Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
2. Vertheidigung in Form der Klage.
Stellen wir zunächst den Begriff derselben fest.
Von einer Vertheidigung in Form der Klage kann nur da ge- redet werden, wo der ganze Zweck der Klage gleich dem der restit. in int. aufgeht in der Beseitigung des gegnerischen Anspruchs, die eine Klage, so zu sagen, bloß die Form ist, in der das Recht seine Mißbilligung über die andere ausspricht. Zu diesen Klagen zählen z. B. die Condictionen wegen mangelnden Grundes, die act. quod met. causa. Dagegen gehören gar nicht hierher alle Klagen aus zweiseitigen Geschäften, durch welche jeder Theil den ihm zustehenden Anspruch verfolgt, z. B. der Käufer den auf die Sache, der Verkäufer den auf den Kaufpreis, denn jeder die- ser Ansprüche ist seiner selbst wegen da, nicht um den gegneri- schen zu vernichten, und der Umstand, daß er der Klage des Gegners gegenüber in Form der Einrede (durch Retention) ver- folgt werden kann, schwächt diesen seinen Charakter um nichts ab. Dort haben wir eine Klage mit dem Zweck der Einrede, hier eine Einrede mit dem Zweck der Klage -- ein Gesichts- punkt, der für die richtige Beurtheilung beider, insbesondere was die Frage von der Verjährbarkeit betrifft, von maßgebendem Ein- fluß ist.
Von jenen Klagen mit ausschließlich defensivem Zweck kennt das römische Recht zwei Klassen: die eine eine Schöpfung des älteren und nicht in das neuere übergegangen, die andere, wenn vielleicht auch in einzelnen Anwendungsfällen bereits dem früheren bekannt, doch erst im neuern völlig entwickelt. Eben aus diesem Grunde hat letztere für uns hier nur einen unterge- ordneten Werth, und nur im Interesse der schärferen Abgränzung beider Klassen wollen wir später auf sie einen Blick werfen, wäh- rend die erstere den eigentlichen Gegenstand unserer Aufgabe bildet.
Als man im Lauf der Jahrhunderte in Rom sich genöthigt sah, die Autonomie der Privaten, wie sie in den XII Tafeln an-
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
2. Vertheidigung in Form der Klage.
Stellen wir zunächſt den Begriff derſelben feſt.
Von einer Vertheidigung in Form der Klage kann nur da ge- redet werden, wo der ganze Zweck der Klage gleich dem der restit. in int. aufgeht in der Beſeitigung des gegneriſchen Anſpruchs, die eine Klage, ſo zu ſagen, bloß die Form iſt, in der das Recht ſeine Mißbilligung über die andere ausſpricht. Zu dieſen Klagen zählen z. B. die Condictionen wegen mangelnden Grundes, die act. quod met. causa. Dagegen gehören gar nicht hierher alle Klagen aus zweiſeitigen Geſchäften, durch welche jeder Theil den ihm zuſtehenden Anſpruch verfolgt, z. B. der Käufer den auf die Sache, der Verkäufer den auf den Kaufpreis, denn jeder die- ſer Anſprüche iſt ſeiner ſelbſt wegen da, nicht um den gegneri- ſchen zu vernichten, und der Umſtand, daß er der Klage des Gegners gegenüber in Form der Einrede (durch Retention) ver- folgt werden kann, ſchwächt dieſen ſeinen Charakter um nichts ab. Dort haben wir eine Klage mit dem Zweck der Einrede, hier eine Einrede mit dem Zweck der Klage — ein Geſichts- punkt, der für die richtige Beurtheilung beider, insbeſondere was die Frage von der Verjährbarkeit betrifft, von maßgebendem Ein- fluß iſt.
Von jenen Klagen mit ausſchließlich defenſivem Zweck kennt das römiſche Recht zwei Klaſſen: die eine eine Schöpfung des älteren und nicht in das neuere übergegangen, die andere, wenn vielleicht auch in einzelnen Anwendungsfällen bereits dem früheren bekannt, doch erſt im neuern völlig entwickelt. Eben aus dieſem Grunde hat letztere für uns hier nur einen unterge- ordneten Werth, und nur im Intereſſe der ſchärferen Abgränzung beider Klaſſen wollen wir ſpäter auf ſie einen Blick werfen, wäh- rend die erſtere den eigentlichen Gegenſtand unſerer Aufgabe bildet.
Als man im Lauf der Jahrhunderte in Rom ſich genöthigt ſah, die Autonomie der Privaten, wie ſie in den XII Tafeln an-
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
2. Vertheidigung in Form der Klage.
Stellen wir zunächſt den Begriff derſelben feſt.
Von einer Vertheidigung in Form der Klage kann nur da ge-
redet werden, wo der ganze Zweck der Klage gleich dem der restit.
in int. aufgeht in der Beſeitigung des gegneriſchen Anſpruchs,
die eine Klage, ſo zu ſagen, bloß die Form iſt, in der das Recht
ſeine Mißbilligung über die andere ausſpricht. Zu dieſen Klagen
zählen z. B. die Condictionen wegen mangelnden Grundes, die
act. quod met. causa. Dagegen gehören gar nicht hierher alle
Klagen aus zweiſeitigen Geſchäften, durch welche jeder Theil den
ihm zuſtehenden Anſpruch verfolgt, z. B. der Käufer den auf
die Sache, der Verkäufer den auf den Kaufpreis, denn jeder die-
ſer Anſprüche iſt ſeiner ſelbſt wegen da, nicht um den gegneri-
ſchen zu vernichten, und der Umſtand, daß er der Klage des
Gegners gegenüber in Form der Einrede (durch Retention) ver-
folgt werden kann, ſchwächt dieſen ſeinen Charakter um nichts
ab. Dort haben wir eine Klage mit dem Zweck der Einrede,
hier eine Einrede mit dem Zweck der Klage — ein Geſichts-
punkt, der für die richtige Beurtheilung beider, insbeſondere was
die Frage von der Verjährbarkeit betrifft, von maßgebendem Ein-
fluß iſt.
Von jenen Klagen mit ausſchließlich defenſivem Zweck kennt
das römiſche Recht zwei Klaſſen: die eine eine Schöpfung des
älteren und nicht in das neuere übergegangen, die andere,
wenn vielleicht auch in einzelnen Anwendungsfällen bereits dem
früheren bekannt, doch erſt im neuern völlig entwickelt. Eben
aus dieſem Grunde hat letztere für uns hier nur einen unterge-
ordneten Werth, und nur im Intereſſe der ſchärferen Abgränzung
beider Klaſſen wollen wir ſpäter auf ſie einen Blick werfen, wäh-
rend die erſtere den eigentlichen Gegenſtand unſerer Aufgabe
bildet.
Als man im Lauf der Jahrhunderte in Rom ſich genöthigt
ſah, die Autonomie der Privaten, wie ſie in den XII Tafeln an-
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/120>, abgerufen am 03.03.2025.
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