Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. diese Gränzen innehält, schafft er wirklich; darüber hinausbleibt sein Handeln entweder jeder Wirkung beraubt, ist ein lee- rer, nichtiger Akt, oder die Wirkung kehrt sich als negative gegen ihn, nämlich als Verpflichtung, das Geschehene ungeschehen zu machen (Strafe, Schadensersatz), jenes, wenn der Wille sich mit einem Rechtsbegriff, dieses, wenn er sich mit einem Verbot in Widerspruch befindet -- über den Rechtsbegriff hinaus gibt es kein rechtliches Können, über das Verbot hinaus kein Dürfen. Bezeichnen demnach die Rechtsbegriffe das Maß und den Beruht die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts auf seiner Reducir- Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. dieſe Gränzen innehält, ſchafft er wirklich; darüber hinausbleibt ſein Handeln entweder jeder Wirkung beraubt, iſt ein lee- rer, nichtiger Akt, oder die Wirkung kehrt ſich als negative gegen ihn, nämlich als Verpflichtung, das Geſchehene ungeſchehen zu machen (Strafe, Schadenserſatz), jenes, wenn der Wille ſich mit einem Rechtsbegriff, dieſes, wenn er ſich mit einem Verbot in Widerſpruch befindet — über den Rechtsbegriff hinaus gibt es kein rechtliches Können, über das Verbot hinaus kein Dürfen. Bezeichnen demnach die Rechtsbegriffe das Maß und den Beruht die Gültigkeit des Rechtsgeſchäfts auf ſeiner Reducir- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0142" n="126"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> dieſe Gränzen innehält, <hi rendition="#g">ſchafft</hi> er wirklich; darüber hinaus<lb/> bleibt ſein Handeln entweder jeder Wirkung beraubt, iſt ein lee-<lb/> rer, nichtiger Akt, oder die Wirkung kehrt ſich als negative gegen<lb/> ihn, nämlich als Verpflichtung, das Geſchehene ungeſchehen zu<lb/> machen (Strafe, Schadenserſatz), <hi rendition="#g">jenes</hi>, wenn der Wille ſich<lb/> mit einem Rechtsbegriff, <hi rendition="#g">dieſes</hi>, wenn er ſich mit einem Verbot<lb/> in Widerſpruch befindet — über den Rechtsbegriff hinaus gibt<lb/> es kein rechtliches <hi rendition="#g">Können</hi>, über das Verbot hinaus kein<lb/><hi rendition="#g">Dürfen</hi>.</p><lb/> <p>Bezeichnen demnach die Rechtsbegriffe das Maß und den<lb/> Umfang des Könnens, ſo gewähren ſie damit zugleich die Mittel<lb/> zur analytiſchen Beſtimmung deſſelben: die Analyſe des Rechts-<lb/> geſchäfts beruht auf der der Begriffe. Nur dadurch, daß das<lb/> Rechtsgeſchäft auf vorhandene Begriffe zurückgeführt werden kann,<lb/> gewinnt es rechtlichen Beſtand, denn, was nicht abſtract möglich<lb/> iſt, kann auch nicht concret wirklich werden. Das Gebiet des<lb/> Möglichen aber fällt zuſammen mit der Summe der anerkannten<lb/> Rechtsbegriffe. Die Vorausſetzung für das <hi rendition="#g">rechtliche</hi> Han-<lb/> deln iſt eben eine ganz andere, als für das <hi rendition="#g">factiſche</hi>; letzteres<lb/> iſt erlaubt, wenn es nicht verboten iſt. Aber dieſe bloß <hi rendition="#g">nega-<lb/> tive</hi> und abſtracte Vorausſetzung der Abweſenheit eines Verbots<lb/> iſt für das Rechtsgeſchäft, deſſen Wirkſamkeit eben nicht wie die<lb/> des factiſchen Handelns auf einem körperlichen Druck, ſondern<lb/> auf geiſtiger Kraft beruht, nicht ausreichend, ſondern ſeine Vor-<lb/> ausſetzung iſt weſentlich <hi rendition="#g">poſitiver</hi> Art.</p><lb/> <p>Beruht die Gültigkeit des Rechtsgeſchäfts auf ſeiner Reducir-<lb/> barkeit auf bekannte Begriffe, ſeiner analytiſchen Löslichkeit, ver-<lb/> ſagt m. a. W. der Juriſt die Anerkennung jedem Rechtsgeſchäft,<lb/> das er ſich nicht <hi rendition="#g">denken</hi> kann (B. 2 S. 402), ſo ſcheint damit<lb/> der Verkehr in höchſt bedenklicher Weiſe von dem „Denken“ des<lb/> Juriſten in Abhängigkeit geſetzt worden zu ſein. Das Bedürfniß<lb/> und die Erfindungskraft des Verkehrs reichen ſtets weiter, als das<lb/> juriſtiſche Denken; wie kann man ſie letzterem unterordnen? Die<lb/> Antwort lautet, daß wo in der That zwiſchen beiden ein Wider-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0142]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
dieſe Gränzen innehält, ſchafft er wirklich; darüber hinaus
bleibt ſein Handeln entweder jeder Wirkung beraubt, iſt ein lee-
rer, nichtiger Akt, oder die Wirkung kehrt ſich als negative gegen
ihn, nämlich als Verpflichtung, das Geſchehene ungeſchehen zu
machen (Strafe, Schadenserſatz), jenes, wenn der Wille ſich
mit einem Rechtsbegriff, dieſes, wenn er ſich mit einem Verbot
in Widerſpruch befindet — über den Rechtsbegriff hinaus gibt
es kein rechtliches Können, über das Verbot hinaus kein
Dürfen.
Bezeichnen demnach die Rechtsbegriffe das Maß und den
Umfang des Könnens, ſo gewähren ſie damit zugleich die Mittel
zur analytiſchen Beſtimmung deſſelben: die Analyſe des Rechts-
geſchäfts beruht auf der der Begriffe. Nur dadurch, daß das
Rechtsgeſchäft auf vorhandene Begriffe zurückgeführt werden kann,
gewinnt es rechtlichen Beſtand, denn, was nicht abſtract möglich
iſt, kann auch nicht concret wirklich werden. Das Gebiet des
Möglichen aber fällt zuſammen mit der Summe der anerkannten
Rechtsbegriffe. Die Vorausſetzung für das rechtliche Han-
deln iſt eben eine ganz andere, als für das factiſche; letzteres
iſt erlaubt, wenn es nicht verboten iſt. Aber dieſe bloß nega-
tive und abſtracte Vorausſetzung der Abweſenheit eines Verbots
iſt für das Rechtsgeſchäft, deſſen Wirkſamkeit eben nicht wie die
des factiſchen Handelns auf einem körperlichen Druck, ſondern
auf geiſtiger Kraft beruht, nicht ausreichend, ſondern ſeine Vor-
ausſetzung iſt weſentlich poſitiver Art.
Beruht die Gültigkeit des Rechtsgeſchäfts auf ſeiner Reducir-
barkeit auf bekannte Begriffe, ſeiner analytiſchen Löslichkeit, ver-
ſagt m. a. W. der Juriſt die Anerkennung jedem Rechtsgeſchäft,
das er ſich nicht denken kann (B. 2 S. 402), ſo ſcheint damit
der Verkehr in höchſt bedenklicher Weiſe von dem „Denken“ des
Juriſten in Abhängigkeit geſetzt worden zu ſein. Das Bedürfniß
und die Erfindungskraft des Verkehrs reichen ſtets weiter, als das
juriſtiſche Denken; wie kann man ſie letzterem unterordnen? Die
Antwort lautet, daß wo in der That zwiſchen beiden ein Wider-
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