Heiligen ſchon kennen gelernt, als er in die lateiniſche Schule
ging. Gayet konnte Niemand leiden, der ein Werkeltags-
Menſch war; Leute, mit denen er umgehen ſollte, mußten Feuer
und Trieb und Wahrheit und Erkenntniß in ſich haben; wenn
er ſo Jemand fand, dann war er offen und vertraulich. Da er
nun zu Florenburg Niemand von der Art wußte, ſo machte
er ſich ein Plaiſir daraus, ſie Alle zuſammen, den Paſtor mit-
gerechnet, zum Narren zu haben. Stilling aber hatte ihm
von jeher gefallen, und nun, da er erwachſen und Informator
bei Keilhof war, ſo kam er oft hin, um ihn zu beſuchen.
Dieſer Gayet ſaß auch wohl des Abends da und hielte Rath
mit den andern; dieſes war aber nie ſein Ernſt, ſondern nur,
um ſeine Freude an ihnen zu haben. Einſtmals, als ihrer ſechs
bis acht recht ernſtlich an der Schulſache uͤberlegten, fing er
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/195>, abgerufen am 25.11.2024.
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