Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53. nöthig hat, bis dahin den Miethcontract aufschieben? Darausergibt sich die Nothwendigkeit des dies. Allein der dies reicht nicht aus. Die Dispositionen für die Zukunft hängen in ihrer Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit oft noch von zukünftigen Verhältnissen ab; dürfte man sie nur schlechthin treffen, so müßte man in manchen Fällen sich ihrer zunächst gänzlich enthal- ten. Darauf beruht das Verkehrsbedürfniß der Bedingung. Erst sie verleiht der Idee der rechtlichen Beherrschung der Zukunft ihre volle Verwirklichung, indem sie das Mittel ge- währt, Combinationen, Berechnungen, Erwartungen, kurz das bloß Mögliche mit derselben Sicherheit, als wäre es bereits wirklich, in den Kreis unserer Operationen zu ziehen -- sie emancipirt von der Schranke der Gegenwart und ermöglicht es, die Zukunft von sich, ohne sich von ihr abhängig zu machen. 208) Für den Verkehr unter Lebenden verweist das ältere Recht Alle Rechtsgeschäfte unter Lebenden mit Ausnahme der Obli- 208) Die im Text entwickelte Bedeutung der Bedingung ist von den rö- mischen Juristen mit gewohntem Takt vollkommen richtig erfaßt, indem sie das Moment des Zukünftigen in die Definition der Bedingung aufnehmen und als Kriterium der ächten Bedingung den Zustand der Pendenz d. h. des Werdens bezeichnen; ein bedingtes Geschäft ist ihnen ein werdendes, aber ein solches, welches die gesetzlichen Bedingungen seines Werdens bereits vollständig in sich trägt und nur ein seinem abstracten Thatbestand fremdes, aber für den concreten Entschluß wesentliches Moment zu über- winden hat. 209) Vat. fr. §. 49 nulla legis actio prodita est de futuro.
B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. nöthig hat, bis dahin den Miethcontract aufſchieben? Darausergibt ſich die Nothwendigkeit des dies. Allein der dies reicht nicht aus. Die Dispoſitionen für die Zukunft hängen in ihrer Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit oft noch von zukünftigen Verhältniſſen ab; dürfte man ſie nur ſchlechthin treffen, ſo müßte man in manchen Fällen ſich ihrer zunächſt gänzlich enthal- ten. Darauf beruht das Verkehrsbedürfniß der Bedingung. Erſt ſie verleiht der Idee der rechtlichen Beherrſchung der Zukunft ihre volle Verwirklichung, indem ſie das Mittel ge- währt, Combinationen, Berechnungen, Erwartungen, kurz das bloß Mögliche mit derſelben Sicherheit, als wäre es bereits wirklich, in den Kreis unſerer Operationen zu ziehen — ſie emancipirt von der Schranke der Gegenwart und ermöglicht es, die Zukunft von ſich, ohne ſich von ihr abhängig zu machen. 208) Für den Verkehr unter Lebenden verweiſt das ältere Recht Alle Rechtsgeſchäfte unter Lebenden mit Ausnahme der Obli- 208) Die im Text entwickelte Bedeutung der Bedingung iſt von den rö- miſchen Juriſten mit gewohntem Takt vollkommen richtig erfaßt, indem ſie das Moment des Zukünftigen in die Definition der Bedingung aufnehmen und als Kriterium der ächten Bedingung den Zuſtand der Pendenz d. h. des Werdens bezeichnen; ein bedingtes Geſchäft iſt ihnen ein werdendes, aber ein ſolches, welches die geſetzlichen Bedingungen ſeines Werdens bereits vollſtändig in ſich trägt und nur ein ſeinem abſtracten Thatbeſtand fremdes, aber für den concreten Entſchluß weſentliches Moment zu über- winden hat. 209) Vat. fr. §. 49 nulla legis actio prodita est de futuro.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0173" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">B.</hi> Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.</fw><lb/> nöthig hat, bis dahin den Miethcontract aufſchieben? Daraus<lb/> ergibt ſich die Nothwendigkeit des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">dies</hi>.</hi> Allein der <hi rendition="#aq">dies</hi> reicht<lb/> nicht aus. Die Dispoſitionen für die Zukunft hängen in ihrer<lb/> Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit oft noch von zukünftigen<lb/> Verhältniſſen ab; dürfte man ſie nur <hi rendition="#g">ſchlechthin</hi> treffen, ſo<lb/> müßte man in manchen Fällen ſich ihrer zunächſt gänzlich enthal-<lb/> ten. Darauf beruht das Verkehrsbedürfniß der <hi rendition="#g">Bedingung</hi>.<lb/> Erſt ſie verleiht der Idee der <hi rendition="#g">rechtlichen Beherrſchung der<lb/> Zukunft</hi> ihre volle Verwirklichung, indem ſie das Mittel ge-<lb/> währt, Combinationen, Berechnungen, Erwartungen, kurz das<lb/> bloß <hi rendition="#g">Mögliche</hi> mit derſelben Sicherheit, als wäre es bereits<lb/><hi rendition="#g">wirklich</hi>, in den Kreis unſerer Operationen zu ziehen — ſie<lb/> emancipirt von der Schranke der Gegenwart und ermöglicht es,<lb/> die <hi rendition="#g">Zukunft von ſich, ohne ſich von ihr abhängig zu<lb/> machen</hi>. <note place="foot" n="208)">Die im Text entwickelte Bedeutung der Bedingung iſt von den rö-<lb/> miſchen Juriſten mit gewohntem Takt vollkommen richtig erfaßt, indem ſie das<lb/> Moment des <hi rendition="#g">Zukünftigen</hi> in die Definition der Bedingung aufnehmen<lb/> und als Kriterium der ächten Bedingung den Zuſtand der <hi rendition="#g">Pendenz</hi> d. h.<lb/> des <hi rendition="#g">Werdens</hi> bezeichnen; ein bedingtes Geſchäft iſt ihnen ein <hi rendition="#g">werdendes</hi>,<lb/> aber ein ſolches, welches die <hi rendition="#g">geſetzlichen</hi> Bedingungen ſeines Werdens<lb/> bereits vollſtändig in ſich trägt und nur ein ſeinem abſtracten Thatbeſtand<lb/> fremdes, aber für den concreten Entſchluß weſentliches Moment zu über-<lb/> winden hat.</note></p><lb/> <p>Für den Verkehr unter Lebenden verweiſt das ältere Recht<lb/> jenen Gedanken der freien Dispoſition über die Zukunft aus-<lb/> ſchließlich in die Form der bedingten und betagten <hi rendition="#g">Obligation</hi>,<lb/> für das Teſtament realiſirt es ihn theils durch den Grundſatz der<lb/> freien Widerruflichkeit deſſelben, theils durch Zulaſſung des <hi rendition="#aq">dies</hi><lb/> und der <hi rendition="#aq">conditio.</hi></p><lb/> <p>Alle Rechtsgeſchäfte unter Lebenden mit Ausnahme der Obli-<lb/> gation ſind auf die <hi rendition="#g">Gegenwart</hi> beſchränkt; der zunächſt für die<lb/> Klagformen des alten Proceſſes und die <hi rendition="#aq">in jure cessio</hi> ausge-<lb/> ſprochene Satz: daß ſie ſämmtlich auf die <hi rendition="#g">Gegenwart</hi> lauten, <note place="foot" n="209)"><hi rendition="#aq">Vat. fr. §. 49 nulla legis actio prodita est de futuro.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0173]
B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
nöthig hat, bis dahin den Miethcontract aufſchieben? Daraus
ergibt ſich die Nothwendigkeit des dies. Allein der dies reicht
nicht aus. Die Dispoſitionen für die Zukunft hängen in ihrer
Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit oft noch von zukünftigen
Verhältniſſen ab; dürfte man ſie nur ſchlechthin treffen, ſo
müßte man in manchen Fällen ſich ihrer zunächſt gänzlich enthal-
ten. Darauf beruht das Verkehrsbedürfniß der Bedingung.
Erſt ſie verleiht der Idee der rechtlichen Beherrſchung der
Zukunft ihre volle Verwirklichung, indem ſie das Mittel ge-
währt, Combinationen, Berechnungen, Erwartungen, kurz das
bloß Mögliche mit derſelben Sicherheit, als wäre es bereits
wirklich, in den Kreis unſerer Operationen zu ziehen — ſie
emancipirt von der Schranke der Gegenwart und ermöglicht es,
die Zukunft von ſich, ohne ſich von ihr abhängig zu
machen. 208)
Für den Verkehr unter Lebenden verweiſt das ältere Recht
jenen Gedanken der freien Dispoſition über die Zukunft aus-
ſchließlich in die Form der bedingten und betagten Obligation,
für das Teſtament realiſirt es ihn theils durch den Grundſatz der
freien Widerruflichkeit deſſelben, theils durch Zulaſſung des dies
und der conditio.
Alle Rechtsgeſchäfte unter Lebenden mit Ausnahme der Obli-
gation ſind auf die Gegenwart beſchränkt; der zunächſt für die
Klagformen des alten Proceſſes und die in jure cessio ausge-
ſprochene Satz: daß ſie ſämmtlich auf die Gegenwart lauten, 209)
208) Die im Text entwickelte Bedeutung der Bedingung iſt von den rö-
miſchen Juriſten mit gewohntem Takt vollkommen richtig erfaßt, indem ſie das
Moment des Zukünftigen in die Definition der Bedingung aufnehmen
und als Kriterium der ächten Bedingung den Zuſtand der Pendenz d. h.
des Werdens bezeichnen; ein bedingtes Geſchäft iſt ihnen ein werdendes,
aber ein ſolches, welches die geſetzlichen Bedingungen ſeines Werdens
bereits vollſtändig in ſich trägt und nur ein ſeinem abſtracten Thatbeſtand
fremdes, aber für den concreten Entſchluß weſentliches Moment zu über-
winden hat.
209) Vat. fr. §. 49 nulla legis actio prodita est de futuro.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |