theil an der Zeche und ging heimlich fort. Als er nach Haus kam, erzählte er Herrn Steifmann den Vorfall; allein der lachte darüber. Man sah ihm an, daß er den mißlungenen Anschlag bedauerte. Die Knechte wurden nun vollends wüthend und suchten allerhand Gelegenheit, ihm eins zu versetzen; allein Gott bewahrte ihn. Noch zwei Tage vor seiner Abreise traf ihn ein Bauernsohn aus dem Dorf auf dem Feld, der auch bei der Branntweinszeche gewesen; dieser griff ihn am Kopf und rang mit ihm, ihn zur Erde zu werfen; es war aber zu gutem Glück ein alter Greis nahe dabei im Hof, dieser kam herzu und fragte: was ihm der Schulmeister gethan habe? Der Bursche antwortete: Er hat mir nichts gethan, ich will ihm nur ein Paar um die Ohren geben. Der alte Bauer aber ergriff ihn und sagte gegen Stilling: geh' du nach Haus! Und darauf gab er jenem einige derbe Maulschellen und versetzte: nun geh du auch nach Haus, das hab' ich nur so für Spaß gethan.
Den zweiten Ostertag nahm Stilling seinen Abschied zu Dorlingen, und des Abends kam er wieder bei seinen Eltern zu Leindorf an.
Nun war er in so weit wieder in seinem Element, er mußte freilich wacker auf dem Handwerk arbeiten; allein er wußte doch nun wieder Gelegenheit, an Bücher zu kommen. Den ersten Sonntag ging er nach Zellberg und holte den Ho- mer, und wo er sonst etwas wußte, das nach seinem Geschmack schön zu lesen war, das holte er herbei, so daß in Kurzem das Brett über den Fenstern her, wo sonst allerhand Geräthe gestan- den hatte, ganz voll Bücher stand. Wilhelm war dessen so gewohnt, er sah es gern; allein der Mutter waren sie zuwei- len im Wege, so, daß sie fragte: Heinrich, was willst du mit allen den Büchern machen? Er las also des Sonntags und während dem Essen; seine Mutter schüttelte dann oft den Kopf und sagte: das ist doch ein wunderlicher Junge; -- Wil- helm lächelte dann so auf Stillings Weise und sagte: Gretchen, laß ihn halt machen! --
Nach einigen Wochen fing nun die schwerste Feldarbeit an. Wilhelm mußte darin seinen Sohn auch brauchen, wenn er keinen Taglöhner an seine Stelle nehmen wollte, und damit
theil an der Zeche und ging heimlich fort. Als er nach Haus kam, erzaͤhlte er Herrn Steifmann den Vorfall; allein der lachte daruͤber. Man ſah ihm an, daß er den mißlungenen Anſchlag bedauerte. Die Knechte wurden nun vollends wuͤthend und ſuchten allerhand Gelegenheit, ihm eins zu verſetzen; allein Gott bewahrte ihn. Noch zwei Tage vor ſeiner Abreiſe traf ihn ein Bauernſohn aus dem Dorf auf dem Feld, der auch bei der Branntweinszeche geweſen; dieſer griff ihn am Kopf und rang mit ihm, ihn zur Erde zu werfen; es war aber zu gutem Gluͤck ein alter Greis nahe dabei im Hof, dieſer kam herzu und fragte: was ihm der Schulmeiſter gethan habe? Der Burſche antwortete: Er hat mir nichts gethan, ich will ihm nur ein Paar um die Ohren geben. Der alte Bauer aber ergriff ihn und ſagte gegen Stilling: geh’ du nach Haus! Und darauf gab er jenem einige derbe Maulſchellen und verſetzte: nun geh du auch nach Haus, das hab’ ich nur ſo fuͤr Spaß gethan.
Den zweiten Oſtertag nahm Stilling ſeinen Abſchied zu Dorlingen, und des Abends kam er wieder bei ſeinen Eltern zu Leindorf an.
Nun war er in ſo weit wieder in ſeinem Element, er mußte freilich wacker auf dem Handwerk arbeiten; allein er wußte doch nun wieder Gelegenheit, an Buͤcher zu kommen. Den erſten Sonntag ging er nach Zellberg und holte den Ho- mer, und wo er ſonſt etwas wußte, das nach ſeinem Geſchmack ſchoͤn zu leſen war, das holte er herbei, ſo daß in Kurzem das Brett uͤber den Fenſtern her, wo ſonſt allerhand Geraͤthe geſtan- den hatte, ganz voll Buͤcher ſtand. Wilhelm war deſſen ſo gewohnt, er ſah es gern; allein der Mutter waren ſie zuwei- len im Wege, ſo, daß ſie fragte: Heinrich, was willſt du mit allen den Buͤchern machen? Er las alſo des Sonntags und waͤhrend dem Eſſen; ſeine Mutter ſchuͤttelte dann oft den Kopf und ſagte: das iſt doch ein wunderlicher Junge; — Wil- helm laͤchelte dann ſo auf Stillings Weiſe und ſagte: Gretchen, laß ihn halt machen! —
Nach einigen Wochen fing nun die ſchwerſte Feldarbeit an. Wilhelm mußte darin ſeinen Sohn auch brauchen, wenn er keinen Tagloͤhner an ſeine Stelle nehmen wollte, und damit
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Anſchlag bedauerte. Die Knechte wurden nun vollends wuͤthend
und ſuchten allerhand Gelegenheit, ihm eins zu verſetzen; allein
Gott bewahrte ihn. Noch zwei Tage vor ſeiner Abreiſe traf
ihn ein Bauernſohn aus dem Dorf auf dem Feld, der auch bei
der Branntweinszeche geweſen; dieſer griff ihn am Kopf und
rang mit ihm, ihn zur Erde zu werfen; es war aber zu gutem
Gluͤck ein alter Greis nahe dabei im Hof, dieſer kam herzu
und fragte: was ihm der Schulmeiſter gethan habe? Der
Burſche antwortete: Er hat mir nichts gethan, ich will ihm
nur ein Paar um die Ohren geben. Der alte Bauer aber ergriff
ihn und ſagte gegen Stilling: geh’ du nach Haus! Und
darauf gab er jenem einige derbe Maulſchellen und verſetzte:
nun geh du auch nach Haus, das hab’ ich nur ſo fuͤr Spaß gethan.
Den zweiten Oſtertag nahm Stilling ſeinen Abſchied zu
Dorlingen, und des Abends kam er wieder bei ſeinen Eltern
zu Leindorf an.
Nun war er in ſo weit wieder in ſeinem Element, er mußte
freilich wacker auf dem Handwerk arbeiten; allein er wußte
doch nun wieder Gelegenheit, an Buͤcher zu kommen. Den
erſten Sonntag ging er nach Zellberg und holte den Ho-
mer, und wo er ſonſt etwas wußte, das nach ſeinem Geſchmack
ſchoͤn zu leſen war, das holte er herbei, ſo daß in Kurzem das
Brett uͤber den Fenſtern her, wo ſonſt allerhand Geraͤthe geſtan-
den hatte, ganz voll Buͤcher ſtand. Wilhelm war deſſen ſo
gewohnt, er ſah es gern; allein der Mutter waren ſie zuwei-
len im Wege, ſo, daß ſie fragte: Heinrich, was willſt du
mit allen den Buͤchern machen? Er las alſo des Sonntags
und waͤhrend dem Eſſen; ſeine Mutter ſchuͤttelte dann oft den
Kopf und ſagte: das iſt doch ein wunderlicher Junge; — Wil-
helm laͤchelte dann ſo auf Stillings Weiſe und ſagte:
Gretchen, laß ihn halt machen! —
Nach einigen Wochen fing nun die ſchwerſte Feldarbeit an.
Wilhelm mußte darin ſeinen Sohn auch brauchen, wenn
er keinen Tagloͤhner an ſeine Stelle nehmen wollte, und damit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/138>, abgerufen am 24.11.2024.
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