Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52. indirecten Zwanges trat, wie in so manchen Fällen der di-recte durch Exception. 136) Ihrer juristischen Natur nach wird unsere Klage zu den In gewissen Verhältnissen nahm die Klage eine ganz eigen- 136) Daß die Exception in der That späteren Ursprungs ist, als jene Klage, dafür glaube ich mich auf Gaj. IV. 108 nicht einmal zu beziehen zu brauchen; wer dies nicht sofort sieht (B. I S. 73 unten), mit dem läßt sich gar nicht streiten. 137) L. 2 §. 5 de dol. exc. (44. 4) dolo facit, quicunque id, quod quaqua exceptione elidi potest, petit L. 1 §. 1 L. 8 pr. ib.: dolo facit, qui petit quod redditurus est. 138) Eine indirecte Andeutung in der lex Falcidia (im unverkennbaren
Hinblick auf die lex Furia): eam pecuniam sine fraude sua capere li- ceto, L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2). Rudorff benutzt zur Erklärung der Strafe des Vierfachen den Gesichtspunkt des Diebstahls, so nämlich für die lex Marcia (s. u.) Röm. R. G. I. S. 46 Note 7 und für die lex Furia testa- mentaria S. 56 ("als einen offenbaren Diebstahl an der Familie" -- ? --). Will man hier überhaupt nach einem Gesichtspunkt suchen, um die Strafe des Vierfachen zu erklären, so bietet sich wohl am ungezwungensten der dar, daß die Römer das Vierfache als Strafe der offenbaren, das Zweifache als Strafe der verborgenen, versteckten Widersetzlichkeit gegen das Gesetz betrachteten. A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52. indirecten Zwanges trat, wie in ſo manchen Fällen der di-recte durch Exception. 136) Ihrer juriſtiſchen Natur nach wird unſere Klage zu den In gewiſſen Verhältniſſen nahm die Klage eine ganz eigen- 136) Daß die Exception in der That ſpäteren Urſprungs iſt, als jene Klage, dafür glaube ich mich auf Gaj. IV. 108 nicht einmal zu beziehen zu brauchen; wer dies nicht ſofort ſieht (B. I S. 73 unten), mit dem läßt ſich gar nicht ſtreiten. 137) L. 2 §. 5 de dol. exc. (44. 4) dolo facit, quicunque id, quod quaqua exceptione elidi potest, petit L. 1 §. 1 L. 8 pr. ib.: dolo facit, qui petit quod redditurus est. 138) Eine indirecte Andeutung in der lex Falcidia (im unverkennbaren
Hinblick auf die lex Furia): eam pecuniam sine fraude sua capere li- ceto, L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2). Rudorff benutzt zur Erklärung der Strafe des Vierfachen den Geſichtspunkt des Diebſtahls, ſo nämlich für die lex Marcia (ſ. u.) Röm. R. G. I. S. 46 Note 7 und für die lex Furia testa- mentaria S. 56 („als einen offenbaren Diebſtahl an der Familie“ — ? —). Will man hier überhaupt nach einem Geſichtspunkt ſuchen, um die Strafe des Vierfachen zu erklären, ſo bietet ſich wohl am ungezwungenſten der dar, daß die Römer das Vierfache als Strafe der offenbaren, das Zweifache als Strafe der verborgenen, verſteckten Widerſetzlichkeit gegen das Geſetz betrachteten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0123" n="107"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A</hi>. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52.</fw><lb/><hi rendition="#g">indirecten</hi> Zwanges trat, wie in ſo manchen Fällen der <hi rendition="#g">di-<lb/> recte</hi> durch <hi rendition="#g">Exception</hi>. <note place="foot" n="136)">Daß die Exception in der That ſpäteren Urſprungs iſt, als jene<lb/> Klage, dafür glaube ich mich auf <hi rendition="#aq">Gaj. IV</hi>. 108 nicht einmal zu beziehen zu<lb/> brauchen; wer dies nicht ſofort ſieht (B. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 73 unten), mit dem läßt ſich<lb/> gar nicht ſtreiten.</note></p><lb/> <p>Ihrer juriſtiſchen Natur nach wird unſere Klage zu den<lb/><hi rendition="#g">Strafklagen</hi> zu ſtellen ſein, und zwar möchte ich ihr zur Un-<lb/> terſcheidung von andern den Zuſatz einer <hi rendition="#g">proceſſualiſchen</hi><lb/> geben. Ihr Zweck iſt nämlich ein rein proceſſualiſcher, reiner<lb/> Exceptionszweck: <hi rendition="#g">Verhinderung der Ausübung eines<lb/> Klagrechts</hi>. Das Delict, das ſie ſtrafen ſoll, läßt ſich nach<lb/> Analogie der Nichtachtung einer <hi rendition="#aq">exceptio</hi> <note place="foot" n="137)"><hi rendition="#aq">L</hi>. 2 §. 5 <hi rendition="#aq">de dol. exc. (44. 4) <hi rendition="#g">dolo</hi> facit, quicunque id, quod<lb/> quaqua exceptione elidi potest, petit L. 1 §. 1 L. 8 pr. ib.: dolo facit,<lb/> qui petit quod redditurus est</hi>.</note> als <hi rendition="#g">proceſſua-<lb/> liſcher <hi rendition="#aq">dolus</hi></hi> bezeichnen, denn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">dolus, fraus</hi></hi> iſt es, eine<lb/> Klage anzuſtellen, die das Geſetz mißbilligt. <note place="foot" n="138)">Eine indirecte Andeutung in der <hi rendition="#aq">lex Falcidia</hi> (im unverkennbaren<lb/> Hinblick auf die <hi rendition="#aq">lex Furia): eam pecuniam sine fraude sua capere li-<lb/> ceto, L. 1 pr. ad leg. Falc</hi>. (35. 2). <hi rendition="#g">Rudorff</hi> benutzt zur Erklärung der<lb/> Strafe des Vierfachen den Geſichtspunkt des Diebſtahls, ſo nämlich für die <hi rendition="#aq">lex<lb/> Marcia</hi> (ſ. u.) Röm. R. G. <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 46 Note 7 und für die <hi rendition="#aq">lex Furia testa-<lb/> mentaria</hi> S. 56 („als einen offenbaren Diebſtahl an der <hi rendition="#g">Familie</hi>“ — ? —).<lb/> Will man hier überhaupt nach einem Geſichtspunkt ſuchen, um die Strafe des<lb/><hi rendition="#g">Vierfachen</hi> zu erklären, ſo bietet ſich wohl am ungezwungenſten der dar, daß<lb/> die Römer das Vierfache als Strafe der <hi rendition="#g">offenbaren</hi>, das Zweifache als<lb/> Strafe der <hi rendition="#g">verborgenen, verſteckten</hi> Widerſetzlichkeit gegen das Geſetz<lb/> betrachteten.</note></p><lb/> <p>In gewiſſen Verhältniſſen nahm die Klage eine ganz eigen-<lb/> thümliche Geſtalt an. Die Erwägung nämlich, daß der Schuld-<lb/> ner möglicherweiſe aus Scheu vor der Rache des Gläubigers<lb/> Anſtand nehmen mochte, ſich ihrer zu bedienen, veranlaßte den<lb/> Geſetzgeber, ihre abſchreckende Wirkung für den Gläubiger da-<lb/> durch zu erhöhen, daß er ſie für den Fall, wenn der zunächſt Be-<lb/> rechtigte keinen Gebrauch von ihr machen wollte, jedem, der Luſt<lb/> hatte, verhieß, m. a. W. daß er ſie zu einer <hi rendition="#g">Popularklage</hi> er-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0123]
A. Der Proceß. Vertheidigung in Form der Klage. §. 52.
indirecten Zwanges trat, wie in ſo manchen Fällen der di-
recte durch Exception. 136)
Ihrer juriſtiſchen Natur nach wird unſere Klage zu den
Strafklagen zu ſtellen ſein, und zwar möchte ich ihr zur Un-
terſcheidung von andern den Zuſatz einer proceſſualiſchen
geben. Ihr Zweck iſt nämlich ein rein proceſſualiſcher, reiner
Exceptionszweck: Verhinderung der Ausübung eines
Klagrechts. Das Delict, das ſie ſtrafen ſoll, läßt ſich nach
Analogie der Nichtachtung einer exceptio 137) als proceſſua-
liſcher dolus bezeichnen, denn dolus, fraus iſt es, eine
Klage anzuſtellen, die das Geſetz mißbilligt. 138)
In gewiſſen Verhältniſſen nahm die Klage eine ganz eigen-
thümliche Geſtalt an. Die Erwägung nämlich, daß der Schuld-
ner möglicherweiſe aus Scheu vor der Rache des Gläubigers
Anſtand nehmen mochte, ſich ihrer zu bedienen, veranlaßte den
Geſetzgeber, ihre abſchreckende Wirkung für den Gläubiger da-
durch zu erhöhen, daß er ſie für den Fall, wenn der zunächſt Be-
rechtigte keinen Gebrauch von ihr machen wollte, jedem, der Luſt
hatte, verhieß, m. a. W. daß er ſie zu einer Popularklage er-
136) Daß die Exception in der That ſpäteren Urſprungs iſt, als jene
Klage, dafür glaube ich mich auf Gaj. IV. 108 nicht einmal zu beziehen zu
brauchen; wer dies nicht ſofort ſieht (B. I S. 73 unten), mit dem läßt ſich
gar nicht ſtreiten.
137) L. 2 §. 5 de dol. exc. (44. 4) dolo facit, quicunque id, quod
quaqua exceptione elidi potest, petit L. 1 §. 1 L. 8 pr. ib.: dolo facit,
qui petit quod redditurus est.
138) Eine indirecte Andeutung in der lex Falcidia (im unverkennbaren
Hinblick auf die lex Furia): eam pecuniam sine fraude sua capere li-
ceto, L. 1 pr. ad leg. Falc. (35. 2). Rudorff benutzt zur Erklärung der
Strafe des Vierfachen den Geſichtspunkt des Diebſtahls, ſo nämlich für die lex
Marcia (ſ. u.) Röm. R. G. I. S. 46 Note 7 und für die lex Furia testa-
mentaria S. 56 („als einen offenbaren Diebſtahl an der Familie“ — ? —).
Will man hier überhaupt nach einem Geſichtspunkt ſuchen, um die Strafe des
Vierfachen zu erklären, ſo bietet ſich wohl am ungezwungenſten der dar, daß
die Römer das Vierfache als Strafe der offenbaren, das Zweifache als
Strafe der verborgenen, verſteckten Widerſetzlichkeit gegen das Geſetz
betrachteten.
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