Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.C. Die abstracte Analyse. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54. sätze, welche die Klage aufgenommen hatte, unabweisbar ge-worden war. Daß das Urtheil im ältern Vindicationsproceß nicht auf Geld lauten konnte, wird keiner Bemerkung bedürfen, der Richter durfte nur so sprechen, wie die Formel ihm vorge- zeichnet hatte, also im Sacramentsproceß auf sacramentum justum esse (B. 1 S. 158).241) Auch daß hinterher in einem besondern Nachverfahren das zuerkannte Eigenthum in eine Geldschuld verwandelt worden sei, so daß also der alte Pro- ceß gleich dem spätern seinem schließlichen Verlauf nach mit einer Obligation geendet hätte, muß ich entschieden bestreiten. Das für den Legisactionenproceß erwähnte arbitrium liti aestimandae 242) findet bei den persönlichen Klagen, bei denen ursprünglich die Condemnation auf die Sache selbst, nicht auf Geld lautete,243) seine ausreichende Erklärung. Der arbiter konnte nur schätzen, nicht condemniren, d. h. keine Obliga- tion begründen, sondern nur den Betrag einer bereits vor- handenen feststellen, in der Person des Beklagten bestand aber rücksichtlich des Vindicationsobjectes selber keine Ver- pflichtung. Nur rücksichtlich der obigen obligatorischen Ne- benansprüche wegen der Früchte und wegen Deterioration oder Vernichtung der Sache konnte, eben weil es sich hier lediglich um den Betrag obligatorischer Ansprüche handelte, ein sol- ches Schätzungsverfahren eintreten und ausreichen. Aber, wird man mir einwenden, das Urtheil im Vindica- 241) Bei der sponsio praejudicialis auf sponsionis summam dari oportere Gaj. IV. 93. 242) Val. Probus de notis antiq. §. 4. 243) Gaj. IV. 48.
C. Die abſtracte Analyſe. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54. ſätze, welche die Klage aufgenommen hatte, unabweisbar ge-worden war. Daß das Urtheil im ältern Vindicationsproceß nicht auf Geld lauten konnte, wird keiner Bemerkung bedürfen, der Richter durfte nur ſo ſprechen, wie die Formel ihm vorge- zeichnet hatte, alſo im Sacramentsproceß auf sacramentum justum esse (B. 1 S. 158).241) Auch daß hinterher in einem beſondern Nachverfahren das zuerkannte Eigenthum in eine Geldſchuld verwandelt worden ſei, ſo daß alſo der alte Pro- ceß gleich dem ſpätern ſeinem ſchließlichen Verlauf nach mit einer Obligation geendet hätte, muß ich entſchieden beſtreiten. Das für den Legisactionenproceß erwähnte arbitrium liti aestimandae 242) findet bei den perſönlichen Klagen, bei denen urſprünglich die Condemnation auf die Sache ſelbſt, nicht auf Geld lautete,243) ſeine ausreichende Erklärung. Der arbiter konnte nur ſchätzen, nicht condemniren, d. h. keine Obliga- tion begründen, ſondern nur den Betrag einer bereits vor- handenen feſtſtellen, in der Perſon des Beklagten beſtand aber rückſichtlich des Vindicationsobjectes ſelber keine Ver- pflichtung. Nur rückſichtlich der obigen obligatoriſchen Ne- benanſprüche wegen der Früchte und wegen Deterioration oder Vernichtung der Sache konnte, eben weil es ſich hier lediglich um den Betrag obligatoriſcher Anſprüche handelte, ein ſol- ches Schätzungsverfahren eintreten und ausreichen. Aber, wird man mir einwenden, das Urtheil im Vindica- 241) Bei der sponsio praejudicialis auf sponsionis summam dari oportere Gaj. IV. 93. 242) Val. Probus de notis antiq. §. 4. 243) Gaj. IV. 48.
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C. Die abſtracte Analyſe. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54.
ſätze, welche die Klage aufgenommen hatte, unabweisbar ge-
worden war. Daß das Urtheil im ältern Vindicationsproceß
nicht auf Geld lauten konnte, wird keiner Bemerkung bedürfen,
der Richter durfte nur ſo ſprechen, wie die Formel ihm vorge-
zeichnet hatte, alſo im Sacramentsproceß auf sacramentum
justum esse (B. 1 S. 158). 241) Auch daß hinterher in einem
beſondern Nachverfahren das zuerkannte Eigenthum in eine
Geldſchuld verwandelt worden ſei, ſo daß alſo der alte Pro-
ceß gleich dem ſpätern ſeinem ſchließlichen Verlauf nach mit
einer Obligation geendet hätte, muß ich entſchieden beſtreiten.
Das für den Legisactionenproceß erwähnte arbitrium liti
aestimandae 242) findet bei den perſönlichen Klagen, bei denen
urſprünglich die Condemnation auf die Sache ſelbſt, nicht auf
Geld lautete, 243) ſeine ausreichende Erklärung. Der arbiter
konnte nur ſchätzen, nicht condemniren, d. h. keine Obliga-
tion begründen, ſondern nur den Betrag einer bereits vor-
handenen feſtſtellen, in der Perſon des Beklagten beſtand
aber rückſichtlich des Vindicationsobjectes ſelber keine Ver-
pflichtung. Nur rückſichtlich der obigen obligatoriſchen Ne-
benanſprüche wegen der Früchte und wegen Deterioration oder
Vernichtung der Sache konnte, eben weil es ſich hier lediglich
um den Betrag obligatoriſcher Anſprüche handelte, ein ſol-
ches Schätzungsverfahren eintreten und ausreichen.
Aber, wird man mir einwenden, das Urtheil im Vindica-
tionsproceß muß doch jedenfalls eine Verpflichtung des Beklag-
ten zur Herausgabe der Sache begründet haben. Eine Ver-
pflichtung in dem unbeſtimmten Sinn des Wortes, in dem man
auch wohl von einer Verpflichtung ſpricht, die Geſetze und An-
ordnungen der Obrigkeit zu befolgen, allerdings, aber keine Ver-
pflichtung im juriſtiſch-techniſchen Sinn: keine obligatio. Die
241) Bei der sponsio praejudicialis auf sponsionis summam dari
oportere Gaj. IV. 93.
242) Val. Probus de notis antiq. §. 4.
243) Gaj. IV. 48.
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