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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Einfachheit des Rechtsverhältnisses. §. 53.
thumsübertragung zu widersprechen. 176) In Wirklichkeit aber
verwandelt sich dieser Schein des Widerspruchs gerade in eine
Unterstützung unserer Ansicht, denn die Form, in der jene Ser-
vitutbestellung erfolgte, bestätigt unsern Grundsatz gerade durch
die Art, wie sie ihm ausweicht. Es wird nämlich der Sache die
Gestalt gegeben, als ob bloß eine Eigenthumsübertragung vor
sich gehe, nämlich an einem mit der vom Mancipanten gewünsch-
ten Servitut belasteten Grundstück. Nicht also ist der Hergang so
zu denken, als ob der Mancipant erst Eigenthum übertrüge und
sodann der Empfänger, auf Grund des so eben erworbenen Eigen-
thums die Servitut bestellte -- dann würden in der That juristisch
zwei Rechtsgeschäfte vorliegen -- sondern der Mancipant behält
von dem, was er überträgt, etwas zurück, er zieht etwas ab
(deducit) -- eine Wendung im Geist der analytischen Methode,
zu welcher der Proceß in dem "cum deductione und compensa-
tione agere"
(S. 79) ein Seitenstück darbietet, und deren ma-
terielle
Statthaftigkeit die alten Juristen auf die oben in Be-
zug genommenen Worte der XII Tafeln über die Mancipation
stützen konnten. So wenig wie die Klage des Argentarius juri-
stisch zwei Forderungen, so wenig hatte jener Akt zwei dingliche
Rechte zum Gegenstande; das vorbehaltene Recht erschien hier,
wie bei der Subtraction, mit dem Minuszeichen versehen,
nicht wie bei der Addition mit dem Pluszeichen. In conse-
quenter Durchführung dieses Gesichtspunktes mußte es verstattet
sein, auch mehrere Servituten vorzubehalten z. B. den Nieß-
brauch, eine Weggerechtigkeit u. a., während ein Gleiches meiner
Meinung nach bei selbständiger Bestellung der Servituten
schlechthin ausgeschlossen war, -- wo die Einheit bloß auf dem
Minuendus beruht, ist die Mehrheit der Subtrahenden
gleichgültig. Hätte das ältere Recht bereits die übrigen jura in
re
gekannt, so würde es rücksichtlich ihrer sich sicherlich ganz des-

176) Gaj. II, 33. Vat. fragm. §. 47, 50, 51 und oben Note 89;
Dirksen Vermischte Schriften I. S. 110.

B. Das Rechtsgeſchäft. Einfachheit des Rechtsverhältniſſes. §. 53.
thumsübertragung zu widerſprechen. 176) In Wirklichkeit aber
verwandelt ſich dieſer Schein des Widerſpruchs gerade in eine
Unterſtützung unſerer Anſicht, denn die Form, in der jene Ser-
vitutbeſtellung erfolgte, beſtätigt unſern Grundſatz gerade durch
die Art, wie ſie ihm ausweicht. Es wird nämlich der Sache die
Geſtalt gegeben, als ob bloß eine Eigenthumsübertragung vor
ſich gehe, nämlich an einem mit der vom Mancipanten gewünſch-
ten Servitut belaſteten Grundſtück. Nicht alſo iſt der Hergang ſo
zu denken, als ob der Mancipant erſt Eigenthum übertrüge und
ſodann der Empfänger, auf Grund des ſo eben erworbenen Eigen-
thums die Servitut beſtellte — dann würden in der That juriſtiſch
zwei Rechtsgeſchäfte vorliegen — ſondern der Mancipant behält
von dem, was er überträgt, etwas zurück, er zieht etwas ab
(deducit) — eine Wendung im Geiſt der analytiſchen Methode,
zu welcher der Proceß in dem „cum deductione und compensa-
tione agere“
(S. 79) ein Seitenſtück darbietet, und deren ma-
terielle
Statthaftigkeit die alten Juriſten auf die oben in Be-
zug genommenen Worte der XII Tafeln über die Mancipation
ſtützen konnten. So wenig wie die Klage des Argentarius juri-
ſtiſch zwei Forderungen, ſo wenig hatte jener Akt zwei dingliche
Rechte zum Gegenſtande; das vorbehaltene Recht erſchien hier,
wie bei der Subtraction, mit dem Minuszeichen verſehen,
nicht wie bei der Addition mit dem Pluszeichen. In conſe-
quenter Durchführung dieſes Geſichtspunktes mußte es verſtattet
ſein, auch mehrere Servituten vorzubehalten z. B. den Nieß-
brauch, eine Weggerechtigkeit u. a., während ein Gleiches meiner
Meinung nach bei ſelbſtändiger Beſtellung der Servituten
ſchlechthin ausgeſchloſſen war, — wo die Einheit bloß auf dem
Minuendus beruht, iſt die Mehrheit der Subtrahenden
gleichgültig. Hätte das ältere Recht bereits die übrigen jura in
re
gekannt, ſo würde es rückſichtlich ihrer ſich ſicherlich ganz des-

176) Gaj. II, 33. Vat. fragm. §. 47, 50, 51 und oben Note 89;
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[135/0151] B. Das Rechtsgeſchäft. Einfachheit des Rechtsverhältniſſes. §. 53. thumsübertragung zu widerſprechen. 176) In Wirklichkeit aber verwandelt ſich dieſer Schein des Widerſpruchs gerade in eine Unterſtützung unſerer Anſicht, denn die Form, in der jene Ser- vitutbeſtellung erfolgte, beſtätigt unſern Grundſatz gerade durch die Art, wie ſie ihm ausweicht. Es wird nämlich der Sache die Geſtalt gegeben, als ob bloß eine Eigenthumsübertragung vor ſich gehe, nämlich an einem mit der vom Mancipanten gewünſch- ten Servitut belaſteten Grundſtück. Nicht alſo iſt der Hergang ſo zu denken, als ob der Mancipant erſt Eigenthum übertrüge und ſodann der Empfänger, auf Grund des ſo eben erworbenen Eigen- thums die Servitut beſtellte — dann würden in der That juriſtiſch zwei Rechtsgeſchäfte vorliegen — ſondern der Mancipant behält von dem, was er überträgt, etwas zurück, er zieht etwas ab (deducit) — eine Wendung im Geiſt der analytiſchen Methode, zu welcher der Proceß in dem „cum deductione und compensa- tione agere“ (S. 79) ein Seitenſtück darbietet, und deren ma- terielle Statthaftigkeit die alten Juriſten auf die oben in Be- zug genommenen Worte der XII Tafeln über die Mancipation ſtützen konnten. So wenig wie die Klage des Argentarius juri- ſtiſch zwei Forderungen, ſo wenig hatte jener Akt zwei dingliche Rechte zum Gegenſtande; das vorbehaltene Recht erſchien hier, wie bei der Subtraction, mit dem Minuszeichen verſehen, nicht wie bei der Addition mit dem Pluszeichen. In conſe- quenter Durchführung dieſes Geſichtspunktes mußte es verſtattet ſein, auch mehrere Servituten vorzubehalten z. B. den Nieß- brauch, eine Weggerechtigkeit u. a., während ein Gleiches meiner Meinung nach bei ſelbſtändiger Beſtellung der Servituten ſchlechthin ausgeſchloſſen war, — wo die Einheit bloß auf dem Minuendus beruht, iſt die Mehrheit der Subtrahenden gleichgültig. Hätte das ältere Recht bereits die übrigen jura in re gekannt, ſo würde es rückſichtlich ihrer ſich ſicherlich ganz des- 176) Gaj. II, 33. Vat. fragm. §. 47, 50, 51 und oben Note 89; Dirkſen Vermiſchte Schriften I. S. 110.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/151>, abgerufen am 24.11.2024.