Auf dem sanften Mondesstrahl, Fährst du ernst und still von hinnen, Lenkst den Flug zum Sternensaal, An den hohen Himmelszinnen, Wird dein Wagen weißlichtblau Zu dem schönsten Morgenthau.
Vater Stilling's Silberhaar Kräuselt sich im ew'gen Winde, Und sein Auge sternenklar, Sieht sein Dortchen sanft und linde, Wie ein goldnes Wölkchen ziehen Und der fernen Welt entfliehen.
Hoch und stark geht er daher, Höret seine Lieblings-Leiden, Wie ihm wird das Leben schwer, Wie ihn fliehen alle Freuden. Tief sich beugend blickt er dann Dort das Priester-Schildlein an.
Licht und Recht strahlt weit und breit, Vater Stilling sieht mit Wonne, Wie nach schwerer Prüfungszeit, Glänzt die unbewölkte Sonne, Die versöhnte Königin, Auf des Lieblings Scheitel hin.
Vergnügt stand nun Stilling auf, und steckte seine Schreib- tafel in die Tasche. Er sah, daß der Rand der Sonne auf den sieben Bergen zitterte. Es schauerte etwas um ihn her, er fuhr zusammen und eilte fort, ist auch seitdem nicht wieder dahin gekommen.
Er hatte jetzt die wenigen Wochen, welche er zu Florenburg war, eine sehr sonderbare Gemüthsbeschaffenheit. Er war traur- rig, aber mit einer solchen Zärtlichkeit vermischt, daß man wün- schen sollte, auf solche Weise immer traurig zu seyn. Die Quelle von diesem seltsamen Zustand hat er nie entdecken können. Doch glaub' ich, die häuslichen Umstände seines Meisters trugen viel dazu bei; es war eine so ruhige Harmonie in diesem Hause; was Einer wollte, das wollte auch der Andere. Dazu hatte er auch eine große wohlgezogene Tochter, die man mit Recht un-
Auf dem ſanften Mondesſtrahl, Fährſt du ernſt und ſtill von hinnen, Lenkſt den Flug zum Sternenſaal, An den hohen Himmelszinnen, Wird dein Wagen weißlichtblau Zu dem ſchönſten Morgenthau.
Vater Stilling’s Silberhaar Kräuſelt ſich im ew’gen Winde, Und ſein Auge ſternenklar, Sieht ſein Dortchen ſanft und linde, Wie ein goldnes Wölkchen ziehen Und der fernen Welt entfliehen.
Hoch und ſtark geht er daher, Höret ſeine Lieblings-Leiden, Wie ihm wird das Leben ſchwer, Wie ihn fliehen alle Freuden. Tief ſich beugend blickt er dann Dort das Prieſter-Schildlein an.
Licht und Recht ſtrahlt weit und breit, Vater Stilling ſieht mit Wonne, Wie nach ſchwerer Prüfungszeit, Glänzt die unbewölkte Sonne, Die verſöhnte Königin, Auf des Lieblings Scheitel hin.
Vergnuͤgt ſtand nun Stilling auf, und ſteckte ſeine Schreib- tafel in die Taſche. Er ſah, daß der Rand der Sonne auf den ſieben Bergen zitterte. Es ſchauerte etwas um ihn her, er fuhr zuſammen und eilte fort, iſt auch ſeitdem nicht wieder dahin gekommen.
Er hatte jetzt die wenigen Wochen, welche er zu Florenburg war, eine ſehr ſonderbare Gemuͤthsbeſchaffenheit. Er war traur- rig, aber mit einer ſolchen Zaͤrtlichkeit vermiſcht, daß man wuͤn- ſchen ſollte, auf ſolche Weiſe immer traurig zu ſeyn. Die Quelle von dieſem ſeltſamen Zuſtand hat er nie entdecken koͤnnen. Doch glaub’ ich, die haͤuslichen Umſtaͤnde ſeines Meiſters trugen viel dazu bei; es war eine ſo ruhige Harmonie in dieſem Hauſe; was Einer wollte, das wollte auch der Andere. Dazu hatte er auch eine große wohlgezogene Tochter, die man mit Recht un-
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Auf dem ſanften Mondesſtrahl,
Fährſt du ernſt und ſtill von hinnen,
Lenkſt den Flug zum Sternenſaal,
An den hohen Himmelszinnen,
Wird dein Wagen weißlichtblau
Zu dem ſchönſten Morgenthau.
Vater Stilling’s Silberhaar
Kräuſelt ſich im ew’gen Winde,
Und ſein Auge ſternenklar,
Sieht ſein Dortchen ſanft und linde,
Wie ein goldnes Wölkchen ziehen
Und der fernen Welt entfliehen.
Hoch und ſtark geht er daher,
Höret ſeine Lieblings-Leiden,
Wie ihm wird das Leben ſchwer,
Wie ihn fliehen alle Freuden.
Tief ſich beugend blickt er dann
Dort das Prieſter-Schildlein an.
Licht und Recht ſtrahlt weit und breit,
Vater Stilling ſieht mit Wonne,
Wie nach ſchwerer Prüfungszeit,
Glänzt die unbewölkte Sonne,
Die verſöhnte Königin,
Auf des Lieblings Scheitel hin.
Vergnuͤgt ſtand nun Stilling auf, und ſteckte ſeine Schreib-
tafel in die Taſche. Er ſah, daß der Rand der Sonne auf
den ſieben Bergen zitterte. Es ſchauerte etwas um ihn her, er
fuhr zuſammen und eilte fort, iſt auch ſeitdem nicht wieder dahin
gekommen.
Er hatte jetzt die wenigen Wochen, welche er zu Florenburg
war, eine ſehr ſonderbare Gemuͤthsbeſchaffenheit. Er war traur-
rig, aber mit einer ſolchen Zaͤrtlichkeit vermiſcht, daß man wuͤn-
ſchen ſollte, auf ſolche Weiſe immer traurig zu ſeyn. Die Quelle
von dieſem ſeltſamen Zuſtand hat er nie entdecken koͤnnen. Doch
glaub’ ich, die haͤuslichen Umſtaͤnde ſeines Meiſters trugen viel
dazu bei; es war eine ſo ruhige Harmonie in dieſem Hauſe;
was Einer wollte, das wollte auch der Andere. Dazu hatte er
auch eine große wohlgezogene Tochter, die man mit Recht un-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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