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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
blieb für sich, hatte ihre besondere formula 16) und war mit-
hin durch einen besondern 17) Urtheilsspruch zu erledigen.
Gegen eine derartige gleichzeitige Verhandlung mehrer Klagen
vor demselben Richter hatte das römische Recht so wenig etwas
zu erinnern, daß es dieselbe in späterer Zeit sogar auf indirectem
Wege zu erzwingen suchte. 18) Um eine wirkliche Klagencumu-
lation zuzulassen, d. h. die mehren Klagen in eine Formel zu
bringen, hätten die Römer ihr ganzes Klagensystem und die
Theorie der Formeln aufgeben müssen. In dem Legisactionen-
proceß, wenigstens für die ursprünglich alleinige Form des pro-
cessualischen Verfahrens, die durch sacramentum, stellten sich der
Klagencumulation noch ganz specielle Gründe entgegen. Zu-
nächst nämlich das fiskalische Interesse. Jede Streitsache brachte
dem betreffenden Fond (B. 1 S. 265) ein sacramentum ein,
Klagencumulation hätte hier also so viel geheißen, als denselben
in seiner Einnahme verkürzen, mehre Processe um den Preis
eines sacramentum führen. Sodann die Proceßform. Der
Streit wurde formell um das sacramentum geführt, und der Rich-
terspruch lautete auf sacramentum justum und injustum esse
(B. 1 S. 158). Wie hätte nun wohl das Urtheil lauten sollen,
wenn bei der Verbindung mehrer Proceßsachen zu einem Pro-
ceß der Richter in der einen dem Kläger, in der andern dem Be-

16) Quintilian. Inst. orat. III, 10. privata quoque judicia saepe
unum judicem habere multis et diversis formulis solent
. Wie hätte
auch wohl die gemeinsame Formel für den Fall der L. 1 §. 4 quod leg. (43. 3),
auf die man sich u. a. beruft, die Verbindung der hered. pet. und des interd.
quod legatorum,
lauten sollen!
17) Wenn Plank a. a. O. S. 90 den Richter in "einem Urtheile
über sämmtliche Ansprüche entscheiden" läßt, so ist dies für den Formular-
proceß nicht richtig, denn so viele formulae so viele Urtheile; durch die bloße
zeitliche Aneinanderreihung der mehren Urtheile schmolzen sie nicht zu einem
zusammen.
18) Das "später" folgt aus der Form, in der es geschah: der exceptio
litis dividuae. Gaj. IV,
122. -- Beispiele einer solchen Vereinigung mehrer
Streitigkeiten unter einem Richter aus den Quellen bei Plank S. 67 Note 3.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
blieb für ſich, hatte ihre beſondere formula 16) und war mit-
hin durch einen beſondern 17) Urtheilsſpruch zu erledigen.
Gegen eine derartige gleichzeitige Verhandlung mehrer Klagen
vor demſelben Richter hatte das römiſche Recht ſo wenig etwas
zu erinnern, daß es dieſelbe in ſpäterer Zeit ſogar auf indirectem
Wege zu erzwingen ſuchte. 18) Um eine wirkliche Klagencumu-
lation zuzulaſſen, d. h. die mehren Klagen in eine Formel zu
bringen, hätten die Römer ihr ganzes Klagenſyſtem und die
Theorie der Formeln aufgeben müſſen. In dem Legisactionen-
proceß, wenigſtens für die urſprünglich alleinige Form des pro-
ceſſualiſchen Verfahrens, die durch sacramentum, ſtellten ſich der
Klagencumulation noch ganz ſpecielle Gründe entgegen. Zu-
nächſt nämlich das fiskaliſche Intereſſe. Jede Streitſache brachte
dem betreffenden Fond (B. 1 S. 265) ein sacramentum ein,
Klagencumulation hätte hier alſo ſo viel geheißen, als denſelben
in ſeiner Einnahme verkürzen, mehre Proceſſe um den Preis
eines sacramentum führen. Sodann die Proceßform. Der
Streit wurde formell um das sacramentum geführt, und der Rich-
terſpruch lautete auf sacramentum justum und injustum esse
(B. 1 S. 158). Wie hätte nun wohl das Urtheil lauten ſollen,
wenn bei der Verbindung mehrer Proceßſachen zu einem Pro-
ceß der Richter in der einen dem Kläger, in der andern dem Be-

16) Quintilian. Inst. orat. III, 10. privata quoque judicia saepe
unum judicem habere multis et diversis formulis solent
. Wie hätte
auch wohl die gemeinſame Formel für den Fall der L. 1 §. 4 quod leg. (43. 3),
auf die man ſich u. a. beruft, die Verbindung der hered. pet. und des interd.
quod legatorum,
lauten ſollen!
17) Wenn Plank a. a. O. S. 90 den Richter in „einem Urtheile
über ſämmtliche Anſprüche entſcheiden“ läßt, ſo iſt dies für den Formular-
proceß nicht richtig, denn ſo viele formulae ſo viele Urtheile; durch die bloße
zeitliche Aneinanderreihung der mehren Urtheile ſchmolzen ſie nicht zu einem
zuſammen.
18) Das „ſpäter“ folgt aus der Form, in der es geſchah: der exceptio
litis dividuae. Gaj. IV,
122. — Beiſpiele einer ſolchen Vereinigung mehrer
Streitigkeiten unter einem Richter aus den Quellen bei Plank S. 67 Note 3.
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[34/0050] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. blieb für ſich, hatte ihre beſondere formula 16) und war mit- hin durch einen beſondern 17) Urtheilsſpruch zu erledigen. Gegen eine derartige gleichzeitige Verhandlung mehrer Klagen vor demſelben Richter hatte das römiſche Recht ſo wenig etwas zu erinnern, daß es dieſelbe in ſpäterer Zeit ſogar auf indirectem Wege zu erzwingen ſuchte. 18) Um eine wirkliche Klagencumu- lation zuzulaſſen, d. h. die mehren Klagen in eine Formel zu bringen, hätten die Römer ihr ganzes Klagenſyſtem und die Theorie der Formeln aufgeben müſſen. In dem Legisactionen- proceß, wenigſtens für die urſprünglich alleinige Form des pro- ceſſualiſchen Verfahrens, die durch sacramentum, ſtellten ſich der Klagencumulation noch ganz ſpecielle Gründe entgegen. Zu- nächſt nämlich das fiskaliſche Intereſſe. Jede Streitſache brachte dem betreffenden Fond (B. 1 S. 265) ein sacramentum ein, Klagencumulation hätte hier alſo ſo viel geheißen, als denſelben in ſeiner Einnahme verkürzen, mehre Proceſſe um den Preis eines sacramentum führen. Sodann die Proceßform. Der Streit wurde formell um das sacramentum geführt, und der Rich- terſpruch lautete auf sacramentum justum und injustum esse (B. 1 S. 158). Wie hätte nun wohl das Urtheil lauten ſollen, wenn bei der Verbindung mehrer Proceßſachen zu einem Pro- ceß der Richter in der einen dem Kläger, in der andern dem Be- 16) Quintilian. Inst. orat. III, 10. privata quoque judicia saepe unum judicem habere multis et diversis formulis solent. Wie hätte auch wohl die gemeinſame Formel für den Fall der L. 1 §. 4 quod leg. (43. 3), auf die man ſich u. a. beruft, die Verbindung der hered. pet. und des interd. quod legatorum, lauten ſollen! 17) Wenn Plank a. a. O. S. 90 den Richter in „einem Urtheile über ſämmtliche Anſprüche entſcheiden“ läßt, ſo iſt dies für den Formular- proceß nicht richtig, denn ſo viele formulae ſo viele Urtheile; durch die bloße zeitliche Aneinanderreihung der mehren Urtheile ſchmolzen ſie nicht zu einem zuſammen. 18) Das „ſpäter“ folgt aus der Form, in der es geſchah: der exceptio litis dividuae. Gaj. IV, 122. — Beiſpiele einer ſolchen Vereinigung mehrer Streitigkeiten unter einem Richter aus den Quellen bei Plank S. 67 Note 3.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/50>, abgerufen am 21.11.2024.