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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
Der Sitte des Haarscheerens liegt wohl der Gedanke zu Grunde,
daß der Freigewordene damit Alles, was ihm aus der Zeit der
Gefangenschaft anklebt, gründlich abthue. Bänder drücken
die friedliche Stimmung aus -- offenbar als Zeichen des fest-
lichen Schmuckes 756) -- das heilige Kraut (sagmina) in
den Händen der Gesandten die Unantastbarkeit. Feuer und
Wasser sind die Symbole der religiösen Gemeinschaft (B. 1
S. 275), das Brod das der häuslichen, daher die Anwen-
dung beider bei Eingehung der confarreirten Ehe. Das Haus
des Mannes ist der natürliche Aufenthaltsort der Frau, und
darum bedarf es bei Eingehung der Ehe der feierlichen Einfüh-
rung der Neuvermählten in das Haus des Mannes (deductio in
domum
); durch Abwesenheit vom Hause während dreier Nächte
unterbricht sie die Ersitzung der Manus. Die Uebergabe der
Schlüssel an sie bedeutet die Abtretung, die Rückforderung
derselben die Entziehung ihres häuslichen Regiments d. h. die
Ehescheidung. Das Tragen einer leeren Schüssel (lanx) soll
bei der Haussuchung nach gestohlenen Sachen das Suchen
ausdrücken; um den Suchenden zu verhindern, die Sache
heimlich mit einzubringen, darf er mit nichts bekleidet sein, als
einem Schurzfell (linteum). Das Abbrechen eines Zweiges
gilt als Besitzesstörung zum Zweck der Unterbrechung der Usu-
capion, 757) das Werfen eines Steines als Zeichen der Ein-

lich auf die corona militum, ward aber später als Kranz verstanden -- ein
Seitenstück zu den vielen etymologischen Mythen des römischen Alterthums,
Schwegler Röm. Geschichte Bd. I S. 70. Sklaven, die übers Meer nach
Rom gebracht waren, wurden bei ihrer Ausstellung zum Verkauf an den
Füßen mit Gyps bezeichnet, Brisson. VI c. 10.
756) Roßbach a. a. O. S. 288: "Die Pontifices, die Ambarval-
brüder, die Flamines schmücken sich damit, Opferthieren werden sie um den
Kopf gehängt, Schutzsuchende tragen sie auf dem Haupt und an ihren Stä-
ben, sie hängen an den Altären und Pforten der Tempel, auch die Thüren
der Privathäuser werden bei feierlichen Gelegenheiten damit geschmückt."
757) Cicero de orat. III, 28: ut ex jure civili surculo defringendo
usurpare videatur.
Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 38

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
Der Sitte des Haarſcheerens liegt wohl der Gedanke zu Grunde,
daß der Freigewordene damit Alles, was ihm aus der Zeit der
Gefangenſchaft anklebt, gründlich abthue. Bänder drücken
die friedliche Stimmung aus — offenbar als Zeichen des feſt-
lichen Schmuckes 756) — das heilige Kraut (sagmina) in
den Händen der Geſandten die Unantaſtbarkeit. Feuer und
Waſſer ſind die Symbole der religiöſen Gemeinſchaft (B. 1
S. 275), das Brod das der häuslichen, daher die Anwen-
dung beider bei Eingehung der confarreirten Ehe. Das Haus
des Mannes iſt der natürliche Aufenthaltsort der Frau, und
darum bedarf es bei Eingehung der Ehe der feierlichen Einfüh-
rung der Neuvermählten in das Haus des Mannes (deductio in
domum
); durch Abweſenheit vom Hauſe während dreier Nächte
unterbricht ſie die Erſitzung der Manus. Die Uebergabe der
Schlüſſel an ſie bedeutet die Abtretung, die Rückforderung
derſelben die Entziehung ihres häuslichen Regiments d. h. die
Eheſcheidung. Das Tragen einer leeren Schüſſel (lanx) ſoll
bei der Hausſuchung nach geſtohlenen Sachen das Suchen
ausdrücken; um den Suchenden zu verhindern, die Sache
heimlich mit einzubringen, darf er mit nichts bekleidet ſein, als
einem Schurzfell (linteum). Das Abbrechen eines Zweiges
gilt als Beſitzesſtörung zum Zweck der Unterbrechung der Uſu-
capion, 757) das Werfen eines Steines als Zeichen der Ein-

lich auf die corona militum, ward aber ſpäter als Kranz verſtanden — ein
Seitenſtück zu den vielen etymologiſchen Mythen des römiſchen Alterthums,
Schwegler Röm. Geſchichte Bd. I S. 70. Sklaven, die übers Meer nach
Rom gebracht waren, wurden bei ihrer Ausſtellung zum Verkauf an den
Füßen mit Gyps bezeichnet, Brisson. VI c. 10.
756) Roßbach a. a. O. S. 288: „Die Pontifices, die Ambarval-
brüder, die Flamines ſchmücken ſich damit, Opferthieren werden ſie um den
Kopf gehängt, Schutzſuchende tragen ſie auf dem Haupt und an ihren Stä-
ben, ſie hängen an den Altären und Pforten der Tempel, auch die Thüren
der Privathäuſer werden bei feierlichen Gelegenheiten damit geſchmückt.“
757) Cicero de orat. III, 28: ut ex jure civili surculo defringendo
usurpare videatur.
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[593/0299] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Der Sitte des Haarſcheerens liegt wohl der Gedanke zu Grunde, daß der Freigewordene damit Alles, was ihm aus der Zeit der Gefangenſchaft anklebt, gründlich abthue. Bänder drücken die friedliche Stimmung aus — offenbar als Zeichen des feſt- lichen Schmuckes 756) — das heilige Kraut (sagmina) in den Händen der Geſandten die Unantaſtbarkeit. Feuer und Waſſer ſind die Symbole der religiöſen Gemeinſchaft (B. 1 S. 275), das Brod das der häuslichen, daher die Anwen- dung beider bei Eingehung der confarreirten Ehe. Das Haus des Mannes iſt der natürliche Aufenthaltsort der Frau, und darum bedarf es bei Eingehung der Ehe der feierlichen Einfüh- rung der Neuvermählten in das Haus des Mannes (deductio in domum); durch Abweſenheit vom Hauſe während dreier Nächte unterbricht ſie die Erſitzung der Manus. Die Uebergabe der Schlüſſel an ſie bedeutet die Abtretung, die Rückforderung derſelben die Entziehung ihres häuslichen Regiments d. h. die Eheſcheidung. Das Tragen einer leeren Schüſſel (lanx) ſoll bei der Hausſuchung nach geſtohlenen Sachen das Suchen ausdrücken; um den Suchenden zu verhindern, die Sache heimlich mit einzubringen, darf er mit nichts bekleidet ſein, als einem Schurzfell (linteum). Das Abbrechen eines Zweiges gilt als Beſitzesſtörung zum Zweck der Unterbrechung der Uſu- capion, 757) das Werfen eines Steines als Zeichen der Ein- 755) 756) Roßbach a. a. O. S. 288: „Die Pontifices, die Ambarval- brüder, die Flamines ſchmücken ſich damit, Opferthieren werden ſie um den Kopf gehängt, Schutzſuchende tragen ſie auf dem Haupt und an ihren Stä- ben, ſie hängen an den Altären und Pforten der Tempel, auch die Thüren der Privathäuſer werden bei feierlichen Gelegenheiten damit geſchmückt.“ 757) Cicero de orat. III, 28: ut ex jure civili surculo defringendo usurpare videatur. 755) lich auf die corona militum, ward aber ſpäter als Kranz verſtanden — ein Seitenſtück zu den vielen etymologiſchen Mythen des römiſchen Alterthums, Schwegler Röm. Geſchichte Bd. I S. 70. Sklaven, die übers Meer nach Rom gebracht waren, wurden bei ihrer Ausſtellung zum Verkauf an den Füßen mit Gyps bezeichnet, Brisson. VI c. 10. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 38

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/299>, abgerufen am 22.11.2024.