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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
auch hier wird der Verlesung gedacht. 809) Aus späterer Zeit
nenne ich noch das richterliche Urtheil, welches zwar schriftlich
ertheilt, aber daneben bei Strafe der Nichtigkeit verlesen
werden mußte. 810) Ist die Annahme gewagt, zu der ich mich
bereits S. 13 Note 6 von einem andern Gesichtspunkte aus
gedrungen fühlte, daß dasselbe ursprünglich auch beim Manci-
pationstestament der Fall gewesen? Doch verkenne ich nicht,
daß wenn irgendwo, gerade bei diesem Rechtsgeschäft am
ersten eine Abweichung zugelassen worden sein mag, und man
möge dieselbe immerhin in die gegenwärtige Periode setzen, un-
sere obige Behauptung, daß alle Rechtsgeschäfte mündlich
abgeschlossen werden mußten, erleidet dadurch keine Einschrän-
kung -- auch das Testament ward juristisch mündlich er-
richtet.

Dagegen scheint ein anderes Geschäft: der Literalcon-
tract
, der allerdings bereits der gegenwärtigen Periode, wenn
auch erst der zweiten Hälfte angehört, 811) mit ihr sich schlechter-
dings nicht zu vereinigen.

Allein der Literalcontract war von Haus aus nichts anderes,
als die von beiden Partheien bewerkstelligte Eintragung einer
auf andere Weise begründeten Geldschuld, wie dies aus den
dabei gebrauchten Ausdrücken: expensum und acceptum ferre
unzweideutig hervorgeht, also seiner ursprünglichen Tendenz
und seinem Aeußern nach nichts weiter als ein Beweismit-
tel
. Aber freilich: so wie man der Eintragung absolute Be-
weiskraft einräumte, war damit mittelbar eine selbständige,
d. h. von dem Abschluß eines andern Contracts, namentlich
eines Darlehns unabhängige Art sich zu verpflichten gewon-

809) Val. Max. IV, 1 §. 10: Sueton. Aug. c. 97. Apulej. Metam.
lib. XI (ed. Bip. p. 257) de libro, de literis fausta vota praefatus.
810) L. 1. 2. 3 Cod. de sent. ex peric. (7. 44).
811) Wenn sonst das: nomina transscribere bei Liv. XXXVII (a. 559)
im technischen Sinn gemeint ist (Gaj. III, 130), worüber man noch streiten
könnte.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
auch hier wird der Verleſung gedacht. 809) Aus ſpäterer Zeit
nenne ich noch das richterliche Urtheil, welches zwar ſchriftlich
ertheilt, aber daneben bei Strafe der Nichtigkeit verleſen
werden mußte. 810) Iſt die Annahme gewagt, zu der ich mich
bereits S. 13 Note 6 von einem andern Geſichtspunkte aus
gedrungen fühlte, daß daſſelbe urſprünglich auch beim Manci-
pationsteſtament der Fall geweſen? Doch verkenne ich nicht,
daß wenn irgendwo, gerade bei dieſem Rechtsgeſchäft am
erſten eine Abweichung zugelaſſen worden ſein mag, und man
möge dieſelbe immerhin in die gegenwärtige Periode ſetzen, un-
ſere obige Behauptung, daß alle Rechtsgeſchäfte mündlich
abgeſchloſſen werden mußten, erleidet dadurch keine Einſchrän-
kung — auch das Teſtament ward juriſtiſch mündlich er-
richtet.

Dagegen ſcheint ein anderes Geſchäft: der Literalcon-
tract
, der allerdings bereits der gegenwärtigen Periode, wenn
auch erſt der zweiten Hälfte angehört, 811) mit ihr ſich ſchlechter-
dings nicht zu vereinigen.

Allein der Literalcontract war von Haus aus nichts anderes,
als die von beiden Partheien bewerkſtelligte Eintragung einer
auf andere Weiſe begründeten Geldſchuld, wie dies aus den
dabei gebrauchten Ausdrücken: expensum und acceptum ferre
unzweideutig hervorgeht, alſo ſeiner urſprünglichen Tendenz
und ſeinem Aeußern nach nichts weiter als ein Beweismit-
tel
. Aber freilich: ſo wie man der Eintragung abſolute Be-
weiskraft einräumte, war damit mittelbar eine ſelbſtändige,
d. h. von dem Abſchluß eines andern Contracts, namentlich
eines Darlehns unabhängige Art ſich zu verpflichten gewon-

809) Val. Max. IV, 1 §. 10: Sueton. Aug. c. 97. Apulej. Metam.
lib. XI (ed. Bip. p. 257) de libro, de literis fausta vota praefatus.
810) L. 1. 2. 3 Cod. de sent. ex peric. (7. 44).
811) Wenn ſonſt das: nomina transscribere bei Liv. XXXVII (a. 559)
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[620/0326] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. auch hier wird der Verleſung gedacht. 809) Aus ſpäterer Zeit nenne ich noch das richterliche Urtheil, welches zwar ſchriftlich ertheilt, aber daneben bei Strafe der Nichtigkeit verleſen werden mußte. 810) Iſt die Annahme gewagt, zu der ich mich bereits S. 13 Note 6 von einem andern Geſichtspunkte aus gedrungen fühlte, daß daſſelbe urſprünglich auch beim Manci- pationsteſtament der Fall geweſen? Doch verkenne ich nicht, daß wenn irgendwo, gerade bei dieſem Rechtsgeſchäft am erſten eine Abweichung zugelaſſen worden ſein mag, und man möge dieſelbe immerhin in die gegenwärtige Periode ſetzen, un- ſere obige Behauptung, daß alle Rechtsgeſchäfte mündlich abgeſchloſſen werden mußten, erleidet dadurch keine Einſchrän- kung — auch das Teſtament ward juriſtiſch mündlich er- richtet. Dagegen ſcheint ein anderes Geſchäft: der Literalcon- tract, der allerdings bereits der gegenwärtigen Periode, wenn auch erſt der zweiten Hälfte angehört, 811) mit ihr ſich ſchlechter- dings nicht zu vereinigen. Allein der Literalcontract war von Haus aus nichts anderes, als die von beiden Partheien bewerkſtelligte Eintragung einer auf andere Weiſe begründeten Geldſchuld, wie dies aus den dabei gebrauchten Ausdrücken: expensum und acceptum ferre unzweideutig hervorgeht, alſo ſeiner urſprünglichen Tendenz und ſeinem Aeußern nach nichts weiter als ein Beweismit- tel. Aber freilich: ſo wie man der Eintragung abſolute Be- weiskraft einräumte, war damit mittelbar eine ſelbſtändige, d. h. von dem Abſchluß eines andern Contracts, namentlich eines Darlehns unabhängige Art ſich zu verpflichten gewon- 809) Val. Max. IV, 1 §. 10: Sueton. Aug. c. 97. Apulej. Metam. lib. XI (ed. Bip. p. 257) de libro, de literis fausta vota praefatus. 810) L. 1. 2. 3 Cod. de sent. ex peric. (7. 44). 811) Wenn ſonſt das: nomina transscribere bei Liv. XXXVII (a. 559) im techniſchen Sinn gemeint iſt (Gaj. III, 130), worüber man noch ſtreiten könnte.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/326>, abgerufen am 22.11.2024.