Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. des testamentum in comitiis calatis das testamentum in pro-cinctu gesetzt, und über die Soldaten übte der Feldherr wie die Straf- so auch die Civilgerichtsbarkeit. 929) Darin lag zugleich die freiwillige Gerichtsbarkeit, und sämmtliche durch in jure ces- sio zu vollziehenden Acte z. B. die Freilassung konnten mithin auch im Felde vorgenommen werden, so daß also nur die Arro- gation und die Eingehung oder Trennung der confarreirten Ehe für die Rückkunft nach Rom aufgespart werden mußten -- zwei Beschränkungen, die kaum ein Interesse hatten. Abgesehen von diesen beiden Modificationen mußte Jeder, Ganz anders aber stellte sich die Sache, als die Gränze des Theil erst aus späterer Zeit, s. Note 737. Wie man im römischen Leben die dargebotene Gelegenheit benutzte, darüber s. z. B. Plin. Epist. VII, 16, 32. 929) Gell. VII, 1 Val. Max. III, 7, 1. Liv. epit. lib 86. In welcher Proceßform? Die legis actio sacramento war, so wie sie uns geschildert wird, an Rom (B. 1 Note 187) und die Mitwirkung der Pontifices gebun- den. Bewegte sich der Proceß im Lager, wo es an Juristen von Fach fehlte, etwa in freieren Formen? Das möchte das Wahrscheinlichere sein. Der Proceß vor dem Feldherrn gehörte zur Klasse der judicia imperio continentia, d. h. derer welche mit dem imperium zusammenhängen (in diesem Sinn kommt continens sehr häufig vor, z. B. aedificia continentia, woran man mit Unrecht Anstoß genommen hat). Die judicia imperio continentia wer- den aber dem "lege aut judicio legitimo agere" entgegengesetzt. Ulp. XI, 27. Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 44
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. des testamentum in comitiis calatis das testamentum in pro-cinctu geſetzt, und über die Soldaten übte der Feldherr wie die Straf- ſo auch die Civilgerichtsbarkeit. 929) Darin lag zugleich die freiwillige Gerichtsbarkeit, und ſämmtliche durch in jure ces- sio zu vollziehenden Acte z. B. die Freilaſſung konnten mithin auch im Felde vorgenommen werden, ſo daß alſo nur die Arro- gation und die Eingehung oder Trennung der confarreirten Ehe für die Rückkunft nach Rom aufgeſpart werden mußten — zwei Beſchränkungen, die kaum ein Intereſſe hatten. Abgeſehen von dieſen beiden Modificationen mußte Jeder, Ganz anders aber ſtellte ſich die Sache, als die Gränze des Theil erſt aus ſpäterer Zeit, ſ. Note 737. Wie man im römiſchen Leben die dargebotene Gelegenheit benutzte, darüber ſ. z. B. Plin. Epist. VII, 16, 32. 929) Gell. VII, 1 Val. Max. III, 7, 1. Liv. epit. lib 86. In welcher Proceßform? Die legis actio sacramento war, ſo wie ſie uns geſchildert wird, an Rom (B. 1 Note 187) und die Mitwirkung der Pontifices gebun- den. Bewegte ſich der Proceß im Lager, wo es an Juriſten von Fach fehlte, etwa in freieren Formen? Das möchte das Wahrſcheinlichere ſein. Der Proceß vor dem Feldherrn gehörte zur Klaſſe der judicia imperio continentia, d. h. derer welche mit dem imperium zuſammenhängen (in dieſem Sinn kommt continens ſehr häufig vor, z. B. aedificia continentia, woran man mit Unrecht Anſtoß genommen hat). Die judicia imperio continentia wer- den aber dem „lege aut judicio legitimo agere“ entgegengeſetzt. Ulp. XI, 27. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 44
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des testamentum in comitiis calatis das testamentum in pro-
cinctu geſetzt, und über die Soldaten übte der Feldherr wie die
Straf- ſo auch die Civilgerichtsbarkeit. 929) Darin lag zugleich
die freiwillige Gerichtsbarkeit, und ſämmtliche durch in jure ces-
sio zu vollziehenden Acte z. B. die Freilaſſung konnten mithin
auch im Felde vorgenommen werden, ſo daß alſo nur die Arro-
gation und die Eingehung oder Trennung der confarreirten Ehe
für die Rückkunft nach Rom aufgeſpart werden mußten — zwei
Beſchränkungen, die kaum ein Intereſſe hatten.
Abgeſehen von dieſen beiden Modificationen mußte Jeder,
der eins der obigen Geſchäfte vollziehen wollte, ſich nach Rom
verfügen. So lange das römiſche Gebiet ſich auf einen kleinen
Umkreis beſchränkte, lag in dieſer Einrichtung keine nennens-
werthe Unbequemlichkeit. Wer kam nicht von Zeit zu Zeit in
die Stadt? Der Marktverkehr, der Gottesdienſt, die Spiele,
Feſte, die Volksverſammlungen u. ſ. w. gaben Anläſſe genug
dazu. Es war kaum ein anderes Verhältniß, als es auch heut-
zutage bei größeren Amtsbezirken Statt findet.
Ganz anders aber ſtellte ſich die Sache, als die Gränze des
Gebiets ſich weiter und weiter von Rom entfernte. Die Verfaſ-
ſung ſowohl wie das Privatrecht waren im weſentlichen berech-
net auf eine Stadt; konnte man ſie beibehalten für ein Reich?
928)
929) Gell. VII, 1 Val. Max. III, 7, 1. Liv. epit. lib 86. In welcher
Proceßform? Die legis actio sacramento war, ſo wie ſie uns geſchildert
wird, an Rom (B. 1 Note 187) und die Mitwirkung der Pontifices gebun-
den. Bewegte ſich der Proceß im Lager, wo es an Juriſten von Fach fehlte,
etwa in freieren Formen? Das möchte das Wahrſcheinlichere ſein. Der
Proceß vor dem Feldherrn gehörte zur Klaſſe der judicia imperio continentia,
d. h. derer welche mit dem imperium zuſammenhängen (in dieſem Sinn
kommt continens ſehr häufig vor, z. B. aedificia continentia, woran man
mit Unrecht Anſtoß genommen hat). Die judicia imperio continentia wer-
den aber dem „lege aut judicio legitimo agere“ entgegengeſetzt. Ulp.
XI, 27.
928) Theil erſt aus ſpäterer Zeit, ſ. Note 737. Wie man im römiſchen Leben die
dargebotene Gelegenheit benutzte, darüber ſ. z. B. Plin. Epist. VII, 16, 32.
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 44
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