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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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C. Die abstracte Analyse. Vereinfachung des Thatbestandes. §. 55.
Nachweis seiner Vollmacht stets auf das innere Theilhaberver-
hältniß zurückgeworfen, ganz abgesehen von der prekären, durch
Tod und Widerruf jeder Zeit löslichen Natur dieser Form.
Wirklich abgeschnitten werden diese Schwierigkeiten nur dadurch,
daß man diese Mittelsperson nach außen hin zum Subject des
Rechts stempelt.

Diese Figur des Rechtsträgers wiederholt sich theils zu dem
angegebenen, theils zu andern Zwecken fast überall.274) Das
Interesse, das sie der juristischen Betrachtung darbietet, ist mit
dem Gesichtspunkt, unter dem wir sie hier zu betrachten haben,
keineswegs erschöpft;275) an dieser Stelle haben wir uns auf
letzteren zu beschränken.

Die Form, in der der Rechtsträger in Anwendung auf den
obigen Zweck im altrömischen Recht auftritt, ist eine doppelte.
Die eine besteht darin, daß jeder Theilhaber nach außen hin
die Rolle des Rechtsträgers auf sich nimmt, was nur bei obli-
gatorischen Verhältnissen möglich ist, indem nur die Obliga-
tion sich activ und passiv beliebig in solidum vervielfachen läßt.
Dies war, wie es scheint, die eigentliche Bestimmung der Cor-
realobligation
. Die mehreren Gemeinschaftsinteressenten
schlossen den Contract in solidum ab, im Fall einer Stipulation
promittirte und stipulirte Jeder (correi stipulandi, promittendi)
oder sie bedienten sich zu dem Zweck eines gemeinsamen Skla-
ven.276) So ward Jeder von ihnen Schuldner und Gläubiger,
und wie auch ihr Verhältniß im Innern beschaffen war oder sich
im Lauf der Zeit gestalten mochte, für das Verhältniß nach
außen hin verschlug dies Nichts. An diese im Verkehr vorge-
fundene Gewohnheit knüpfte der Prätor bei Aufstellung der

274) Man denke z. B. an den Lehnsträger bei der Gesammtbelehnung.
275) Das Weitere s. in der Theorie der Rechte bei Gelegenheit des Ver-
hältnisses des Rechts zum Interesse.
276) activ: L. 29 de stip. serv. (45. 3); passiv, indem sie ihm
einen Auftrag ertheilten (act. quod jussu) oder bei einem Handelsgeschäft ihn
als institor bestellten.
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C. Die abſtracte Analyſe. Vereinfachung des Thatbeſtandes. §. 55.
Nachweis ſeiner Vollmacht ſtets auf das innere Theilhaberver-
hältniß zurückgeworfen, ganz abgeſehen von der prekären, durch
Tod und Widerruf jeder Zeit löslichen Natur dieſer Form.
Wirklich abgeſchnitten werden dieſe Schwierigkeiten nur dadurch,
daß man dieſe Mittelsperſon nach außen hin zum Subject des
Rechts ſtempelt.

Dieſe Figur des Rechtsträgers wiederholt ſich theils zu dem
angegebenen, theils zu andern Zwecken faſt überall.274) Das
Intereſſe, das ſie der juriſtiſchen Betrachtung darbietet, iſt mit
dem Geſichtspunkt, unter dem wir ſie hier zu betrachten haben,
keineswegs erſchöpft;275) an dieſer Stelle haben wir uns auf
letzteren zu beſchränken.

Die Form, in der der Rechtsträger in Anwendung auf den
obigen Zweck im altrömiſchen Recht auftritt, iſt eine doppelte.
Die eine beſteht darin, daß jeder Theilhaber nach außen hin
die Rolle des Rechtsträgers auf ſich nimmt, was nur bei obli-
gatoriſchen Verhältniſſen möglich iſt, indem nur die Obliga-
tion ſich activ und paſſiv beliebig in solidum vervielfachen läßt.
Dies war, wie es ſcheint, die eigentliche Beſtimmung der Cor-
realobligation
. Die mehreren Gemeinſchaftsintereſſenten
ſchloſſen den Contract in solidum ab, im Fall einer Stipulation
promittirte und ſtipulirte Jeder (correi stipulandi, promittendi)
oder ſie bedienten ſich zu dem Zweck eines gemeinſamen Skla-
ven.276) So ward Jeder von ihnen Schuldner und Gläubiger,
und wie auch ihr Verhältniß im Innern beſchaffen war oder ſich
im Lauf der Zeit geſtalten mochte, für das Verhältniß nach
außen hin verſchlug dies Nichts. An dieſe im Verkehr vorge-
fundene Gewohnheit knüpfte der Prätor bei Aufſtellung der

274) Man denke z. B. an den Lehnsträger bei der Geſammtbelehnung.
275) Das Weitere ſ. in der Theorie der Rechte bei Gelegenheit des Ver-
hältniſſes des Rechts zum Intereſſe.
276) activ: L. 29 de stip. serv. (45. 3); paſſiv, indem ſie ihm
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als institor beſtellten.
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[211/0227] C. Die abſtracte Analyſe. Vereinfachung des Thatbeſtandes. §. 55. Nachweis ſeiner Vollmacht ſtets auf das innere Theilhaberver- hältniß zurückgeworfen, ganz abgeſehen von der prekären, durch Tod und Widerruf jeder Zeit löslichen Natur dieſer Form. Wirklich abgeſchnitten werden dieſe Schwierigkeiten nur dadurch, daß man dieſe Mittelsperſon nach außen hin zum Subject des Rechts ſtempelt. Dieſe Figur des Rechtsträgers wiederholt ſich theils zu dem angegebenen, theils zu andern Zwecken faſt überall. 274) Das Intereſſe, das ſie der juriſtiſchen Betrachtung darbietet, iſt mit dem Geſichtspunkt, unter dem wir ſie hier zu betrachten haben, keineswegs erſchöpft; 275) an dieſer Stelle haben wir uns auf letzteren zu beſchränken. Die Form, in der der Rechtsträger in Anwendung auf den obigen Zweck im altrömiſchen Recht auftritt, iſt eine doppelte. Die eine beſteht darin, daß jeder Theilhaber nach außen hin die Rolle des Rechtsträgers auf ſich nimmt, was nur bei obli- gatoriſchen Verhältniſſen möglich iſt, indem nur die Obliga- tion ſich activ und paſſiv beliebig in solidum vervielfachen läßt. Dies war, wie es ſcheint, die eigentliche Beſtimmung der Cor- realobligation. Die mehreren Gemeinſchaftsintereſſenten ſchloſſen den Contract in solidum ab, im Fall einer Stipulation promittirte und ſtipulirte Jeder (correi stipulandi, promittendi) oder ſie bedienten ſich zu dem Zweck eines gemeinſamen Skla- ven. 276) So ward Jeder von ihnen Schuldner und Gläubiger, und wie auch ihr Verhältniß im Innern beſchaffen war oder ſich im Lauf der Zeit geſtalten mochte, für das Verhältniß nach außen hin verſchlug dies Nichts. An dieſe im Verkehr vorge- fundene Gewohnheit knüpfte der Prätor bei Aufſtellung der 274) Man denke z. B. an den Lehnsträger bei der Geſammtbelehnung. 275) Das Weitere ſ. in der Theorie der Rechte bei Gelegenheit des Ver- hältniſſes des Rechts zum Intereſſe. 276) activ: L. 29 de stip. serv. (45. 3); paſſiv, indem ſie ihm einen Auftrag ertheilten (act. quod jussu) oder bei einem Handelsgeſchäft ihn als institor beſtellten. 14*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/227>, abgerufen am 29.11.2024.