Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
[Tabelle]
229)
Wenn nun das ältere Recht, wie sofort gezeigt werden soll, kein einziges derartiges Beispiel darbietet, so könnte dies mög- licherweise darin seinen Grund haben, daß es der älteren Zeit an der Substanz dafür gefehlt habe. Man könnte meinen, jene complicirten Bildungen seien das Kennzeichen und das Product einer höhern Stufe der wirthschaftlichen Entwicklung, die ein- fachen Verhältnisse der frühern Zeit hätten auch nothwendiger- weise in einfachen Begriffen ihren Ausdruck gefunden. Diese Vorstellung ist eine irrige, sie widerlegt sich einfach durch den Hinweis auf solche Verhältnisse des ältern Rechts, die das Ma- terial zu einer derartigen Begriffsbildung in sich schlossen, und die Art und Form ihrer juristischen Gestaltung. Letztere besteht nicht, wie im neuern Recht, in einer Verschmelzung der hetero- genen Elemente zur Einheit des Begriffs, sondern in einem äußer- lichen Nebeneinanderstellen der verschiedenen einfachen Begriffe, in einem separaten, successiven Operiren mit jedem einzelnen von ihnen. Das ganze Verhältniß wird stückweise errichtet, es ist nicht Ein juristisches Ganze, sondern eine Combination von verschie- denen, ökonomisch zwar durch den gemeinsamen Zweck ver- bundenen und um ihn als ihren Mittelpunkt gravitirenden, juristisch aber völlig selbständigen Begriffen.
Das Gesetz selbst, welches hier zur Anwendung gelangt, ist klar: die ältere Jurisprudenz duldet nur einfache, keine zusam- mengesetzten Körper. Aber was heißt: einfache und zusammen- gesetzte Körper, nach welchem Maßstabe bestimmte die Jurispru-
229) Der Erwerber der beiden ersten Rechte succedirt zugleich in die Obligation. Die fiducia zum pfandrechtlichen Zweck war kein Pfandrecht, sondern Eigenthumsübertragung mit klaglosem Vorbehalt der Einlösung.
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
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229)
Wenn nun das ältere Recht, wie ſofort gezeigt werden ſoll, kein einziges derartiges Beiſpiel darbietet, ſo könnte dies mög- licherweiſe darin ſeinen Grund haben, daß es der älteren Zeit an der Subſtanz dafür gefehlt habe. Man könnte meinen, jene complicirten Bildungen ſeien das Kennzeichen und das Product einer höhern Stufe der wirthſchaftlichen Entwicklung, die ein- fachen Verhältniſſe der frühern Zeit hätten auch nothwendiger- weiſe in einfachen Begriffen ihren Ausdruck gefunden. Dieſe Vorſtellung iſt eine irrige, ſie widerlegt ſich einfach durch den Hinweis auf ſolche Verhältniſſe des ältern Rechts, die das Ma- terial zu einer derartigen Begriffsbildung in ſich ſchloſſen, und die Art und Form ihrer juriſtiſchen Geſtaltung. Letztere beſteht nicht, wie im neuern Recht, in einer Verſchmelzung der hetero- genen Elemente zur Einheit des Begriffs, ſondern in einem äußer- lichen Nebeneinanderſtellen der verſchiedenen einfachen Begriffe, in einem ſeparaten, ſucceſſiven Operiren mit jedem einzelnen von ihnen. Das ganze Verhältniß wird ſtückweiſe errichtet, es iſt nicht Ein juriſtiſches Ganze, ſondern eine Combination von verſchie- denen, ökonomiſch zwar durch den gemeinſamen Zweck ver- bundenen und um ihn als ihren Mittelpunkt gravitirenden, juriſtiſch aber völlig ſelbſtändigen Begriffen.
Das Geſetz ſelbſt, welches hier zur Anwendung gelangt, iſt klar: die ältere Jurisprudenz duldet nur einfache, keine zuſam- mengeſetzten Körper. Aber was heißt: einfache und zuſammen- geſetzte Körper, nach welchem Maßſtabe beſtimmte die Jurispru-
229) Der Erwerber der beiden erſten Rechte ſuccedirt zugleich in die Obligation. Die fiducia zum pfandrechtlichen Zweck war kein Pfandrecht, ſondern Eigenthumsübertragung mit klagloſem Vorbehalt der Einlöſung.
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
229)
Wenn nun das ältere Recht, wie ſofort gezeigt werden ſoll,
kein einziges derartiges Beiſpiel darbietet, ſo könnte dies mög-
licherweiſe darin ſeinen Grund haben, daß es der älteren Zeit
an der Subſtanz dafür gefehlt habe. Man könnte meinen, jene
complicirten Bildungen ſeien das Kennzeichen und das Product
einer höhern Stufe der wirthſchaftlichen Entwicklung, die ein-
fachen Verhältniſſe der frühern Zeit hätten auch nothwendiger-
weiſe in einfachen Begriffen ihren Ausdruck gefunden. Dieſe
Vorſtellung iſt eine irrige, ſie widerlegt ſich einfach durch den
Hinweis auf ſolche Verhältniſſe des ältern Rechts, die das Ma-
terial zu einer derartigen Begriffsbildung in ſich ſchloſſen, und
die Art und Form ihrer juriſtiſchen Geſtaltung. Letztere beſteht
nicht, wie im neuern Recht, in einer Verſchmelzung der hetero-
genen Elemente zur Einheit des Begriffs, ſondern in einem äußer-
lichen Nebeneinanderſtellen der verſchiedenen einfachen Begriffe,
in einem ſeparaten, ſucceſſiven Operiren mit jedem einzelnen von
ihnen. Das ganze Verhältniß wird ſtückweiſe errichtet, es iſt nicht
Ein juriſtiſches Ganze, ſondern eine Combination von verſchie-
denen, ökonomiſch zwar durch den gemeinſamen Zweck ver-
bundenen und um ihn als ihren Mittelpunkt gravitirenden,
juriſtiſch aber völlig ſelbſtändigen Begriffen.
Das Geſetz ſelbſt, welches hier zur Anwendung gelangt, iſt
klar: die ältere Jurisprudenz duldet nur einfache, keine zuſam-
mengeſetzten Körper. Aber was heißt: einfache und zuſammen-
geſetzte Körper, nach welchem Maßſtabe beſtimmte die Jurispru-
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ſondern Eigenthumsübertragung mit klagloſem Vorbehalt der Einlöſung.
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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