Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. haben, während in allen andern Fällen die formelle Schwierig-keit ein unübersteigliches Hinderniß entgegen setzte. So hat die bereits vielfach von uns erprobte conservirende Macht der Form (B. 2 S. 543) sich auch hier wieder ein Mal bethätigt. Ohne das Formelnwesen wäre unsere heutige Klagencumulation statt bei uns, wahrscheinlich schon in Rom zur Welt gekommen! Wir wenden uns jetzt der ebenso schwierigen, wie wichtigen Wir brauchen vor dieser Verpflichtung nicht zurück zu schrecken; Nicht ein vages Gefühl von dem Werth der analytischen Me- Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. haben, während in allen andern Fällen die formelle Schwierig-keit ein unüberſteigliches Hinderniß entgegen ſetzte. So hat die bereits vielfach von uns erprobte conſervirende Macht der Form (B. 2 S. 543) ſich auch hier wieder ein Mal bethätigt. Ohne das Formelnweſen wäre unſere heutige Klagencumulation ſtatt bei uns, wahrſcheinlich ſchon in Rom zur Welt gekommen! Wir wenden uns jetzt der ebenſo ſchwierigen, wie wichtigen Wir brauchen vor dieſer Verpflichtung nicht zurück zu ſchrecken; Nicht ein vages Gefühl von dem Werth der analytiſchen Me- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0052" n="36"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> haben, während in allen andern Fällen die formelle Schwierig-<lb/> keit ein unüberſteigliches Hinderniß entgegen ſetzte. So hat die<lb/> bereits vielfach von uns erprobte conſervirende Macht der Form<lb/> (B. 2 S. 543) ſich auch hier wieder ein Mal bethätigt. Ohne<lb/> das Formelnweſen wäre unſere heutige Klagencumulation ſtatt<lb/> bei uns, wahrſcheinlich ſchon in Rom zur Welt gekommen!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Wir wenden uns jetzt der ebenſo ſchwierigen, wie wichtigen<lb/> Frage zu: durch welchen Geſichtspunkt hat das römiſche Recht<lb/> ſich bei der Scheidung und Abgränzung der Klagen leiten laſſen?<lb/> Ich meine nicht den <hi rendition="#g">Zweck</hi>, den es damit verfolgte, der iſt uns<lb/> bereits bekannt (S. 21), ſondern die Rückſicht, durch die es<lb/> beſtimmt wurde, das Gebiet der einzelnen Klage gerade ſo weit<lb/> und nicht weiter abzugränzen. — Aber hat es überhaupt eine<lb/> beſtimmte Rückſicht, ein Geſetz dabei verfolgt? Wäre es nicht<lb/> der Fall, ſo würden wir bloß von einer analytiſchen <hi rendition="#g">Tendenz</hi><lb/> des ältern Rechts ſprechen dürfen, bei der wir über das Einzelne<lb/> keine Rechenſchaft zu geben brauchten, daſſelbe vielmehr als<lb/> Werk individueller Beliebung dahin geſtellt ſein laſſen dürften,<lb/> während wir im umgekehrten Fall die Verpflichtung überneh-<lb/> men, über das Einzelne Rede und Antwort zu ſtehen.</p><lb/> <p>Wir brauchen vor dieſer Verpflichtung nicht zurück zu ſchrecken;<lb/> ein ſolches Geſetz exiſtirt und läßt ſich bis in das Einzelnſte hin-<lb/> ein verfolgen. Wir ſind in der Lage, die Erwägungen, die vor<lb/> Jahrtauſenden die erſten und älteſten Bildner des römiſchen<lb/> Rechts bei Abgränzung der Klagen geleitet haben, den Einſchnitt<lb/> im einzelnen Fall gerade da zu machen, wo ſie es gethan, noch<lb/> heute nachzuweiſen, den Bildungsproceß des römiſchen Klagen-<lb/> ſyſtems vor unſerm Auge zu reproduciren.</p><lb/> <p>Nicht ein vages Gefühl von dem Werth der analytiſchen Me-<lb/> thode war es, das ſie dabei trieb; ſie wußten genau das <hi rendition="#g">Warum</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Bis-wie-weit</hi>, und den praktiſchen Zweck des Scheidens<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0052]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
haben, während in allen andern Fällen die formelle Schwierig-
keit ein unüberſteigliches Hinderniß entgegen ſetzte. So hat die
bereits vielfach von uns erprobte conſervirende Macht der Form
(B. 2 S. 543) ſich auch hier wieder ein Mal bethätigt. Ohne
das Formelnweſen wäre unſere heutige Klagencumulation ſtatt
bei uns, wahrſcheinlich ſchon in Rom zur Welt gekommen!
Wir wenden uns jetzt der ebenſo ſchwierigen, wie wichtigen
Frage zu: durch welchen Geſichtspunkt hat das römiſche Recht
ſich bei der Scheidung und Abgränzung der Klagen leiten laſſen?
Ich meine nicht den Zweck, den es damit verfolgte, der iſt uns
bereits bekannt (S. 21), ſondern die Rückſicht, durch die es
beſtimmt wurde, das Gebiet der einzelnen Klage gerade ſo weit
und nicht weiter abzugränzen. — Aber hat es überhaupt eine
beſtimmte Rückſicht, ein Geſetz dabei verfolgt? Wäre es nicht
der Fall, ſo würden wir bloß von einer analytiſchen Tendenz
des ältern Rechts ſprechen dürfen, bei der wir über das Einzelne
keine Rechenſchaft zu geben brauchten, daſſelbe vielmehr als
Werk individueller Beliebung dahin geſtellt ſein laſſen dürften,
während wir im umgekehrten Fall die Verpflichtung überneh-
men, über das Einzelne Rede und Antwort zu ſtehen.
Wir brauchen vor dieſer Verpflichtung nicht zurück zu ſchrecken;
ein ſolches Geſetz exiſtirt und läßt ſich bis in das Einzelnſte hin-
ein verfolgen. Wir ſind in der Lage, die Erwägungen, die vor
Jahrtauſenden die erſten und älteſten Bildner des römiſchen
Rechts bei Abgränzung der Klagen geleitet haben, den Einſchnitt
im einzelnen Fall gerade da zu machen, wo ſie es gethan, noch
heute nachzuweiſen, den Bildungsproceß des römiſchen Klagen-
ſyſtems vor unſerm Auge zu reproduciren.
Nicht ein vages Gefühl von dem Werth der analytiſchen Me-
thode war es, das ſie dabei trieb; ſie wußten genau das Warum
und Bis-wie-weit, und den praktiſchen Zweck des Scheidens
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