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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie.
letzterer sorgte dafür, daß er ihn zeitig in die Hände eines Fähi-
gen brachte.

Wir haben alle Ursache anzunehmen, daß die Art, wie
man den Zinsbeschränkungen zu entgehen suchte, ein würdiges
Seitenstück zu den obigen Verhältnissen darbot. 369) Ich habe
mir die Frage aufgeworfen, ob die Art, wie man hier und in
den übrigen Fällen verfuhr, sich nicht auf eine gewisse Methode
zurückführen lasse, ob nicht gewisse Kunstgriffe und Manipula-
tionen sich überall wiederholen, und in der That gibt es deren
wenigstens zwei. Der eine besteht darin, daß man bei eigner
Unfähigkeit die Handlung durch eine fähige Person vornehmen
ließ. 370) Die alten Wuchergesetze galten nur für römische
Bürger, nicht für die Bundesgenossen: um ihnen zu ent-
gehen, schob der Gläubiger zwischen sich und den Schuldner
einen Bundesgenossen als Scheinanleiher und Scheindarleiher
ein. (Note 369.) Einem jungen Manne unter 20 Jahren war
durch die lex Aelia Sentia die Freilassung seiner Sklaven nur
aus besondern Gründen verstattet; wo sie fehlten, mancipirte er
den Sklaven einem Andern, der das nöthige Alter hatte und den
Akt vornahm. 371) Wer wegen der lex Voconia seine Tochter
nicht zu Erben einsetzen konnte, setzte einen zuverlässigen Freund
ein und trug ihm die Herausgabe der Erbschaft in Form des Uni-
versalfideicommisses auf. Freilassung einer unfreien Person durch
einen römischen Bürger verschaffte ihr das Bürgerrecht; um letz-

369) S. die Aeußerung von Tacitus in Note 339 und die von Livius
35,
7 berichtete sofort im Text mitzutheilende Probe.
370) "Persona subjecta", L. 2 §. 1 de adm. rer. (50. 8) Quod
quis suo nomine exercere prohibetur, id nec per subjectam personam
agere debet;
auch "interposita", L. 10 Cod. de distr. pign. (8. 28): per
suppositam imaginarii emptoris personam.
Jahrbücher für Dogmatik II.
S. 72, 73. Ein bekanntes Beispiel einer solchen persona subjecta, nur in
Anwendung auf einen andern Zweck, liefert die fiduciarische Eigenthumsüber-
tragung "cum amico, quod tutius nostrae res apud eum essent" Gaj.
II.
60 beispielsweise, um eine in Aussicht stehende Confiscation zu vereiteln.
371) L. 7 §. 1 Qui et a quibus (40. 9) L. 4 de serv. exp. (18. 7).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
letzterer ſorgte dafür, daß er ihn zeitig in die Hände eines Fähi-
gen brachte.

Wir haben alle Urſache anzunehmen, daß die Art, wie
man den Zinsbeſchränkungen zu entgehen ſuchte, ein würdiges
Seitenſtück zu den obigen Verhältniſſen darbot. 369) Ich habe
mir die Frage aufgeworfen, ob die Art, wie man hier und in
den übrigen Fällen verfuhr, ſich nicht auf eine gewiſſe Methode
zurückführen laſſe, ob nicht gewiſſe Kunſtgriffe und Manipula-
tionen ſich überall wiederholen, und in der That gibt es deren
wenigſtens zwei. Der eine beſteht darin, daß man bei eigner
Unfähigkeit die Handlung durch eine fähige Perſon vornehmen
ließ. 370) Die alten Wuchergeſetze galten nur für römiſche
Bürger, nicht für die Bundesgenoſſen: um ihnen zu ent-
gehen, ſchob der Gläubiger zwiſchen ſich und den Schuldner
einen Bundesgenoſſen als Scheinanleiher und Scheindarleiher
ein. (Note 369.) Einem jungen Manne unter 20 Jahren war
durch die lex Aelia Sentia die Freilaſſung ſeiner Sklaven nur
aus beſondern Gründen verſtattet; wo ſie fehlten, mancipirte er
den Sklaven einem Andern, der das nöthige Alter hatte und den
Akt vornahm. 371) Wer wegen der lex Voconia ſeine Tochter
nicht zu Erben einſetzen konnte, ſetzte einen zuverläſſigen Freund
ein und trug ihm die Herausgabe der Erbſchaft in Form des Uni-
verſalfideicommiſſes auf. Freilaſſung einer unfreien Perſon durch
einen römiſchen Bürger verſchaffte ihr das Bürgerrecht; um letz-

369) S. die Aeußerung von Tacitus in Note 339 und die von Livius
35,
7 berichtete ſofort im Text mitzutheilende Probe.
370) „Persona subjecta“, L. 2 §. 1 de adm. rer. (50. 8) Quod
quis suo nomine exercere prohibetur, id nec per subjectam personam
agere debet;
auch „interposita“, L. 10 Cod. de distr. pign. (8. 28): per
suppositam imaginarii emptoris personam.
Jahrbücher für Dogmatik II.
S. 72, 73. Ein bekanntes Beiſpiel einer ſolchen persona subjecta, nur in
Anwendung auf einen andern Zweck, liefert die fiduciariſche Eigenthumsüber-
tragung „cum amico, quod tutius nostrae res apud eum essent“ Gaj.
II.
60 beiſpielsweiſe, um eine in Ausſicht ſtehende Confiscation zu vereiteln.
371) L. 7 §. 1 Qui et a quibus (40. 9) L. 4 de serv. exp. (18. 7).
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[258/0274] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. letzterer ſorgte dafür, daß er ihn zeitig in die Hände eines Fähi- gen brachte. Wir haben alle Urſache anzunehmen, daß die Art, wie man den Zinsbeſchränkungen zu entgehen ſuchte, ein würdiges Seitenſtück zu den obigen Verhältniſſen darbot. 369) Ich habe mir die Frage aufgeworfen, ob die Art, wie man hier und in den übrigen Fällen verfuhr, ſich nicht auf eine gewiſſe Methode zurückführen laſſe, ob nicht gewiſſe Kunſtgriffe und Manipula- tionen ſich überall wiederholen, und in der That gibt es deren wenigſtens zwei. Der eine beſteht darin, daß man bei eigner Unfähigkeit die Handlung durch eine fähige Perſon vornehmen ließ. 370) Die alten Wuchergeſetze galten nur für römiſche Bürger, nicht für die Bundesgenoſſen: um ihnen zu ent- gehen, ſchob der Gläubiger zwiſchen ſich und den Schuldner einen Bundesgenoſſen als Scheinanleiher und Scheindarleiher ein. (Note 369.) Einem jungen Manne unter 20 Jahren war durch die lex Aelia Sentia die Freilaſſung ſeiner Sklaven nur aus beſondern Gründen verſtattet; wo ſie fehlten, mancipirte er den Sklaven einem Andern, der das nöthige Alter hatte und den Akt vornahm. 371) Wer wegen der lex Voconia ſeine Tochter nicht zu Erben einſetzen konnte, ſetzte einen zuverläſſigen Freund ein und trug ihm die Herausgabe der Erbſchaft in Form des Uni- verſalfideicommiſſes auf. Freilaſſung einer unfreien Perſon durch einen römiſchen Bürger verſchaffte ihr das Bürgerrecht; um letz- 369) S. die Aeußerung von Tacitus in Note 339 und die von Livius 35, 7 berichtete ſofort im Text mitzutheilende Probe. 370) „Persona subjecta“, L. 2 §. 1 de adm. rer. (50. 8) Quod quis suo nomine exercere prohibetur, id nec per subjectam personam agere debet; auch „interposita“, L. 10 Cod. de distr. pign. (8. 28): per suppositam imaginarii emptoris personam. Jahrbücher für Dogmatik II. S. 72, 73. Ein bekanntes Beiſpiel einer ſolchen persona subjecta, nur in Anwendung auf einen andern Zweck, liefert die fiduciariſche Eigenthumsüber- tragung „cum amico, quod tutius nostrae res apud eum essent“ Gaj. II. 60 beiſpielsweiſe, um eine in Ausſicht ſtehende Confiscation zu vereiteln. 371) L. 7 §. 1 Qui et a quibus (40. 9) L. 4 de serv. exp. (18. 7).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/274>, abgerufen am 25.11.2024.