rerem Ausbruch der Liebe zu geben. Sie waren Beide sittsam und blöde, und deßwegen weit davon entfernt, sich an ihn zu entdecken. Frau Schmoll saß dann, spielte mit ihrer schwarzen papiernen Schnupftabacksdose auf dem Schoos, und dachte nach, unter welche Sorte Menschen der Schulmei- ster wohl eigentlich gehören möchte; fromm und brav war er in ihren Augen und recht gottesfürchtig dazu; allein da er von allem redete, nur nicht von Sachen, womit Brod zu ver- dienen war, so sagte sie oft, wenn er zur Thüre hinaus ging: der arme Schelm, was will noch aus ihm werden! Das kann man nicht wissen, versetzte denn wohl Maria zuweilen, ich glaube, er wird noch ein vornehmer Mann in der Welt. Die Mutter lachte und erwiederte oft: Gott laß es ihm wohl ge- hen! er ist ein recht lieber Bursche; auf einmal wurden ihre Töchter lebendig.
Ich darf behaupten, daß Stilling die Preisinger Schule nach Pflicht und Ordnung bediente; er suchte nun, bei reifern Jahren und Einsichten, seinen Ruhm in Unter- weisung der Jugend zu befestigen. Allein es war Schade, daß es nicht aus natürlicher Neigung herfloß. Wenn er eben sowohl nur acht Stunden des Tages zum Schneiderhandwerk, als zum Schulamt hätte verwenden dürfen, so wäre er ge- wiß noch lieber am Handwerk geblieben: denn das war für ihn ruhiger und nicht so vieler Verantwortung unterworfen. Um sich nun die Schule angenehmer zu machen, erdachte er allerhand Mittel, wie er mit leichterer Mühe die Schüler zum Lernen aufmuntern möchte. Er führte eine Rangordnung ein, die sich auf die größere Geschicklichkeit bezog, er fand allerhand Wettspiele im Schreiben, Lesen und Buchstabiren; und da er ein großer Liebhaber vom Singen und der Musik war, so suchte er schöne geistliche Lieder zusammen, lernte selber die Musiknoten mit leichter Mühe und führte das vierstimmige Singen ein. Dadurch wurde nun ganz Preisingen voller Leben und Gesang. Des Abends vor dem Essen hielt er eine Rechenstunde und nach derselben eine Singstunde. Wenn dann der Mond so still und feierlich durch die Bäume schim- merte, und die Sterne vom blauen Himmel herunter äugel-
rerem Ausbruch der Liebe zu geben. Sie waren Beide ſittſam und bloͤde, und deßwegen weit davon entfernt, ſich an ihn zu entdecken. Frau Schmoll ſaß dann, ſpielte mit ihrer ſchwarzen papiernen Schnupftabacksdoſe auf dem Schoos, und dachte nach, unter welche Sorte Menſchen der Schulmei- ſter wohl eigentlich gehoͤren moͤchte; fromm und brav war er in ihren Augen und recht gottesfuͤrchtig dazu; allein da er von allem redete, nur nicht von Sachen, womit Brod zu ver- dienen war, ſo ſagte ſie oft, wenn er zur Thuͤre hinaus ging: der arme Schelm, was will noch aus ihm werden! Das kann man nicht wiſſen, verſetzte denn wohl Maria zuweilen, ich glaube, er wird noch ein vornehmer Mann in der Welt. Die Mutter lachte und erwiederte oft: Gott laß es ihm wohl ge- hen! er iſt ein recht lieber Burſche; auf einmal wurden ihre Toͤchter lebendig.
Ich darf behaupten, daß Stilling die Preiſinger Schule nach Pflicht und Ordnung bediente; er ſuchte nun, bei reifern Jahren und Einſichten, ſeinen Ruhm in Unter- weiſung der Jugend zu befeſtigen. Allein es war Schade, daß es nicht aus natuͤrlicher Neigung herfloß. Wenn er eben ſowohl nur acht Stunden des Tages zum Schneiderhandwerk, als zum Schulamt haͤtte verwenden duͤrfen, ſo waͤre er ge- wiß noch lieber am Handwerk geblieben: denn das war fuͤr ihn ruhiger und nicht ſo vieler Verantwortung unterworfen. Um ſich nun die Schule angenehmer zu machen, erdachte er allerhand Mittel, wie er mit leichterer Muͤhe die Schuͤler zum Lernen aufmuntern moͤchte. Er fuͤhrte eine Rangordnung ein, die ſich auf die groͤßere Geſchicklichkeit bezog, er fand allerhand Wettſpiele im Schreiben, Leſen und Buchſtabiren; und da er ein großer Liebhaber vom Singen und der Muſik war, ſo ſuchte er ſchoͤne geiſtliche Lieder zuſammen, lernte ſelber die Muſiknoten mit leichter Muͤhe und fuͤhrte das vierſtimmige Singen ein. Dadurch wurde nun ganz Preiſingen voller Leben und Geſang. Des Abends vor dem Eſſen hielt er eine Rechenſtunde und nach derſelben eine Singſtunde. Wenn dann der Mond ſo ſtill und feierlich durch die Baͤume ſchim- merte, und die Sterne vom blauen Himmel herunter aͤugel-
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rerem Ausbruch der Liebe zu geben. Sie waren Beide ſittſam
und bloͤde, und deßwegen weit davon entfernt, ſich an ihn
zu entdecken. Frau Schmoll ſaß dann, ſpielte mit ihrer
ſchwarzen papiernen Schnupftabacksdoſe auf dem Schoos,
und dachte nach, unter welche Sorte Menſchen der Schulmei-
ſter wohl eigentlich gehoͤren moͤchte; fromm und brav war er
in ihren Augen und recht gottesfuͤrchtig dazu; allein da er
von allem redete, nur nicht von Sachen, womit Brod zu ver-
dienen war, ſo ſagte ſie oft, wenn er zur Thuͤre hinaus ging:
der arme Schelm, was will noch aus ihm werden! Das kann
man nicht wiſſen, verſetzte denn wohl Maria zuweilen, ich
glaube, er wird noch ein vornehmer Mann in der Welt. Die
Mutter lachte und erwiederte oft: Gott laß es ihm wohl ge-
hen! er iſt ein recht lieber Burſche; auf einmal wurden ihre
Toͤchter lebendig.
Ich darf behaupten, daß Stilling die Preiſinger
Schule nach Pflicht und Ordnung bediente; er ſuchte nun,
bei reifern Jahren und Einſichten, ſeinen Ruhm in Unter-
weiſung der Jugend zu befeſtigen. Allein es war Schade,
daß es nicht aus natuͤrlicher Neigung herfloß. Wenn er eben
ſowohl nur acht Stunden des Tages zum Schneiderhandwerk,
als zum Schulamt haͤtte verwenden duͤrfen, ſo waͤre er ge-
wiß noch lieber am Handwerk geblieben: denn das war fuͤr
ihn ruhiger und nicht ſo vieler Verantwortung unterworfen.
Um ſich nun die Schule angenehmer zu machen, erdachte er
allerhand Mittel, wie er mit leichterer Muͤhe die Schuͤler zum
Lernen aufmuntern moͤchte. Er fuͤhrte eine Rangordnung ein,
die ſich auf die groͤßere Geſchicklichkeit bezog, er fand allerhand
Wettſpiele im Schreiben, Leſen und Buchſtabiren; und da
er ein großer Liebhaber vom Singen und der Muſik war, ſo
ſuchte er ſchoͤne geiſtliche Lieder zuſammen, lernte ſelber die
Muſiknoten mit leichter Muͤhe und fuͤhrte das vierſtimmige
Singen ein. Dadurch wurde nun ganz Preiſingen voller
Leben und Geſang. Des Abends vor dem Eſſen hielt er eine
Rechenſtunde und nach derſelben eine Singſtunde. Wenn
dann der Mond ſo ſtill und feierlich durch die Baͤume ſchim-
merte, und die Sterne vom blauen Himmel herunter aͤugel-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/145>, abgerufen am 24.11.2024.
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