1. Bestreitung der Bedürfnisse auf einfachem Wege.
Das Gesetz der Sparsamkeit -- Die Kunst sich zu behelfen -- Der einfache und künstliche Weg -- Exemplification des erstern an einer Reihe von Beispielen.
LVI. Das Gesetz der logischen Sparsamkeit ist eins der Fundamentalgesetze der juristischen Technik (B. 2 S. 344), gleichmäßig geltend für alle Epochen der Jurisprudenz; die Ver- schiedenheit der Entwicklungsstufe, die sie einnimmt, bestimmt nur die Art und die Formen, in denen sie es zur Anwendung bringt. In anderer Weise handhabt der Meister, in anderer der Anfänger die Regeln der Kunst, jener mit der Freiheit, welche die Frucht der Sicherheit, dieser mit der Unfreiheit, welche die Be- gleiterin der Unsicherheit ist; der Weg zur Freiheit in der Kunst geht durch die Schule d. h. durch eine Periode sklavischer Unter- ordnung unter die Regel (S. 8, 9) hindurch. Davon haben wir in dem vorhergehenden Abschnitt über die Analyse, insbesondere in ihrer Anwendung auf den Proceß und das Rechtsgeschäft reichliche Gelegenheit gehabt uns zu überzeugen, einen neuen Beitrag wird uns die folgende Ausführung geben.
Das Gesetz der Sparsamkeit, um das der Zweig der alt- juristischen Kunst, dem wir fortan uns zuwenden, sich dreht, lautet einfach: was die Jurisprudenz mit den gegebenen Mit- teln und Begriffen zu Wege bringen kann, dafür soll sie keine besondern benutzen. In unserer heutigen Wissenschaft vollzieht
II. Die juriſtiſche Oekonomie.
1. Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege.
Das Geſetz der Sparſamkeit — Die Kunſt ſich zu behelfen — Der einfache und künſtliche Weg — Exemplification des erſtern an einer Reihe von Beiſpielen.
LVI. Das Geſetz der logiſchen Sparſamkeit iſt eins der Fundamentalgeſetze der juriſtiſchen Technik (B. 2 S. 344), gleichmäßig geltend für alle Epochen der Jurisprudenz; die Ver- ſchiedenheit der Entwicklungsſtufe, die ſie einnimmt, beſtimmt nur die Art und die Formen, in denen ſie es zur Anwendung bringt. In anderer Weiſe handhabt der Meiſter, in anderer der Anfänger die Regeln der Kunſt, jener mit der Freiheit, welche die Frucht der Sicherheit, dieſer mit der Unfreiheit, welche die Be- gleiterin der Unſicherheit iſt; der Weg zur Freiheit in der Kunſt geht durch die Schule d. h. durch eine Periode ſklaviſcher Unter- ordnung unter die Regel (S. 8, 9) hindurch. Davon haben wir in dem vorhergehenden Abſchnitt über die Analyſe, insbeſondere in ihrer Anwendung auf den Proceß und das Rechtsgeſchäft reichliche Gelegenheit gehabt uns zu überzeugen, einen neuen Beitrag wird uns die folgende Ausführung geben.
Das Geſetz der Sparſamkeit, um das der Zweig der alt- juriſtiſchen Kunſt, dem wir fortan uns zuwenden, ſich dreht, lautet einfach: was die Jurisprudenz mit den gegebenen Mit- teln und Begriffen zu Wege bringen kann, dafür ſoll ſie keine beſondern benutzen. In unſerer heutigen Wiſſenſchaft vollzieht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbn="[229]"facs="#f0245"/><divn="6"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Die juriſtiſche Oekonomie.</hi></head><lb/><divn="7"><head><hirendition="#b">1. Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege.</hi></head><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#b">Das Geſetz der Sparſamkeit — Die Kunſt ſich zu behelfen — Der<lb/>
einfache und künſtliche Weg — Exemplification des erſtern an einer<lb/>
Reihe von Beiſpielen.</hi></hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">LVI.</hi> Das Geſetz der logiſchen Sparſamkeit iſt eins der<lb/>
Fundamentalgeſetze der juriſtiſchen Technik (B. 2 S. 344),<lb/>
gleichmäßig geltend für alle Epochen der Jurisprudenz; die Ver-<lb/>ſchiedenheit der Entwicklungsſtufe, die ſie einnimmt, beſtimmt<lb/>
nur die Art und die Formen, in denen ſie es zur Anwendung<lb/>
bringt. In anderer Weiſe handhabt der Meiſter, in anderer der<lb/>
Anfänger die Regeln der Kunſt, jener mit der Freiheit, welche die<lb/>
Frucht der Sicherheit, dieſer mit der Unfreiheit, welche die Be-<lb/>
gleiterin der Unſicherheit iſt; der Weg zur Freiheit in der Kunſt<lb/>
geht durch die Schule d. h. durch eine Periode ſklaviſcher Unter-<lb/>
ordnung unter die Regel (S. 8, 9) hindurch. Davon haben wir<lb/>
in dem vorhergehenden Abſchnitt über die Analyſe, insbeſondere<lb/>
in ihrer Anwendung auf den Proceß und das Rechtsgeſchäft<lb/>
reichliche Gelegenheit gehabt uns zu überzeugen, einen neuen<lb/>
Beitrag wird uns die folgende Ausführung geben.</p><lb/><p>Das Geſetz der Sparſamkeit, um das der Zweig der alt-<lb/>
juriſtiſchen Kunſt, dem wir fortan uns zuwenden, ſich dreht,<lb/>
lautet einfach: was die Jurisprudenz mit den gegebenen Mit-<lb/>
teln und Begriffen zu Wege bringen kann, dafür ſoll ſie keine<lb/>
beſondern benutzen. In unſerer heutigen Wiſſenſchaft vollzieht<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[[229]/0245]
II. Die juriſtiſche Oekonomie.
1. Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege.
Das Geſetz der Sparſamkeit — Die Kunſt ſich zu behelfen — Der
einfache und künſtliche Weg — Exemplification des erſtern an einer
Reihe von Beiſpielen.
LVI. Das Geſetz der logiſchen Sparſamkeit iſt eins der
Fundamentalgeſetze der juriſtiſchen Technik (B. 2 S. 344),
gleichmäßig geltend für alle Epochen der Jurisprudenz; die Ver-
ſchiedenheit der Entwicklungsſtufe, die ſie einnimmt, beſtimmt
nur die Art und die Formen, in denen ſie es zur Anwendung
bringt. In anderer Weiſe handhabt der Meiſter, in anderer der
Anfänger die Regeln der Kunſt, jener mit der Freiheit, welche die
Frucht der Sicherheit, dieſer mit der Unfreiheit, welche die Be-
gleiterin der Unſicherheit iſt; der Weg zur Freiheit in der Kunſt
geht durch die Schule d. h. durch eine Periode ſklaviſcher Unter-
ordnung unter die Regel (S. 8, 9) hindurch. Davon haben wir
in dem vorhergehenden Abſchnitt über die Analyſe, insbeſondere
in ihrer Anwendung auf den Proceß und das Rechtsgeſchäft
reichliche Gelegenheit gehabt uns zu überzeugen, einen neuen
Beitrag wird uns die folgende Ausführung geben.
Das Geſetz der Sparſamkeit, um das der Zweig der alt-
juriſtiſchen Kunſt, dem wir fortan uns zuwenden, ſich dreht,
lautet einfach: was die Jurisprudenz mit den gegebenen Mit-
teln und Begriffen zu Wege bringen kann, dafür ſoll ſie keine
beſondern benutzen. In unſerer heutigen Wiſſenſchaft vollzieht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. [229]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/245>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.