herrschsüchtig. Um den Charakter dieses Mannes meinen Lesern zu schildern, will ich eine Geschichte erzählen, die sich mit ihm zugetragen hat, als er noch Hofprediger bei einem Fürsten zu R ... gewesen war. Dieser Fürst hatte eine vortreffliche Ge- mahlin und mit derselben auch verschiedene Prinzessinnen; den- noch verliebte er sich in eine Bürgerstochter in seiner Residenz- stadt, bei welcher er, seiner Gemahlin zum höchsten Leidwesen, ganze Nächte zubrachte. Dahlheim konnte das ungeahndet nicht hingehen lassen; er fing auf der Kanzel an, unvermerkt dagegen zu predigen, doch fühlte der Fürst wohl, wohin der Hofprediger zielte, daher blieb er aus der Kirche und fuhr während der Zeit auf sein Lustschloß in den Thiergarten. Eins- mals kam Dahlheim und wollte in die Kirche gehen zu pre- digen, er traf den Fürsten just auf dem Platz, als er in die Kutsche steigen wollte; der Hofprediger trat herzu und fragte: wo gedenken Euer Durchlaucht hin? Was liegt dir, Pfaff daran? war die Antwort. Sehr viel! versetzte Dahlheim, und ging in die Kirche, allwo er mit trockenen Worten gegen die Ausschweifungen der Großen dieser Welt anging, und ein Weh über das andere gegen sie ausrief. Nun war die Für- stin in der Kirche, sie ließ ihn zur Mittagstafel bitten, er kam, und sie bedauerte seine Freimüthigkeit und befürchtete üble Fol- gen. Indessen kam der Fürst wieder, fuhr aber auch alsofort wieder in die Stadt zu seiner Maitresse, welche zum Unglück auch in der Hofkapelle gewesen war, und Herrn Dahlheim gehört hatte. Sowohl der Hofprediger, als auch die Fürstin hatten sie gesehen, sie konnten leicht das Gewitter vorausse- hen, welches Herrn Dahlheim über dem Haupt schwebte: dieser aber kehrte sich an nichts, sondern sagte der Fürstin, daß er alsofort hingehen und dem Fürsten die Wahrheit ins Gesicht sagen wollte, er ließ sich auch gar nicht warnen, sondern ging alsofort hin und gerade zum Fürsten ins Zimmer. Als er hineintrat, stutzte derselbe und fragte: was habt Ihr hier zu machen? Dahlheim antwortete: "Ich bin gekommen, Ew. "Durchlaucht Segen und Fluch vorzulegen, werden Die- "selben diesem ungeziemenden Leben nicht absa- "gen, so wird der Fluch Dero hohes Haus und
herrſchſuͤchtig. Um den Charakter dieſes Mannes meinen Leſern zu ſchildern, will ich eine Geſchichte erzaͤhlen, die ſich mit ihm zugetragen hat, als er noch Hofprediger bei einem Fuͤrſten zu R … geweſen war. Dieſer Fuͤrſt hatte eine vortreffliche Ge- mahlin und mit derſelben auch verſchiedene Prinzeſſinnen; den- noch verliebte er ſich in eine Buͤrgerstochter in ſeiner Reſidenz- ſtadt, bei welcher er, ſeiner Gemahlin zum hoͤchſten Leidweſen, ganze Naͤchte zubrachte. Dahlheim konnte das ungeahndet nicht hingehen laſſen; er fing auf der Kanzel an, unvermerkt dagegen zu predigen, doch fuͤhlte der Fuͤrſt wohl, wohin der Hofprediger zielte, daher blieb er aus der Kirche und fuhr waͤhrend der Zeit auf ſein Luſtſchloß in den Thiergarten. Eins- mals kam Dahlheim und wollte in die Kirche gehen zu pre- digen, er traf den Fuͤrſten juſt auf dem Platz, als er in die Kutſche ſteigen wollte; der Hofprediger trat herzu und fragte: wo gedenken Euer Durchlaucht hin? Was liegt dir, Pfaff daran? war die Antwort. Sehr viel! verſetzte Dahlheim, und ging in die Kirche, allwo er mit trockenen Worten gegen die Ausſchweifungen der Großen dieſer Welt anging, und ein Weh uͤber das andere gegen ſie ausrief. Nun war die Fuͤr- ſtin in der Kirche, ſie ließ ihn zur Mittagstafel bitten, er kam, und ſie bedauerte ſeine Freimuͤthigkeit und befuͤrchtete uͤble Fol- gen. Indeſſen kam der Fuͤrſt wieder, fuhr aber auch alſofort wieder in die Stadt zu ſeiner Maitreſſe, welche zum Ungluͤck auch in der Hofkapelle geweſen war, und Herrn Dahlheim gehoͤrt hatte. Sowohl der Hofprediger, als auch die Fuͤrſtin hatten ſie geſehen, ſie konnten leicht das Gewitter vorausſe- hen, welches Herrn Dahlheim uͤber dem Haupt ſchwebte: dieſer aber kehrte ſich an nichts, ſondern ſagte der Fuͤrſtin, daß er alſofort hingehen und dem Fuͤrſten die Wahrheit ins Geſicht ſagen wollte, er ließ ſich auch gar nicht warnen, ſondern ging alſofort hin und gerade zum Fuͤrſten ins Zimmer. Als er hineintrat, ſtutzte derſelbe und fragte: was habt Ihr hier zu machen? Dahlheim antwortete: „Ich bin gekommen, Ew. „Durchlaucht Segen und Fluch vorzulegen, werden Die- „ſelben dieſem ungeziemenden Leben nicht abſa- „gen, ſo wird der Fluch Dero hohes Haus und
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herrſchſuͤchtig. Um den Charakter dieſes Mannes meinen Leſern
zu ſchildern, will ich eine Geſchichte erzaͤhlen, die ſich mit ihm
zugetragen hat, als er noch Hofprediger bei einem Fuͤrſten zu
R … geweſen war. Dieſer Fuͤrſt hatte eine vortreffliche Ge-
mahlin und mit derſelben auch verſchiedene Prinzeſſinnen; den-
noch verliebte er ſich in eine Buͤrgerstochter in ſeiner Reſidenz-
ſtadt, bei welcher er, ſeiner Gemahlin zum hoͤchſten Leidweſen,
ganze Naͤchte zubrachte. Dahlheim konnte das ungeahndet
nicht hingehen laſſen; er fing auf der Kanzel an, unvermerkt
dagegen zu predigen, doch fuͤhlte der Fuͤrſt wohl, wohin der
Hofprediger zielte, daher blieb er aus der Kirche und fuhr
waͤhrend der Zeit auf ſein Luſtſchloß in den Thiergarten. Eins-
mals kam Dahlheim und wollte in die Kirche gehen zu pre-
digen, er traf den Fuͤrſten juſt auf dem Platz, als er in die
Kutſche ſteigen wollte; der Hofprediger trat herzu und fragte:
wo gedenken Euer Durchlaucht hin? Was liegt dir, Pfaff
daran? war die Antwort. Sehr viel! verſetzte Dahlheim,
und ging in die Kirche, allwo er mit trockenen Worten gegen
die Ausſchweifungen der Großen dieſer Welt anging, und
ein Weh uͤber das andere gegen ſie ausrief. Nun war die Fuͤr-
ſtin in der Kirche, ſie ließ ihn zur Mittagstafel bitten, er kam,
und ſie bedauerte ſeine Freimuͤthigkeit und befuͤrchtete uͤble Fol-
gen. Indeſſen kam der Fuͤrſt wieder, fuhr aber auch alſofort
wieder in die Stadt zu ſeiner Maitreſſe, welche zum Ungluͤck
auch in der Hofkapelle geweſen war, und Herrn Dahlheim
gehoͤrt hatte. Sowohl der Hofprediger, als auch die Fuͤrſtin
hatten ſie geſehen, ſie konnten leicht das Gewitter vorausſe-
hen, welches Herrn Dahlheim uͤber dem Haupt ſchwebte:
dieſer aber kehrte ſich an nichts, ſondern ſagte der Fuͤrſtin, daß
er alſofort hingehen und dem Fuͤrſten die Wahrheit ins Geſicht
ſagen wollte, er ließ ſich auch gar nicht warnen, ſondern ging
alſofort hin und gerade zum Fuͤrſten ins Zimmer. Als er
hineintrat, ſtutzte derſelbe und fragte: was habt Ihr hier zu
machen? Dahlheim antwortete: „Ich bin gekommen, Ew.
„Durchlaucht Segen und Fluch vorzulegen, werden Die-
„ſelben dieſem ungeziemenden Leben nicht abſa-
„gen, ſo wird der Fluch Dero hohes Haus und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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