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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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A. Der Proceß. Vertheidigung -- Doppelklage. §. 52.
Theilberechtigter anerkannt ward. Umgekehrt muß es auch frei
gestanden haben, der vindic. eines Theils die contravindic. des
Ganzen gegenüber zu stellen.

Daß die contravind. bei der act. confess. und negat. weder
nöthig, noch möglich war, 127) wird sich aus dem Bisherigen zur
Genüge ergeben. Bei beiden Klagen reichte zur Vertheidigung
des Beklagten die Umkehrung der klägerischen Behauptung, also
die bloße Negation, vollkommen aus. Nur in einem Fall ver-
hielt es sich anders, nämlich wenn zwei Personen sich über einen
Ususfructus stritten, sei es über den ganzen oder über einen
Theil; ob die Römer hier die Austragung des Streits in einem
Verfahren, wie es das natürlichste war, zugelassen, und ob sie
die positive Behauptung des Beklagten hier contravindicatio ge-
nannt haben, darüber wage ich eine Ansicht nicht zu äußern.

Möglicherweise hatte die contravind. außer der im Bisheri-
gen nachgewiesenen Bedeutung noch eine andere. Bildete sie
nämlich, wie es nach der Darstellung von Gajus den Anschein
gewinnt, einen unerläßlichen Bestandtheil des Verfahrens, war
also der Beklagte stets genöthigt zu contravindiciren, so ergab
sich daraus für ihn die Alternative, entweder sich selbst das Ei-
genthum anzumaßen, beziehungsweise sich durch den angeblichen
Eigenthümer, auf dessen Namen er besaß, vertreten zu lassen,
oder aber die Sache herauszugeben, und diese Annahme wird
durch die Analogie der in jure cessio unterstützt. 128) Eine
befriedigende Erklärung erhält dieser Contravindicationszwang
jedoch erst durch das für beide Theile bestehende Requisit der

127) Wenn Rudorff R. R. G. II. S. 131 auch bei ihnen von einer
contravindic. spricht, so beruht das auf einem Verkennen des eigenthümlichen
Wesens derselben; offenbar meint er, daß der Widerspruch des Beklagten bei
in rem actiones schlechthin contravindicatio genannt worden sei, während
doch nur die positive Gegenbehauptung, nicht die bloße Negation auf diesen
Namen Anspruch hatte.
128) Gaj. II. 24: praetor interrogat eum, qui cedit, an contra vin-
dicet; quo negante aut tacente tunc ei, qui vindicaverit, eam rem ad-
dicit
.
Jhering, Geist d. röm. Rechts. III. 7

A. Der Proceß. Vertheidigung — Doppelklage. §. 52.
Theilberechtigter anerkannt ward. Umgekehrt muß es auch frei
geſtanden haben, der vindic. eines Theils die contravindic. des
Ganzen gegenüber zu ſtellen.

Daß die contravind. bei der act. confess. und negat. weder
nöthig, noch möglich war, 127) wird ſich aus dem Bisherigen zur
Genüge ergeben. Bei beiden Klagen reichte zur Vertheidigung
des Beklagten die Umkehrung der klägeriſchen Behauptung, alſo
die bloße Negation, vollkommen aus. Nur in einem Fall ver-
hielt es ſich anders, nämlich wenn zwei Perſonen ſich über einen
Uſusfructus ſtritten, ſei es über den ganzen oder über einen
Theil; ob die Römer hier die Austragung des Streits in einem
Verfahren, wie es das natürlichſte war, zugelaſſen, und ob ſie
die poſitive Behauptung des Beklagten hier contravindicatio ge-
nannt haben, darüber wage ich eine Anſicht nicht zu äußern.

Möglicherweiſe hatte die contravind. außer der im Bisheri-
gen nachgewieſenen Bedeutung noch eine andere. Bildete ſie
nämlich, wie es nach der Darſtellung von Gajus den Anſchein
gewinnt, einen unerläßlichen Beſtandtheil des Verfahrens, war
alſo der Beklagte ſtets genöthigt zu contravindiciren, ſo ergab
ſich daraus für ihn die Alternative, entweder ſich ſelbſt das Ei-
genthum anzumaßen, beziehungsweiſe ſich durch den angeblichen
Eigenthümer, auf deſſen Namen er beſaß, vertreten zu laſſen,
oder aber die Sache herauszugeben, und dieſe Annahme wird
durch die Analogie der in jure cessio unterſtützt. 128) Eine
befriedigende Erklärung erhält dieſer Contravindicationszwang
jedoch erſt durch das für beide Theile beſtehende Requiſit der

127) Wenn Rudorff R. R. G. II. S. 131 auch bei ihnen von einer
contravindic. ſpricht, ſo beruht das auf einem Verkennen des eigenthümlichen
Weſens derſelben; offenbar meint er, daß der Widerſpruch des Beklagten bei
in rem actiones ſchlechthin contravindicatio genannt worden ſei, während
doch nur die poſitive Gegenbehauptung, nicht die bloße Negation auf dieſen
Namen Anſpruch hatte.
128) Gaj. II. 24: praetor interrogat eum, qui cedit, an contra vin-
dicet; quo negante aut tacente tunc ei, qui vindicaverit, eam rem ad-
dicit
.
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 7
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[97/0113] A. Der Proceß. Vertheidigung — Doppelklage. §. 52. Theilberechtigter anerkannt ward. Umgekehrt muß es auch frei geſtanden haben, der vindic. eines Theils die contravindic. des Ganzen gegenüber zu ſtellen. Daß die contravind. bei der act. confess. und negat. weder nöthig, noch möglich war, 127) wird ſich aus dem Bisherigen zur Genüge ergeben. Bei beiden Klagen reichte zur Vertheidigung des Beklagten die Umkehrung der klägeriſchen Behauptung, alſo die bloße Negation, vollkommen aus. Nur in einem Fall ver- hielt es ſich anders, nämlich wenn zwei Perſonen ſich über einen Uſusfructus ſtritten, ſei es über den ganzen oder über einen Theil; ob die Römer hier die Austragung des Streits in einem Verfahren, wie es das natürlichſte war, zugelaſſen, und ob ſie die poſitive Behauptung des Beklagten hier contravindicatio ge- nannt haben, darüber wage ich eine Anſicht nicht zu äußern. Möglicherweiſe hatte die contravind. außer der im Bisheri- gen nachgewieſenen Bedeutung noch eine andere. Bildete ſie nämlich, wie es nach der Darſtellung von Gajus den Anſchein gewinnt, einen unerläßlichen Beſtandtheil des Verfahrens, war alſo der Beklagte ſtets genöthigt zu contravindiciren, ſo ergab ſich daraus für ihn die Alternative, entweder ſich ſelbſt das Ei- genthum anzumaßen, beziehungsweiſe ſich durch den angeblichen Eigenthümer, auf deſſen Namen er beſaß, vertreten zu laſſen, oder aber die Sache herauszugeben, und dieſe Annahme wird durch die Analogie der in jure cessio unterſtützt. 128) Eine befriedigende Erklärung erhält dieſer Contravindicationszwang jedoch erſt durch das für beide Theile beſtehende Requiſit der 127) Wenn Rudorff R. R. G. II. S. 131 auch bei ihnen von einer contravindic. ſpricht, ſo beruht das auf einem Verkennen des eigenthümlichen Weſens derſelben; offenbar meint er, daß der Widerſpruch des Beklagten bei in rem actiones ſchlechthin contravindicatio genannt worden ſei, während doch nur die poſitive Gegenbehauptung, nicht die bloße Negation auf dieſen Namen Anſpruch hatte. 128) Gaj. II. 24: praetor interrogat eum, qui cedit, an contra vin- dicet; quo negante aut tacente tunc ei, qui vindicaverit, eam rem ad- dicit. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 7

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/113>, abgerufen am 23.11.2024.