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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53.
Delegation, Acceptilation einer bedingten, die Verbürgung
für eine zukünftige Schuld. 201)

An letzterer würde das alte Recht ganz besonders Anstoß ge-
nommen haben, 202) denn es erblickt in der Bürgschaft ein Ac-
cessorium der Hauptschuld; daß aber das Accessorium der Haupt-
sache vorangehen sollte, ist dem Geist des ältern Rechts völlig
zuwider. 203)

Das vierte Erforderniß eines jeden Rechtsgeschäfts ist die
Angabe des concreten Willensinhalts, also die des Gegen-
standes, der Summe, des Rechts der gegenüberstehenden Per-
son. Daß auch diese Momente ins Ungewisse gestellt werden
können, lehrt ein Blick auf das spätere und (rücksichtlich der Per-
sonen) auf das heutige Recht. Der Testator legirt "so viel, als der
Legatar den Gesetzen nach von der Masse bekommen kann", 204) der
Promittent verspricht "so viel, als das Urtheil erkennen oder als
ein Anderer schuldig werden werde". 205) Der Arrogator eines Un-
mündigen verheißt dessen Nachlaß, im Fall derselbe während der
Unmündigkeit versterben sollte, "denen, welchen er gebührt", 206)
der Auslobende heutzutage den Lohn "dem, der die Leistung vor-

201) Novation L. 8 §. 1 de novat. (46. 2), s. jedoch L. 41 de cond.
(35. 1),
Delegation L. 8 §. 2 ibid., Acceptilation L. 12 de ace.
(46. 4),
Bürgschaft in Form der fidejussio §. 3 I. de fidej. (3. 20), L. 6
§. 2 de fidej. (46. 1),
Constitutum L. 19 pr. de pec. const. (13. 5).
202) Daß eine Verbürgung für eine zukünftige Schuld in Form der
sponsio und fidepromissio nicht möglich gewesen, nimmt auch Schrader
ad §. 3 I. cit.
an. Ueber den im Texte geltend gemachten Gesichtspunkt der
Accessionsqualität s. Gaj. III. 119 "accedere".
203) Einen Beleg gewährt der Satz, daß der testirende Vater das Pu-
pillartestament nach dem seinigen errichten muß; dieses ist das "principale",
jenes die "sequela", die secundae tabulae L. 2 §. 2 pr. de vulg. subst.
(28. 6), §. 5 I. ibid. (2. 16),
der Testator darf also nicht "convertere ordi-
nem scripturae" L. 2 §. 4 cit.
S. auch B. 2 S. 642 Nr. 4.
204) L. 51 pr. de leg. II. (31).
205) L. 9 Jud. solv. (46. 7), L. 55 de fidej. (46. 1), L. 89 de V. O.
(45. 1), L. 8 §. 2 de novat. (46. 2)
.
206) Ueber den Kunstgriff, den die Juristen dabei anwendeten, an anderer
Stelle.

B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
Delegation, Acceptilation einer bedingten, die Verbürgung
für eine zukünftige Schuld. 201)

An letzterer würde das alte Recht ganz beſonders Anſtoß ge-
nommen haben, 202) denn es erblickt in der Bürgſchaft ein Ac-
ceſſorium der Hauptſchuld; daß aber das Acceſſorium der Haupt-
ſache vorangehen ſollte, iſt dem Geiſt des ältern Rechts völlig
zuwider. 203)

Das vierte Erforderniß eines jeden Rechtsgeſchäfts iſt die
Angabe des concreten Willensinhalts, alſo die des Gegen-
ſtandes, der Summe, des Rechts der gegenüberſtehenden Per-
ſon. Daß auch dieſe Momente ins Ungewiſſe geſtellt werden
können, lehrt ein Blick auf das ſpätere und (rückſichtlich der Per-
ſonen) auf das heutige Recht. Der Teſtator legirt „ſo viel, als der
Legatar den Geſetzen nach von der Maſſe bekommen kann“, 204) der
Promittent verſpricht „ſo viel, als das Urtheil erkennen oder als
ein Anderer ſchuldig werden werde“. 205) Der Arrogator eines Un-
mündigen verheißt deſſen Nachlaß, im Fall derſelbe während der
Unmündigkeit verſterben ſollte, „denen, welchen er gebührt“, 206)
der Auslobende heutzutage den Lohn „dem, der die Leiſtung vor-

201) Novation L. 8 §. 1 de novat. (46. 2), ſ. jedoch L. 41 de cond.
(35. 1),
Delegation L. 8 §. 2 ibid., Acceptilation L. 12 de ace.
(46. 4),
Bürgſchaft in Form der fidejussio §. 3 I. de fidej. (3. 20), L. 6
§. 2 de fidej. (46. 1),
Conſtitutum L. 19 pr. de pec. const. (13. 5).
202) Daß eine Verbürgung für eine zukünftige Schuld in Form der
sponsio und fidepromissio nicht möglich geweſen, nimmt auch Schrader
ad §. 3 I. cit.
an. Ueber den im Texte geltend gemachten Geſichtspunkt der
Acceſſionsqualität ſ. Gaj. III. 119 „accedere“.
203) Einen Beleg gewährt der Satz, daß der teſtirende Vater das Pu-
pillarteſtament nach dem ſeinigen errichten muß; dieſes iſt das „principale“,
jenes die „sequela“, die secundae tabulae L. 2 §. 2 pr. de vulg. subst.
(28. 6), §. 5 I. ibid. (2. 16),
der Teſtator darf alſo nicht „convertere ordi-
nem scripturae“ L. 2 §. 4 cit.
S. auch B. 2 S. 642 Nr. 4.
204) L. 51 pr. de leg. II. (31).
205) L. 9 Jud. solv. (46. 7), L. 55 de fidej. (46. 1), L. 89 de V. O.
(45. 1), L. 8 §. 2 de novat. (46. 2)
.
206) Ueber den Kunſtgriff, den die Juriſten dabei anwendeten, an anderer
Stelle.
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[155/0171] B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. Delegation, Acceptilation einer bedingten, die Verbürgung für eine zukünftige Schuld. 201) An letzterer würde das alte Recht ganz beſonders Anſtoß ge- nommen haben, 202) denn es erblickt in der Bürgſchaft ein Ac- ceſſorium der Hauptſchuld; daß aber das Acceſſorium der Haupt- ſache vorangehen ſollte, iſt dem Geiſt des ältern Rechts völlig zuwider. 203) Das vierte Erforderniß eines jeden Rechtsgeſchäfts iſt die Angabe des concreten Willensinhalts, alſo die des Gegen- ſtandes, der Summe, des Rechts der gegenüberſtehenden Per- ſon. Daß auch dieſe Momente ins Ungewiſſe geſtellt werden können, lehrt ein Blick auf das ſpätere und (rückſichtlich der Per- ſonen) auf das heutige Recht. Der Teſtator legirt „ſo viel, als der Legatar den Geſetzen nach von der Maſſe bekommen kann“, 204) der Promittent verſpricht „ſo viel, als das Urtheil erkennen oder als ein Anderer ſchuldig werden werde“. 205) Der Arrogator eines Un- mündigen verheißt deſſen Nachlaß, im Fall derſelbe während der Unmündigkeit verſterben ſollte, „denen, welchen er gebührt“, 206) der Auslobende heutzutage den Lohn „dem, der die Leiſtung vor- 201) Novation L. 8 §. 1 de novat. (46. 2), ſ. jedoch L. 41 de cond. (35. 1), Delegation L. 8 §. 2 ibid., Acceptilation L. 12 de ace. (46. 4), Bürgſchaft in Form der fidejussio §. 3 I. de fidej. (3. 20), L. 6 §. 2 de fidej. (46. 1), Conſtitutum L. 19 pr. de pec. const. (13. 5). 202) Daß eine Verbürgung für eine zukünftige Schuld in Form der sponsio und fidepromissio nicht möglich geweſen, nimmt auch Schrader ad §. 3 I. cit. an. Ueber den im Texte geltend gemachten Geſichtspunkt der Acceſſionsqualität ſ. Gaj. III. 119 „accedere“. 203) Einen Beleg gewährt der Satz, daß der teſtirende Vater das Pu- pillarteſtament nach dem ſeinigen errichten muß; dieſes iſt das „principale“, jenes die „sequela“, die secundae tabulae L. 2 §. 2 pr. de vulg. subst. (28. 6), §. 5 I. ibid. (2. 16), der Teſtator darf alſo nicht „convertere ordi- nem scripturae“ L. 2 §. 4 cit. S. auch B. 2 S. 642 Nr. 4. 204) L. 51 pr. de leg. II. (31). 205) L. 9 Jud. solv. (46. 7), L. 55 de fidej. (46. 1), L. 89 de V. O. (45. 1), L. 8 §. 2 de novat. (46. 2). 206) Ueber den Kunſtgriff, den die Juriſten dabei anwendeten, an anderer Stelle.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/171>, abgerufen am 21.11.2024.