die äußere Lage, natürliche Geburt, Vorurtheile der Menschen u. s. w. entgegensetzen, den Weg zur Voll- bringung der Aufgabe ihres Lebens; sie setzen Alles an die Erreichung dieses göttlichen Endzwecks, weil dieser selbst eins ist mit ihrer Persönlichkeit, das Verzichten also auf jene Wirksamkeit Verzichten auf ihr eigenes Ich wäre. Alles dieß finden wir auch bei Stilling. Von Natur hatte er einen Grundtrieb, dem er unbewußt folgte, die Ahnung einer universelleren Bestimmung im Reiche Gottes: diese Ahnung war auch die seiner Großeltern und Eltern, über- haupt seiner Umgebung; darum ließ man ihn auch frei gewähren, so viele Wechsel auch sein Jugendleben hatte. Dazu kam noch bei Stilling, daß vermöge seiner lebhaften Phantasie jeder Entschluß, welcher ihn auf seiner erha- benen Bahn weiter bringen sollte, sobald er aufkeimte, alsbald in aller Lebendigkeit und in der anziehendsten Form vor seiner Seele stund. Dürfen wir uns wundern, wenn ein so plötzlich und überraschend aufsteigender Gedanke eine unwiderstehliche Macht auf sein Gemüth ausübte, wenn Stilling das Gefühl von etwas Unwillkührlichem und daher Göttlichem dabei hatte, und um so unbedenklicher seine bis- herige Laufbahn verließ, um dem höheren Winke, dem übernatürlichen Zuge zu folgen?
Wie dem auch sey, die eigenen Lebensschicksale, die eigenen Erfahrungen, die für ihn fest stehende Thatsache von einer unmittelbar in das Leben eingreifenden Vor- sehung, -- dieß war für ihn der unwandelbare Grund, auf welchen sich sofort sein ganzer religiöser Glaube stützte. Nicht nur finden wir jene Idee beinahe auf jeder Seite seiner Schriften entwickelt: nicht nur sind nament- lich sein Christlicher Menschenfreund und seine Erzählungen voll von jener Ansicht, obgleich er hier außer der wunder- baren Lebensverkettung duldender Pilgrime die christliche Liebe auch in ihrer das gewöhnliche Leben, namentlich das einfache stille Familienleben, und seinen natürlichen Gang veredelnden und verklärenden Macht schildert: nicht nur ist also Stilling's Geist durchdrungen von jenem Ver- trauen auf Gottes übernatürliche Vorsehung, sondern
die äußere Lage, natürliche Geburt, Vorurtheile der Menſchen u. ſ. w. entgegenſetzen, den Weg zur Voll- bringung der Aufgabe ihres Lebens; ſie ſetzen Alles an die Erreichung dieſes göttlichen Endzwecks, weil dieſer ſelbſt eins iſt mit ihrer Perſönlichkeit, das Verzichten alſo auf jene Wirkſamkeit Verzichten auf ihr eigenes Ich wäre. Alles dieß finden wir auch bei Stilling. Von Natur hatte er einen Grundtrieb, dem er unbewußt folgte, die Ahnung einer univerſelleren Beſtimmung im Reiche Gottes: dieſe Ahnung war auch die ſeiner Großeltern und Eltern, über- haupt ſeiner Umgebung; darum ließ man ihn auch frei gewähren, ſo viele Wechſel auch ſein Jugendleben hatte. Dazu kam noch bei Stilling, daß vermöge ſeiner lebhaften Phantaſie jeder Entſchluß, welcher ihn auf ſeiner erha- benen Bahn weiter bringen ſollte, ſobald er aufkeimte, alsbald in aller Lebendigkeit und in der anziehendſten Form vor ſeiner Seele ſtund. Dürfen wir uns wundern, wenn ein ſo plötzlich und überraſchend aufſteigender Gedanke eine unwiderſtehliche Macht auf ſein Gemüth ausübte, wenn Stilling das Gefühl von etwas Unwillkührlichem und daher Göttlichem dabei hatte, und um ſo unbedenklicher ſeine bis- herige Laufbahn verließ, um dem höheren Winke, dem übernatürlichen Zuge zu folgen?
Wie dem auch ſey, die eigenen Lebensſchickſale, die eigenen Erfahrungen, die für ihn feſt ſtehende Thatſache von einer unmittelbar in das Leben eingreifenden Vor- ſehung, — dieß war für ihn der unwandelbare Grund, auf welchen ſich ſofort ſein ganzer religiöſer Glaube ſtützte. Nicht nur finden wir jene Idee beinahe auf jeder Seite ſeiner Schriften entwickelt: nicht nur ſind nament- lich ſein Chriſtlicher Menſchenfreund und ſeine Erzählungen voll von jener Anſicht, obgleich er hier außer der wunder- baren Lebensverkettung duldender Pilgrime die chriſtliche Liebe auch in ihrer das gewöhnliche Leben, namentlich das einfache ſtille Familienleben, und ſeinen natürlichen Gang veredelnden und verklärenden Macht ſchildert: nicht nur iſt alſo Stilling’s Geiſt durchdrungen von jenem Ver- trauen auf Gottes übernatürliche Vorſehung, ſondern
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die äußere Lage, natürliche Geburt, Vorurtheile der
Menſchen u. ſ. w. entgegenſetzen, den Weg zur Voll-
bringung der Aufgabe ihres Lebens; ſie ſetzen Alles an
die Erreichung dieſes göttlichen Endzwecks, weil dieſer
ſelbſt eins iſt mit ihrer Perſönlichkeit, das Verzichten alſo
auf jene Wirkſamkeit Verzichten auf ihr eigenes Ich wäre.
Alles dieß finden wir auch bei Stilling. Von Natur hatte
er einen Grundtrieb, dem er unbewußt folgte, die Ahnung
einer univerſelleren Beſtimmung im Reiche Gottes: dieſe
Ahnung war auch die ſeiner Großeltern und Eltern, über-
haupt ſeiner Umgebung; darum ließ man ihn auch frei
gewähren, ſo viele Wechſel auch ſein Jugendleben hatte.
Dazu kam noch bei Stilling, daß vermöge ſeiner lebhaften
Phantaſie jeder Entſchluß, welcher ihn auf ſeiner erha-
benen Bahn weiter bringen ſollte, ſobald er aufkeimte,
alsbald in aller Lebendigkeit und in der anziehendſten
Form vor ſeiner Seele ſtund. Dürfen wir uns wundern,
wenn ein ſo plötzlich und überraſchend aufſteigender Gedanke
eine unwiderſtehliche Macht auf ſein Gemüth ausübte, wenn
Stilling das Gefühl von etwas Unwillkührlichem und daher
Göttlichem dabei hatte, und um ſo unbedenklicher ſeine bis-
herige Laufbahn verließ, um dem höheren Winke, dem
übernatürlichen Zuge zu folgen?
Wie dem auch ſey, die eigenen Lebensſchickſale, die
eigenen Erfahrungen, die für ihn feſt ſtehende Thatſache
von einer unmittelbar in das Leben eingreifenden Vor-
ſehung, — dieß war für ihn der unwandelbare Grund,
auf welchen ſich ſofort ſein ganzer religiöſer Glaube
ſtützte. Nicht nur finden wir jene Idee beinahe auf jeder
Seite ſeiner Schriften entwickelt: nicht nur ſind nament-
lich ſein Chriſtlicher Menſchenfreund und ſeine Erzählungen
voll von jener Anſicht, obgleich er hier außer der wunder-
baren Lebensverkettung duldender Pilgrime die chriſtliche
Liebe auch in ihrer das gewöhnliche Leben, namentlich das
einfache ſtille Familienleben, und ſeinen natürlichen Gang
veredelnden und verklärenden Macht ſchildert: nicht nur
iſt alſo Stilling’s Geiſt durchdrungen von jenem Ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/19>, abgerufen am 22.11.2024.
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