Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

A. Der Proceß. Die Actionen. Beispiele. §. 51.
sondern lediglich auf Anerkennung, welche aber die thatsächliche
Restitution der Sache zu ihrer nothwendigen Folge hat, sowie
vom Moment der Litiscontestation an auf die Früchte, unter
welchem Ausdruck die spiritualisirende Auffassung einer spätern
Zeit auch das Interesse verstand (B. 2 S. 459). Daß die rei-
vindicatio
auch auf die in der Vergangenheit gezogenen Früchte
gerichtet werden kann, halte ich für einen Satz des neuern
Rechts. Einem bösgläubigen Besitzer gegenüber, in dessen Per-
son die Aneignung der Früchte ein furtum nec manifestum in
sich schloß, 11) wäre der Vindikant ein Thor gewesen, wenn er
dieselben zum einfachen Betrage mit der Hauptklage, anstatt zum
doppelten Betrage mit einer besondern Diebstahlsklage, beige-
trieben hätte; daß er aber, auch wenn er es gewollt hätte, weder
ihm, noch dem gutgläubigen Besitzer gegenüber dazu berechtigt
war, soll an anderer Stelle nachgewiesen werden. 12) Der Rei-
vindicatio
haben wir schon oben (S. 28) die beiden Beispiele

können. Daß der Beklagte die Sache verletzt hatte, war für die reivind.
völlig gleichgültig und Gegenstand einer persönlichen Klage (act. leg. Aqui-
liae
); nur seine Handlungen während des Processes fielen vermöge der
Proceßobligation unter den Bereich der reivindic. und zwar mit genauer Fest-
haltung des zutreffenden Gesichtspunktes (s. L. 27 §. 2 de R. V. 6. 1). Für
die act. conf. und negat. gilt ganz dasselbe; keine einzige der Stellen,
welche man für das Gegentheil anführt, entscheidet den allein relevanten
Punkt, mit welcher Klage der unzweifelhafte Anspruch auf Schadensersatz
geltend gemacht werden kann, die Ausdrücke fructus und quod interest
(z. B. servitute non prohiberi, nicht prohibitum esse) beziehen sich aber
auf die Zeit des Processes. Für jenen Zweck waren das interd. quod vi aut
clam
und die act. leg. Aquiliae (L. 27 §. 7--11, §. 25, 26, 31, 33 ad leg.
Aq. 9. 2)
beziehungsweise die cautio damni infecti und operis novi nun-
ciatio
bestimmt.
11) Aus dem Gesichtspunkte des furtum erklärt sich die bekannte Be-
stimmung der XII Tafeln, daß der Beklagte im Fall seines Unterliegens
(ohne Rücksicht auf bona oder mala fides) die doppelten Früchte zurückgeben
muß. Festus: vindiciae. Anerkennung des obigen Gesichtspunktes im neuern
Recht: L. 15 de usur. (22. 1).
12) Bei Gelegenheit der Untersuchung über das Eigenthum an res nec
mancipi
.

A. Der Proceß. Die Actionen. Beiſpiele. §. 51.
ſondern lediglich auf Anerkennung, welche aber die thatſächliche
Reſtitution der Sache zu ihrer nothwendigen Folge hat, ſowie
vom Moment der Litisconteſtation an auf die Früchte, unter
welchem Ausdruck die ſpiritualiſirende Auffaſſung einer ſpätern
Zeit auch das Intereſſe verſtand (B. 2 S. 459). Daß die rei-
vindicatio
auch auf die in der Vergangenheit gezogenen Früchte
gerichtet werden kann, halte ich für einen Satz des neuern
Rechts. Einem bösgläubigen Beſitzer gegenüber, in deſſen Per-
ſon die Aneignung der Früchte ein furtum nec manifestum in
ſich ſchloß, 11) wäre der Vindikant ein Thor geweſen, wenn er
dieſelben zum einfachen Betrage mit der Hauptklage, anſtatt zum
doppelten Betrage mit einer beſondern Diebſtahlsklage, beige-
trieben hätte; daß er aber, auch wenn er es gewollt hätte, weder
ihm, noch dem gutgläubigen Beſitzer gegenüber dazu berechtigt
war, ſoll an anderer Stelle nachgewieſen werden. 12) Der Rei-
vindicatio
haben wir ſchon oben (S. 28) die beiden Beiſpiele

können. Daß der Beklagte die Sache verletzt hatte, war für die reivind.
völlig gleichgültig und Gegenſtand einer perſönlichen Klage (act. leg. Aqui-
liae
); nur ſeine Handlungen während des Proceſſes fielen vermöge der
Proceßobligation unter den Bereich der reivindic. und zwar mit genauer Feſt-
haltung des zutreffenden Geſichtspunktes (ſ. L. 27 §. 2 de R. V. 6. 1). Für
die act. conf. und negat. gilt ganz daſſelbe; keine einzige der Stellen,
welche man für das Gegentheil anführt, entſcheidet den allein relevanten
Punkt, mit welcher Klage der unzweifelhafte Anſpruch auf Schadenserſatz
geltend gemacht werden kann, die Ausdrücke fructus und quod interest
(z. B. servitute non prohiberi, nicht prohibitum esse) beziehen ſich aber
auf die Zeit des Proceſſes. Für jenen Zweck waren das interd. quod vi aut
clam
und die act. leg. Aquiliae (L. 27 §. 7—11, §. 25, 26, 31, 33 ad leg.
Aq. 9. 2)
beziehungsweiſe die cautio damni infecti und operis novi nun-
ciatio
beſtimmt.
11) Aus dem Geſichtspunkte des furtum erklärt ſich die bekannte Be-
ſtimmung der XII Tafeln, daß der Beklagte im Fall ſeines Unterliegens
(ohne Rückſicht auf bona oder mala fides) die doppelten Früchte zurückgeben
muß. Festus: vindiciae. Anerkennung des obigen Geſichtspunktes im neuern
Recht: L. 15 de usur. (22. 1).
12) Bei Gelegenheit der Unterſuchung über das Eigenthum an res nec
mancipi
.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0047" n="31"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Proceß. Die Actionen. Bei&#x017F;piele. §. 51.</fw><lb/>
&#x017F;ondern lediglich auf Anerkennung, welche aber die that&#x017F;ächliche<lb/>
Re&#x017F;titution der Sache zu ihrer nothwendigen Folge hat, &#x017F;owie<lb/>
vom Moment der Litisconte&#x017F;tation an auf die Früchte, unter<lb/>
welchem Ausdruck die &#x017F;pirituali&#x017F;irende Auffa&#x017F;&#x017F;ung einer &#x017F;pätern<lb/>
Zeit auch das Intere&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;tand (B. 2 S. 459). Daß die <hi rendition="#aq">rei-<lb/>
vindicatio</hi> auch auf die in der Vergangenheit gezogenen Früchte<lb/>
gerichtet werden kann, halte ich für einen Satz des neuern<lb/>
Rechts. Einem bösgläubigen Be&#x017F;itzer gegenüber, in de&#x017F;&#x017F;en Per-<lb/>
&#x017F;on die Aneignung der Früchte ein <hi rendition="#aq">furtum nec manifestum</hi> in<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chloß, <note place="foot" n="11)">Aus dem Ge&#x017F;ichtspunkte des <hi rendition="#aq">furtum</hi> erklärt &#x017F;ich die bekannte Be-<lb/>
&#x017F;timmung der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln, daß der Beklagte im Fall &#x017F;eines Unterliegens<lb/>
(ohne Rück&#x017F;icht auf <hi rendition="#aq">bona</hi> oder <hi rendition="#aq">mala fides</hi>) die doppelten Früchte zurückgeben<lb/>
muß. <hi rendition="#aq">Festus: vindiciae</hi>. Anerkennung des obigen Ge&#x017F;ichtspunktes im neuern<lb/>
Recht: <hi rendition="#aq">L. 15 de usur.</hi> (22. 1).</note> wäre der Vindikant ein Thor gewe&#x017F;en, wenn er<lb/>
die&#x017F;elben zum einfachen Betrage mit der Hauptklage, an&#x017F;tatt zum<lb/>
doppelten Betrage mit einer be&#x017F;ondern Dieb&#x017F;tahlsklage, beige-<lb/>
trieben hätte; daß er aber, auch wenn er es gewollt hätte, weder<lb/>
ihm, noch dem gutgläubigen Be&#x017F;itzer gegenüber dazu berechtigt<lb/>
war, &#x017F;oll an anderer Stelle nachgewie&#x017F;en werden. <note place="foot" n="12)">Bei Gelegenheit der Unter&#x017F;uchung über das Eigenthum an <hi rendition="#aq">res nec<lb/>
mancipi</hi>.</note> Der <hi rendition="#aq">Rei-<lb/>
vindicatio</hi> haben wir &#x017F;chon oben (S. 28) die beiden Bei&#x017F;piele<lb/><note xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="10)">können. Daß der Beklagte die Sache <hi rendition="#g">verletzt</hi> hatte, war für die <hi rendition="#aq">reivind.</hi><lb/>
völlig gleichgültig und Gegen&#x017F;tand einer per&#x017F;önlichen Klage (<hi rendition="#aq">act. leg. Aqui-<lb/>
liae</hi>); nur &#x017F;eine Handlungen <hi rendition="#g">während</hi> des Proce&#x017F;&#x017F;es fielen vermöge der<lb/>
Proceßobligation unter den Bereich der <hi rendition="#aq">reivindic.</hi> und zwar mit genauer Fe&#x017F;t-<lb/>
haltung des zutreffenden Ge&#x017F;ichtspunktes (&#x017F;. <hi rendition="#aq">L. 27 §. 2 de R. V.</hi> 6. 1). Für<lb/>
die <hi rendition="#aq">act. conf.</hi> und <hi rendition="#aq">negat.</hi> gilt ganz da&#x017F;&#x017F;elbe; keine einzige der Stellen,<lb/>
welche man für das Gegentheil anführt, ent&#x017F;cheidet den allein relevanten<lb/>
Punkt, mit <hi rendition="#g">welcher Klage</hi> der unzweifelhafte An&#x017F;pruch auf Schadenser&#x017F;atz<lb/>
geltend gemacht werden kann, die Ausdrücke <hi rendition="#aq">fructus</hi> und <hi rendition="#aq">quod interest</hi><lb/>
(z. B. <hi rendition="#aq">servitute non <hi rendition="#g">prohiberi,</hi></hi> nicht <hi rendition="#aq">prohibitum esse</hi>) beziehen &#x017F;ich aber<lb/>
auf die Zeit des Proce&#x017F;&#x017F;es. Für jenen Zweck waren das <hi rendition="#aq">interd. quod vi aut<lb/>
clam</hi> und die <hi rendition="#aq">act. leg. Aquiliae (L. 27 §. 7&#x2014;11, §. 25, 26, 31, 33 ad leg.<lb/>
Aq. 9. 2)</hi> beziehungswei&#x017F;e die <hi rendition="#aq">cautio damni infecti</hi> und <hi rendition="#aq">operis novi nun-<lb/>
ciatio</hi> be&#x017F;timmt.</note><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0047] A. Der Proceß. Die Actionen. Beiſpiele. §. 51. ſondern lediglich auf Anerkennung, welche aber die thatſächliche Reſtitution der Sache zu ihrer nothwendigen Folge hat, ſowie vom Moment der Litisconteſtation an auf die Früchte, unter welchem Ausdruck die ſpiritualiſirende Auffaſſung einer ſpätern Zeit auch das Intereſſe verſtand (B. 2 S. 459). Daß die rei- vindicatio auch auf die in der Vergangenheit gezogenen Früchte gerichtet werden kann, halte ich für einen Satz des neuern Rechts. Einem bösgläubigen Beſitzer gegenüber, in deſſen Per- ſon die Aneignung der Früchte ein furtum nec manifestum in ſich ſchloß, 11) wäre der Vindikant ein Thor geweſen, wenn er dieſelben zum einfachen Betrage mit der Hauptklage, anſtatt zum doppelten Betrage mit einer beſondern Diebſtahlsklage, beige- trieben hätte; daß er aber, auch wenn er es gewollt hätte, weder ihm, noch dem gutgläubigen Beſitzer gegenüber dazu berechtigt war, ſoll an anderer Stelle nachgewieſen werden. 12) Der Rei- vindicatio haben wir ſchon oben (S. 28) die beiden Beiſpiele 10) 11) Aus dem Geſichtspunkte des furtum erklärt ſich die bekannte Be- ſtimmung der XII Tafeln, daß der Beklagte im Fall ſeines Unterliegens (ohne Rückſicht auf bona oder mala fides) die doppelten Früchte zurückgeben muß. Festus: vindiciae. Anerkennung des obigen Geſichtspunktes im neuern Recht: L. 15 de usur. (22. 1). 12) Bei Gelegenheit der Unterſuchung über das Eigenthum an res nec mancipi. 10) können. Daß der Beklagte die Sache verletzt hatte, war für die reivind. völlig gleichgültig und Gegenſtand einer perſönlichen Klage (act. leg. Aqui- liae); nur ſeine Handlungen während des Proceſſes fielen vermöge der Proceßobligation unter den Bereich der reivindic. und zwar mit genauer Feſt- haltung des zutreffenden Geſichtspunktes (ſ. L. 27 §. 2 de R. V. 6. 1). Für die act. conf. und negat. gilt ganz daſſelbe; keine einzige der Stellen, welche man für das Gegentheil anführt, entſcheidet den allein relevanten Punkt, mit welcher Klage der unzweifelhafte Anſpruch auf Schadenserſatz geltend gemacht werden kann, die Ausdrücke fructus und quod interest (z. B. servitute non prohiberi, nicht prohibitum esse) beziehen ſich aber auf die Zeit des Proceſſes. Für jenen Zweck waren das interd. quod vi aut clam und die act. leg. Aquiliae (L. 27 §. 7—11, §. 25, 26, 31, 33 ad leg. Aq. 9. 2) beziehungsweiſe die cautio damni infecti und operis novi nun- ciatio beſtimmt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/47
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/47>, abgerufen am 24.11.2024.