Haushaltung auch hundert; nun! -- meinen Sie denn, mit den übrigen hundert Gulden noch auszukommen!
Stilling antwortete: Davor muß man sich hüten.
Ja! fuhr der Hofprediger fort, freilich muß man sich hüten, aber wie würden Sie das anfangen?
Stilling versetzte: Ich würde den Leuten, die mich besuch- ten, aufrichtig sagen: Herren oder Freunde! meine Umstände leiden nicht, daß ich Wein präsentire, womit kann ich Ihnen sonst dienen?
Herr Schneeberg lachte. Ja, sagte er, das geht wohl an, allein es ist doch schwerer, als Sie denken. Hören Sie! ich will Ihnen etwas sagen, das Ihnen Ihr ganzes Leben lang nützlich seyn wird, Sie mögen in der Welt werden, was Sie wollen: Lassen Sie Ihren äußern Aufzug und Betragen in Klei- dung, Essen, Trinken und Aufführung immer mittelmäßig bür- gerlich seyn, so wird Niemand mehr von Ihnen fordern, als Ihre Aufführung ausweist; komm ich in ein schön meublirtes Zimmer, bei einem Mann in kostbarem Kleide, so frag' ich nicht lange, weß Standes er sey, sondern ich erwarte eine Flasche Wein und Confect; komm ich aber in ein bürgerliches Zimmer bei einem Mann in bürgerlichem Kleide, ei so erwarte ich nichts weiter, als ein Glas Bier und eine Pfeife Tabak.
Stilling erkannte die Wahrheit dieser Erfahrung, er lachte und sagte: das ist eine Lehre, die ich niemals vergessen werde.
Und doch, mein lieber Frennd, fuhr der Hofprediger fort, ist sie schwerer in Ausübung zu bringen, als man denkt. Der alte Adam kitzelt sich so leicht damit, wenn man ein Ehren- ämtchen kriegt, o wie schwer ists alsdann, noch immer der alte Stilling zu bleiben! Man heißt nun gerne Herr Stilling, möchte auch gerne so ein schmales Treßchen an der Weste haben, und das wachst dann nach und nach, bis man fest sitzt und sich nicht zu helfen weiß. Nun, mein Freund! Punctum. Ich will helfen, was ich kann, damit Sie Bergverwalter werden.
Stilling konnte die Nacht vor Freuden nicht schlafen. Er sah sich schon in einem schönen Hause wohnen, sah eine Menge schöner Bücher in einer aparten Stube stehen, verschiedene schöne mathematische Instrumente da hängen, mit Einem Wort, seine
Haushaltung auch hundert; nun! — meinen Sie denn, mit den uͤbrigen hundert Gulden noch auszukommen!
Stilling antwortete: Davor muß man ſich huͤten.
Ja! fuhr der Hofprediger fort, freilich muß man ſich huͤten, aber wie wuͤrden Sie das anfangen?
Stilling verſetzte: Ich wuͤrde den Leuten, die mich beſuch- ten, aufrichtig ſagen: Herren oder Freunde! meine Umſtaͤnde leiden nicht, daß ich Wein praͤſentire, womit kann ich Ihnen ſonſt dienen?
Herr Schneeberg lachte. Ja, ſagte er, das geht wohl an, allein es iſt doch ſchwerer, als Sie denken. Hoͤren Sie! ich will Ihnen etwas ſagen, das Ihnen Ihr ganzes Leben lang nuͤtzlich ſeyn wird, Sie moͤgen in der Welt werden, was Sie wollen: Laſſen Sie Ihren aͤußern Aufzug und Betragen in Klei- dung, Eſſen, Trinken und Auffuͤhrung immer mittelmaͤßig buͤr- gerlich ſeyn, ſo wird Niemand mehr von Ihnen fordern, als Ihre Auffuͤhrung ausweist; komm ich in ein ſchoͤn meublirtes Zimmer, bei einem Mann in koſtbarem Kleide, ſo frag’ ich nicht lange, weß Standes er ſey, ſondern ich erwarte eine Flaſche Wein und Confect; komm ich aber in ein buͤrgerliches Zimmer bei einem Mann in buͤrgerlichem Kleide, ei ſo erwarte ich nichts weiter, als ein Glas Bier und eine Pfeife Tabak.
Stilling erkannte die Wahrheit dieſer Erfahrung, er lachte und ſagte: das iſt eine Lehre, die ich niemals vergeſſen werde.
Und doch, mein lieber Frennd, fuhr der Hofprediger fort, iſt ſie ſchwerer in Ausuͤbung zu bringen, als man denkt. Der alte Adam kitzelt ſich ſo leicht damit, wenn man ein Ehren- aͤmtchen kriegt, o wie ſchwer iſts alsdann, noch immer der alte Stilling zu bleiben! Man heißt nun gerne Herr Stilling, moͤchte auch gerne ſo ein ſchmales Treßchen an der Weſte haben, und das wachst dann nach und nach, bis man feſt ſitzt und ſich nicht zu helfen weiß. Nun, mein Freund! Punctum. Ich will helfen, was ich kann, damit Sie Bergverwalter werden.
Stilling konnte die Nacht vor Freuden nicht ſchlafen. Er ſah ſich ſchon in einem ſchoͤnen Hauſe wohnen, ſah eine Menge ſchoͤner Buͤcher in einer aparten Stube ſtehen, verſchiedene ſchoͤne mathematiſche Inſtrumente da haͤngen, mit Einem Wort, ſeine
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Haushaltung auch hundert; nun! — meinen Sie denn, mit
den uͤbrigen hundert Gulden noch auszukommen!
Stilling antwortete: Davor muß man ſich huͤten.
Ja! fuhr der Hofprediger fort, freilich muß man ſich huͤten,
aber wie wuͤrden Sie das anfangen?
Stilling verſetzte: Ich wuͤrde den Leuten, die mich beſuch-
ten, aufrichtig ſagen: Herren oder Freunde! meine Umſtaͤnde
leiden nicht, daß ich Wein praͤſentire, womit kann ich Ihnen
ſonſt dienen?
Herr Schneeberg lachte. Ja, ſagte er, das geht wohl
an, allein es iſt doch ſchwerer, als Sie denken. Hoͤren Sie!
ich will Ihnen etwas ſagen, das Ihnen Ihr ganzes Leben lang
nuͤtzlich ſeyn wird, Sie moͤgen in der Welt werden, was Sie
wollen: Laſſen Sie Ihren aͤußern Aufzug und Betragen in Klei-
dung, Eſſen, Trinken und Auffuͤhrung immer mittelmaͤßig buͤr-
gerlich ſeyn, ſo wird Niemand mehr von Ihnen fordern, als
Ihre Auffuͤhrung ausweist; komm ich in ein ſchoͤn meublirtes
Zimmer, bei einem Mann in koſtbarem Kleide, ſo frag’ ich nicht
lange, weß Standes er ſey, ſondern ich erwarte eine Flaſche
Wein und Confect; komm ich aber in ein buͤrgerliches Zimmer
bei einem Mann in buͤrgerlichem Kleide, ei ſo erwarte ich nichts
weiter, als ein Glas Bier und eine Pfeife Tabak.
Stilling erkannte die Wahrheit dieſer Erfahrung, er lachte
und ſagte: das iſt eine Lehre, die ich niemals vergeſſen werde.
Und doch, mein lieber Frennd, fuhr der Hofprediger fort,
iſt ſie ſchwerer in Ausuͤbung zu bringen, als man denkt. Der
alte Adam kitzelt ſich ſo leicht damit, wenn man ein Ehren-
aͤmtchen kriegt, o wie ſchwer iſts alsdann, noch immer der alte
Stilling zu bleiben! Man heißt nun gerne Herr Stilling,
moͤchte auch gerne ſo ein ſchmales Treßchen an der Weſte haben,
und das wachst dann nach und nach, bis man feſt ſitzt und
ſich nicht zu helfen weiß. Nun, mein Freund! Punctum. Ich
will helfen, was ich kann, damit Sie Bergverwalter werden.
Stilling konnte die Nacht vor Freuden nicht ſchlafen. Er
ſah ſich ſchon in einem ſchoͤnen Hauſe wohnen, ſah eine Menge
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/180>, abgerufen am 09.11.2024.
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