Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. ters (im römischen Sinn, s. S. 80, 81) einzufinden, ein außer-gerichtlicher Act gewesen sei. Im Sacramentsproceß kam es seit der lex Pinaria nicht schon im ersten Termin zur Bestellung des Judicium, derselbe schloß vielmehr mit der Aufforderung sich nach dreißig Tagen zu dem letzten Zweck wieder einzufinden. Die Einführung der genannten Legisactio überhob nun die Par- theien dieses ersten Erscheinens vor Gericht, indem sie eine außer- gerichtliche Denunciation an dessen Stelle setzte, 890) und man braucht sich bloß den Fall zu denken, daß die Partheien einige Tagereisen weit von Rom entfernt wohnten, um sich von dem praktischen Werth dieser Neuerung zu überzeugen. Nach Schmidt hätten dieselben eine Reise nach Rom unternehmen müssen bloß zu dem Zweck, damit der Kläger jene Denunciation als "eigent- liche" legis actio, d. h. vor Gericht beschaffe, um nach Ausspre- chen der wenigen Worte den Rückmarsch anzutreten und sodann nach Ablauf der dreißig Tage sich zur wirklichen Verhandlung der Sache von neuem einzufinden! Nach Keller konnten sie ruhig zu Hause bleiben und sich mit einer außergerichtlichen condictio begnügen. Durfte Gajus das Verfahren, das in dieser Weise eingelei- Daß selbst der Lauf des Processes außergerichtliche Hand- 890) Der Einwand von Schmidt, daß Gaj. IV, 18 bei "ut adesset"
nicht "in jure" hinzufüge, erledigt sich durch die Bemerkung, erstens daß Gajus hier nicht die Formel der condictio mittheilt, und zweitens, daß ein vernünftiger Mensch sich "ad judicem capiendum" schwerlich irgendwo anders einfinden konnte, als vor dem Prätor. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. ters (im römiſchen Sinn, ſ. S. 80, 81) einzufinden, ein außer-gerichtlicher Act geweſen ſei. Im Sacramentsproceß kam es ſeit der lex Pinaria nicht ſchon im erſten Termin zur Beſtellung des Judicium, derſelbe ſchloß vielmehr mit der Aufforderung ſich nach dreißig Tagen zu dem letzten Zweck wieder einzufinden. Die Einführung der genannten Legisactio überhob nun die Par- theien dieſes erſten Erſcheinens vor Gericht, indem ſie eine außer- gerichtliche Denunciation an deſſen Stelle ſetzte, 890) und man braucht ſich bloß den Fall zu denken, daß die Partheien einige Tagereiſen weit von Rom entfernt wohnten, um ſich von dem praktiſchen Werth dieſer Neuerung zu überzeugen. Nach Schmidt hätten dieſelben eine Reiſe nach Rom unternehmen müſſen bloß zu dem Zweck, damit der Kläger jene Denunciation als „eigent- liche“ legis actio, d. h. vor Gericht beſchaffe, um nach Ausſpre- chen der wenigen Worte den Rückmarſch anzutreten und ſodann nach Ablauf der dreißig Tage ſich zur wirklichen Verhandlung der Sache von neuem einzufinden! Nach Keller konnten ſie ruhig zu Hauſe bleiben und ſich mit einer außergerichtlichen condictio begnügen. Durfte Gajus das Verfahren, das in dieſer Weiſe eingelei- Daß ſelbſt der Lauf des Proceſſes außergerichtliche Hand- 890) Der Einwand von Schmidt, daß Gaj. IV, 18 bei „ut adesset“
nicht „in jure“ hinzufüge, erledigt ſich durch die Bemerkung, erſtens daß Gajus hier nicht die Formel der condictio mittheilt, und zweitens, daß ein vernünftiger Menſch ſich „ad judicem capiendum“ ſchwerlich irgendwo anders einfinden konnte, als vor dem Prätor. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0366" n="660"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> ters (im römiſchen Sinn, ſ. S. 80, 81) einzufinden, ein außer-<lb/> gerichtlicher Act geweſen ſei. Im Sacramentsproceß kam es ſeit<lb/> der <hi rendition="#aq">lex Pinaria</hi> nicht ſchon im erſten Termin zur Beſtellung des<lb/> Judicium, derſelbe ſchloß vielmehr mit der Aufforderung ſich<lb/> nach dreißig Tagen zu dem letzten Zweck wieder einzufinden.<lb/> Die Einführung der genannten Legisactio überhob nun die Par-<lb/> theien dieſes erſten Erſcheinens vor Gericht, indem ſie eine außer-<lb/> gerichtliche Denunciation an deſſen Stelle ſetzte, <note place="foot" n="890)">Der Einwand von Schmidt, daß <hi rendition="#aq">Gaj. IV,</hi> 18 bei <hi rendition="#aq">„ut adesset“</hi><lb/> nicht <hi rendition="#aq">„in jure“</hi> hinzufüge, erledigt ſich durch die Bemerkung, <hi rendition="#g">erſtens</hi> daß<lb/> Gajus hier nicht die Formel der <hi rendition="#aq">condictio</hi> mittheilt, und zweitens, daß<lb/> ein vernünftiger Menſch ſich <hi rendition="#aq">„<hi rendition="#g">ad judicem capiendum</hi>“</hi> ſchwerlich<lb/> irgendwo anders einfinden konnte, als vor dem Prätor.</note> und man<lb/> braucht ſich bloß den Fall zu denken, daß die Partheien einige<lb/> Tagereiſen weit von Rom entfernt wohnten, um ſich von dem<lb/> praktiſchen Werth dieſer Neuerung zu überzeugen. Nach Schmidt<lb/> hätten dieſelben eine Reiſe nach Rom unternehmen müſſen bloß<lb/> zu dem Zweck, damit der Kläger jene Denunciation als „eigent-<lb/> liche“ <hi rendition="#aq">legis actio,</hi> d. h. vor Gericht beſchaffe, um nach Ausſpre-<lb/> chen der wenigen Worte den Rückmarſch anzutreten und ſodann<lb/> nach Ablauf der dreißig Tage ſich zur wirklichen Verhandlung<lb/> der Sache von neuem einzufinden! Nach Keller konnten ſie ruhig<lb/> zu Hauſe bleiben und ſich mit einer außergerichtlichen <hi rendition="#aq">condictio</hi><lb/> begnügen.</p><lb/> <p>Durfte Gajus das Verfahren, das in dieſer Weiſe eingelei-<lb/> tet ward, als ein gerichtliches bezeichnen? Ich meine, mit dem-<lb/> ſelben Recht, als die <hi rendition="#aq">legis actio sacramento</hi> und <hi rendition="#aq">per manus<lb/> injectionem.</hi> Auch ſie begannen mit einem außergerichtlichen<lb/> Act, jene mit der <hi rendition="#aq">in jus vocatio,</hi> dieſe mit der außergerichtlichen<lb/><hi rendition="#aq">manus injectio.</hi></p><lb/> <p>Daß ſelbſt der <hi rendition="#g">Lauf</hi> des Proceſſes außergerichtliche Hand-<lb/> lungen nicht ausſchloß, dafür liefert das <hi rendition="#aq">manum conserere</hi> in<lb/> ſeiner ſpätern Geſtalt (S. 600) den Beweis. Auch hier wie-<lb/> derholt ſich die Correſpondenz zwiſchen den Worten des Geſetzes<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [660/0366]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
ters (im römiſchen Sinn, ſ. S. 80, 81) einzufinden, ein außer-
gerichtlicher Act geweſen ſei. Im Sacramentsproceß kam es ſeit
der lex Pinaria nicht ſchon im erſten Termin zur Beſtellung des
Judicium, derſelbe ſchloß vielmehr mit der Aufforderung ſich
nach dreißig Tagen zu dem letzten Zweck wieder einzufinden.
Die Einführung der genannten Legisactio überhob nun die Par-
theien dieſes erſten Erſcheinens vor Gericht, indem ſie eine außer-
gerichtliche Denunciation an deſſen Stelle ſetzte, 890) und man
braucht ſich bloß den Fall zu denken, daß die Partheien einige
Tagereiſen weit von Rom entfernt wohnten, um ſich von dem
praktiſchen Werth dieſer Neuerung zu überzeugen. Nach Schmidt
hätten dieſelben eine Reiſe nach Rom unternehmen müſſen bloß
zu dem Zweck, damit der Kläger jene Denunciation als „eigent-
liche“ legis actio, d. h. vor Gericht beſchaffe, um nach Ausſpre-
chen der wenigen Worte den Rückmarſch anzutreten und ſodann
nach Ablauf der dreißig Tage ſich zur wirklichen Verhandlung
der Sache von neuem einzufinden! Nach Keller konnten ſie ruhig
zu Hauſe bleiben und ſich mit einer außergerichtlichen condictio
begnügen.
Durfte Gajus das Verfahren, das in dieſer Weiſe eingelei-
tet ward, als ein gerichtliches bezeichnen? Ich meine, mit dem-
ſelben Recht, als die legis actio sacramento und per manus
injectionem. Auch ſie begannen mit einem außergerichtlichen
Act, jene mit der in jus vocatio, dieſe mit der außergerichtlichen
manus injectio.
Daß ſelbſt der Lauf des Proceſſes außergerichtliche Hand-
lungen nicht ausſchloß, dafür liefert das manum conserere in
ſeiner ſpätern Geſtalt (S. 600) den Beweis. Auch hier wie-
derholt ſich die Correſpondenz zwiſchen den Worten des Geſetzes
890) Der Einwand von Schmidt, daß Gaj. IV, 18 bei „ut adesset“
nicht „in jure“ hinzufüge, erledigt ſich durch die Bemerkung, erſtens daß
Gajus hier nicht die Formel der condictio mittheilt, und zweitens, daß
ein vernünftiger Menſch ſich „ad judicem capiendum“ ſchwerlich
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