Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53. auf die äußerste Spitze getriebene Ausnutzung des Realcreditsim spätern römischen Verkehr und die damit gleichen Schritt haltende civilistische Nachgiebigkeit der römischen Jurisprudenz brachte es bis zu dem Punkt, daß man den Akt der Verpfän- dung vornehmen konnte zu einer Zeit, wo noch alle und jede Voraussetzungen zum Pfandrecht fehlten: die Forderung, der Gegenstand, das Eigenthum des Verpfänders an demselben -- ein nackter, abstracter Akt, ein Futteral ohne Inhalt, ein Rechts- geschäft "in blanco"! Vergleicht man den Entstehungsproceß eines solchen erst spä- Es liegt auf der Hand, daß derselbe von eingreifender Be- Solche langgestreckte Rechtsgeschäfte, wie sie bei dieser Ent- B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. auf die äußerſte Spitze getriebene Ausnutzung des Realcreditsim ſpätern römiſchen Verkehr und die damit gleichen Schritt haltende civiliſtiſche Nachgiebigkeit der römiſchen Jurisprudenz brachte es bis zu dem Punkt, daß man den Akt der Verpfän- dung vornehmen konnte zu einer Zeit, wo noch alle und jede Vorausſetzungen zum Pfandrecht fehlten: die Forderung, der Gegenſtand, das Eigenthum des Verpfänders an demſelben — ein nackter, abſtracter Akt, ein Futteral ohne Inhalt, ein Rechts- geſchäft „in blanco“! Vergleicht man den Entſtehungsproceß eines ſolchen erſt ſpä- Es liegt auf der Hand, daß derſelbe von eingreifender Be- Solche langgeſtreckte Rechtsgeſchäfte, wie ſie bei dieſer Ent- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0167" n="151"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">B.</hi> Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.</fw><lb/> auf die äußerſte Spitze getriebene Ausnutzung des Realcredits<lb/> im ſpätern römiſchen Verkehr und die damit gleichen Schritt<lb/> haltende civiliſtiſche Nachgiebigkeit der römiſchen Jurisprudenz<lb/> brachte es bis zu dem Punkt, daß man den <hi rendition="#g">Akt</hi> der Verpfän-<lb/> dung vornehmen konnte zu einer Zeit, wo noch alle und jede<lb/> Vorausſetzungen zum Pfandrecht fehlten: die Forderung, der<lb/> Gegenſtand, das Eigenthum des Verpfänders an demſelben —<lb/> ein nackter, abſtracter Akt, ein Futteral ohne Inhalt, ein Rechts-<lb/> geſchäft <hi rendition="#aq">„in blanco“!</hi></p><lb/> <p>Vergleicht man den Entſtehungsproceß eines ſolchen erſt ſpä-<lb/> ter ſubſtantiirten Rechtsgeſchäfts mit dem eines von Anfang an<lb/> in ſich fertigen, ſo beſteht die Verſchiedenheit darin, daß derſelbe<lb/> ſich bei jenem über einen ganzen Zei<hi rendition="#g">traum</hi> hinzieht, bei dieſem<lb/> in einen Zei<hi rendition="#g">tpunkt</hi> fällt, daß dort die einzelnen Erforderniſſe<lb/><hi rendition="#g">hinter</hi> einander, hier <hi rendition="#g">neben</hi> einander auftreten — ein Gegen-<lb/> ſatz, den wir paſſend als <hi rendition="#g">ſucceſſive</hi> und <hi rendition="#g">ſimultane</hi> Ent-<lb/> ſtehungsweiſe bezeichnen können.</p><lb/> <p>Es liegt auf der Hand, daß derſelbe von eingreifender Be-<lb/> deutung iſt. Verſtattet man einmal die <hi rendition="#g">Anticipation</hi> des<lb/> Rechtsgeſchäfts, ſo drängt die Conſequenz mit Nothwendigkeit<lb/> auch zur Zulaſſung der <hi rendition="#g">Ratihabition</hi> und <hi rendition="#g">Convalescenz</hi><lb/> deſſelben. Denn wenn einmal das Geſetz der Gleichzeitigkeit in<lb/><hi rendition="#g">der</hi> Richtung aufgegeben iſt, daß der Wille dem ſonſtigen That-<lb/> beſtand des Rechtsgeſchäfts voraneilen kann (<hi rendition="#g">Anticipation</hi>),<lb/> warum ſollte er ihm nicht umgekehrt auch nachfolgen können<lb/> (<hi rendition="#g">Ratihabition</hi>), und wenn das Rechtsgeſchäft durch aus-<lb/> drückliche Willenserklärung in dem einen und andern Fall <hi rendition="#g">nach-<lb/> reifen</hi> kann, warum nicht auch ohne ſolche Erklärung durch<lb/> bloßes objectives Eintreten ſeines Thatbeſtandes (<hi rendition="#g">Convales-<lb/> cenz</hi>)? Alle dieſe drei Begriffe ſind aufs Engſte mit einander<lb/> verwandt; ſie beruhen ſämmtlich auf dem Gedanken der <hi rendition="#g">ſucceſ-<lb/> ſiven</hi> Entſtehungsweiſe.</p><lb/> <p>Solche langgeſtreckte Rechtsgeſchäfte, wie ſie bei dieſer Ent-<lb/> ſtehungsweiſe zu Tage treten, wären dem älteren Recht wahr-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0167]
B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
auf die äußerſte Spitze getriebene Ausnutzung des Realcredits
im ſpätern römiſchen Verkehr und die damit gleichen Schritt
haltende civiliſtiſche Nachgiebigkeit der römiſchen Jurisprudenz
brachte es bis zu dem Punkt, daß man den Akt der Verpfän-
dung vornehmen konnte zu einer Zeit, wo noch alle und jede
Vorausſetzungen zum Pfandrecht fehlten: die Forderung, der
Gegenſtand, das Eigenthum des Verpfänders an demſelben —
ein nackter, abſtracter Akt, ein Futteral ohne Inhalt, ein Rechts-
geſchäft „in blanco“!
Vergleicht man den Entſtehungsproceß eines ſolchen erſt ſpä-
ter ſubſtantiirten Rechtsgeſchäfts mit dem eines von Anfang an
in ſich fertigen, ſo beſteht die Verſchiedenheit darin, daß derſelbe
ſich bei jenem über einen ganzen Zeitraum hinzieht, bei dieſem
in einen Zeitpunkt fällt, daß dort die einzelnen Erforderniſſe
hinter einander, hier neben einander auftreten — ein Gegen-
ſatz, den wir paſſend als ſucceſſive und ſimultane Ent-
ſtehungsweiſe bezeichnen können.
Es liegt auf der Hand, daß derſelbe von eingreifender Be-
deutung iſt. Verſtattet man einmal die Anticipation des
Rechtsgeſchäfts, ſo drängt die Conſequenz mit Nothwendigkeit
auch zur Zulaſſung der Ratihabition und Convalescenz
deſſelben. Denn wenn einmal das Geſetz der Gleichzeitigkeit in
der Richtung aufgegeben iſt, daß der Wille dem ſonſtigen That-
beſtand des Rechtsgeſchäfts voraneilen kann (Anticipation),
warum ſollte er ihm nicht umgekehrt auch nachfolgen können
(Ratihabition), und wenn das Rechtsgeſchäft durch aus-
drückliche Willenserklärung in dem einen und andern Fall nach-
reifen kann, warum nicht auch ohne ſolche Erklärung durch
bloßes objectives Eintreten ſeines Thatbeſtandes (Convales-
cenz)? Alle dieſe drei Begriffe ſind aufs Engſte mit einander
verwandt; ſie beruhen ſämmtlich auf dem Gedanken der ſucceſ-
ſiven Entſtehungsweiſe.
Solche langgeſtreckte Rechtsgeſchäfte, wie ſie bei dieſer Ent-
ſtehungsweiſe zu Tage treten, wären dem älteren Recht wahr-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |