Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. der Prätor, -- dieser beiden Umstände und ihres vortheilhaf-ten Einflusses ist bereits S. 506 gedacht. Einen dritten füge ich jetzt noch hinzu. Der gefährliche Act: die unabänderliche For- mulirung des Anspruches ward von dem Anfang des Processes in einen späteren Zeitpunkt verlegt. Der alte Proceß begann mit der Formel, d. h. der legis actio, der neuere schloß sein erstes Stadium mit ihr, die Formel ward erst concipirt, nachdem durch erschöpfende Verhandlung der Streitpunkt ins rechte Licht getreten, und dadurch die Gefahr eines Mißgriffs in der Formel ferner gerückt war. Die Formula setzte das Maß der Gefährlichkeit des Formulirens ungefähr auf denselben Punkt herab, auf dem es in dem Beweisinterlokut unseres heutigen Processes steht. Beide werden erst erlassen auf Grund vorgängiger Verhandlung und üben auf den ferneren Gang und die Gestaltung des Processes einen bestimmenden, formgebenden Einfluß aus, beide sind Sache der Obrigkeit, und bei beiden ist den Partheien Gelegenheit ge- geben, rechtzeitig auf die Formulirung einzuwirken. Dem Bisherigen nach hatte es also mit der von Gajus gel- Verschuldete dieser Umstand allein den Untergang des alten Actes, mit dem das Niedergeschriebene unabänderlich ward. Dieser Act war die Litiscontestatio. Im Legisactionen-Proceß war ein solches Bedürfniß nicht vorhanden; so wie das Wort gesprochen, war es bindend. 895) Cic. pro Mur. 12 .. quae dum erant occulta, necessario ab
eis, qui ea tenebant, petebantur. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. der Prätor, — dieſer beiden Umſtände und ihres vortheilhaf-ten Einfluſſes iſt bereits S. 506 gedacht. Einen dritten füge ich jetzt noch hinzu. Der gefährliche Act: die unabänderliche For- mulirung des Anſpruches ward von dem Anfang des Proceſſes in einen ſpäteren Zeitpunkt verlegt. Der alte Proceß begann mit der Formel, d. h. der legis actio, der neuere ſchloß ſein erſtes Stadium mit ihr, die Formel ward erſt concipirt, nachdem durch erſchöpfende Verhandlung der Streitpunkt ins rechte Licht getreten, und dadurch die Gefahr eines Mißgriffs in der Formel ferner gerückt war. Die Formula ſetzte das Maß der Gefährlichkeit des Formulirens ungefähr auf denſelben Punkt herab, auf dem es in dem Beweisinterlokut unſeres heutigen Proceſſes ſteht. Beide werden erſt erlaſſen auf Grund vorgängiger Verhandlung und üben auf den ferneren Gang und die Geſtaltung des Proceſſes einen beſtimmenden, formgebenden Einfluß aus, beide ſind Sache der Obrigkeit, und bei beiden iſt den Partheien Gelegenheit ge- geben, rechtzeitig auf die Formulirung einzuwirken. Dem Bisherigen nach hatte es alſo mit der von Gajus gel- Verſchuldete dieſer Umſtand allein den Untergang des alten Actes, mit dem das Niedergeſchriebene unabänderlich ward. Dieſer Act war die Litisconteſtatio. Im Legisactionen-Proceß war ein ſolches Bedürfniß nicht vorhanden; ſo wie das Wort geſprochen, war es bindend. 895) Cic. pro Mur. 12 .. quae dum erant occulta, necessario ab
eis, qui ea tenebant, petebantur. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0370" n="664"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> der <hi rendition="#g">Prätor</hi>, — dieſer beiden Umſtände und ihres vortheilhaf-<lb/> ten Einfluſſes iſt bereits S. 506 gedacht. Einen dritten füge ich<lb/> jetzt noch hinzu. Der gefährliche Act: die unabänderliche For-<lb/> mulirung des Anſpruches ward von dem Anfang des Proceſſes<lb/> in einen ſpäteren Zeitpunkt verlegt. Der alte Proceß <hi rendition="#g">begann</hi><lb/> mit der Formel, d. h. der <hi rendition="#aq">legis actio,</hi> der neuere <hi rendition="#g">ſchloß</hi> ſein<lb/> erſtes Stadium mit ihr, die Formel ward erſt concipirt, nachdem<lb/> durch erſchöpfende Verhandlung der Streitpunkt ins rechte Licht<lb/> getreten, und dadurch die Gefahr eines Mißgriffs in der Formel<lb/> ferner gerückt war. Die Formula ſetzte das Maß der Gefährlichkeit<lb/> des Formulirens ungefähr auf denſelben Punkt herab, auf dem es<lb/> in dem Beweisinterlokut unſeres heutigen Proceſſes ſteht. Beide<lb/> werden erſt erlaſſen auf Grund vorgängiger Verhandlung und<lb/> üben auf den ferneren Gang und die Geſtaltung des Proceſſes<lb/> einen beſtimmenden, formgebenden Einfluß aus, beide ſind Sache<lb/> der Obrigkeit, und bei beiden iſt den Partheien Gelegenheit ge-<lb/> geben, rechtzeitig auf die Formulirung einzuwirken.</p><lb/> <p>Dem Bisherigen nach hatte es alſo mit der von Gajus gel-<lb/> tend gemachten <hi rendition="#g">Gefährlichkeit</hi> des Legisactionen-Proceſſes<lb/> ſeine Richtigkeit, nur lag der Grund derſelben und mithin auch<lb/> die dagegen ſich erhebende Reaction nicht da, wo Gajus ſie ſucht:<lb/> in dem alten Formalismus als ſolchem, ſondern in der beſon-<lb/> dern Geſtalt und Richtung, in der das alte Verfahren das<lb/> Formelement zur Geltung gebracht hatte.</p><lb/> <p>Verſchuldete dieſer Umſtand allein den Untergang des alten<lb/> Proceſſes? Die alte Zeit wußte noch einen andern Uebelſtand<lb/> zu rügen: das Bannrecht, welches er dem Pontificalcollegium<lb/> gewährte, und die dadurch bewirkte Abhängigkeit des Volks von<lb/> letzterem <note place="foot" n="895)"><hi rendition="#aq">Cic. pro Mur. 12 .. quae dum erant occulta, necessario ab<lb/> eis, qui ea tenebant, petebantur</hi>.</note> (S. 418). Die Veröffentlichung der Formeln ließ<lb/><note xml:id="seg2pn_41_2" prev="#seg2pn_41_1" place="foot" n="894)">Actes, mit dem das Niedergeſchriebene <hi rendition="#g">unabänderlich</hi> ward. Dieſer Act<lb/> war die Litisconteſtatio. Im Legisactionen-Proceß war ein ſolches Bedürfniß<lb/> nicht vorhanden; ſo wie das Wort <hi rendition="#g">geſprochen</hi>, war es bindend.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [664/0370]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
der Prätor, — dieſer beiden Umſtände und ihres vortheilhaf-
ten Einfluſſes iſt bereits S. 506 gedacht. Einen dritten füge ich
jetzt noch hinzu. Der gefährliche Act: die unabänderliche For-
mulirung des Anſpruches ward von dem Anfang des Proceſſes
in einen ſpäteren Zeitpunkt verlegt. Der alte Proceß begann
mit der Formel, d. h. der legis actio, der neuere ſchloß ſein
erſtes Stadium mit ihr, die Formel ward erſt concipirt, nachdem
durch erſchöpfende Verhandlung der Streitpunkt ins rechte Licht
getreten, und dadurch die Gefahr eines Mißgriffs in der Formel
ferner gerückt war. Die Formula ſetzte das Maß der Gefährlichkeit
des Formulirens ungefähr auf denſelben Punkt herab, auf dem es
in dem Beweisinterlokut unſeres heutigen Proceſſes ſteht. Beide
werden erſt erlaſſen auf Grund vorgängiger Verhandlung und
üben auf den ferneren Gang und die Geſtaltung des Proceſſes
einen beſtimmenden, formgebenden Einfluß aus, beide ſind Sache
der Obrigkeit, und bei beiden iſt den Partheien Gelegenheit ge-
geben, rechtzeitig auf die Formulirung einzuwirken.
Dem Bisherigen nach hatte es alſo mit der von Gajus gel-
tend gemachten Gefährlichkeit des Legisactionen-Proceſſes
ſeine Richtigkeit, nur lag der Grund derſelben und mithin auch
die dagegen ſich erhebende Reaction nicht da, wo Gajus ſie ſucht:
in dem alten Formalismus als ſolchem, ſondern in der beſon-
dern Geſtalt und Richtung, in der das alte Verfahren das
Formelement zur Geltung gebracht hatte.
Verſchuldete dieſer Umſtand allein den Untergang des alten
Proceſſes? Die alte Zeit wußte noch einen andern Uebelſtand
zu rügen: das Bannrecht, welches er dem Pontificalcollegium
gewährte, und die dadurch bewirkte Abhängigkeit des Volks von
letzterem 895) (S. 418). Die Veröffentlichung der Formeln ließ
894)
895) Cic. pro Mur. 12 .. quae dum erant occulta, necessario ab
eis, qui ea tenebant, petebantur.
894) Actes, mit dem das Niedergeſchriebene unabänderlich ward. Dieſer Act
war die Litisconteſtatio. Im Legisactionen-Proceß war ein ſolches Bedürfniß
nicht vorhanden; ſo wie das Wort geſprochen, war es bindend.
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