Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. sive. Die Hinzufügung eines dies und einer conditio, bei denandern beiden Geschäften ausgeschlossen, war bei der Stipula- tion, wie das die Natur eines promissorischen, also auf die Zu- kunft gerichteten Vertrages mit sich bringt, durchaus zulässig, und gerade der Zulässigkeit der Bedingung verdankte die Stipulation zum wesentlichen Theil den hohen Grad ihrer Brauchbarkeit. Mittelst ihrer nämlich ward es möglich, indirect alle gedenk- baren Gegenstände, Leistungen u. s. w. in den Bereich der Obligation zu ziehen, der Stipulation die weiteste Ausdehnung zu geben. Die einfache Formel war: versprichst Du die und die Summe, wenn Du dies und das gethan oder nicht gethan hast? Unter dieser letzteren Rubrik (in conditione positum) hatte alles und jedes Platz; die einzige Gränze war das Un- erlaubte, sei es der Handlung selbst oder der Tendenz des Ver- trages. In einem Recht, wo alle erlaubten Beredungen klagbar d. h. direct erzwingbar sind, ist der Werth dieser indirecten Er- zwingung um etwas verringert. Allein wo, wie im alten Recht, zwischen dem Klagbaren und dem Unerlaubten die große Menge der zwar erlaubten, aber nicht direct erzwingbaren Leistungen in der Mitte lag, wo, wie ich andern Orts nachzuweisen hoffe, Obligationen auf ein bloßes Thun als solches (d. h. insofern es nicht eine Sache zum Gegenstand hatte, ein Geben war) noch keine Anerkennung gefunden hatten, war der Werth dieses Mittels ein unschätzbarer. Ich führe zunächst nur dies eine Beispiel an, 749) ein weiteres Eingehen auf die praktische Ver- werthung der Bedingung muß ich mir für eine andere Stelle vorbehalten. An der gegenwärtigen, wo es sich im wesentlichen nur um die Form der Stipulation handelt, muß ich überhaupt eine nähere Erörterung ihres sachlichen Wesens ablehnen. 749) Ueber die Conventionalpön in Anwendung auf präventive Fest-
stellung des Interesses s. S. 113. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. ſive. Die Hinzufügung eines dies und einer conditio, bei denandern beiden Geſchäften ausgeſchloſſen, war bei der Stipula- tion, wie das die Natur eines promiſſoriſchen, alſo auf die Zu- kunft gerichteten Vertrages mit ſich bringt, durchaus zuläſſig, und gerade der Zuläſſigkeit der Bedingung verdankte die Stipulation zum weſentlichen Theil den hohen Grad ihrer Brauchbarkeit. Mittelſt ihrer nämlich ward es möglich, indirect alle gedenk- baren Gegenſtände, Leiſtungen u. ſ. w. in den Bereich der Obligation zu ziehen, der Stipulation die weiteſte Ausdehnung zu geben. Die einfache Formel war: verſprichſt Du die und die Summe, wenn Du dies und das gethan oder nicht gethan haſt? Unter dieſer letzteren Rubrik (in conditione positum) hatte alles und jedes Platz; die einzige Gränze war das Un- erlaubte, ſei es der Handlung ſelbſt oder der Tendenz des Ver- trages. In einem Recht, wo alle erlaubten Beredungen klagbar d. h. direct erzwingbar ſind, iſt der Werth dieſer indirecten Er- zwingung um etwas verringert. Allein wo, wie im alten Recht, zwiſchen dem Klagbaren und dem Unerlaubten die große Menge der zwar erlaubten, aber nicht direct erzwingbaren Leiſtungen in der Mitte lag, wo, wie ich andern Orts nachzuweiſen hoffe, Obligationen auf ein bloßes Thun als ſolches (d. h. inſofern es nicht eine Sache zum Gegenſtand hatte, ein Geben war) noch keine Anerkennung gefunden hatten, war der Werth dieſes Mittels ein unſchätzbarer. Ich führe zunächſt nur dies eine Beiſpiel an, 749) ein weiteres Eingehen auf die praktiſche Ver- werthung der Bedingung muß ich mir für eine andere Stelle vorbehalten. An der gegenwärtigen, wo es ſich im weſentlichen nur um die Form der Stipulation handelt, muß ich überhaupt eine nähere Erörterung ihres ſachlichen Weſens ablehnen. 749) Ueber die Conventionalpön in Anwendung auf präventive Feſt-
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ſive. Die Hinzufügung eines dies und einer conditio, bei den
andern beiden Geſchäften ausgeſchloſſen, war bei der Stipula-
tion, wie das die Natur eines promiſſoriſchen, alſo auf die Zu-
kunft gerichteten Vertrages mit ſich bringt, durchaus zuläſſig, und
gerade der Zuläſſigkeit der Bedingung verdankte die Stipulation
zum weſentlichen Theil den hohen Grad ihrer Brauchbarkeit.
Mittelſt ihrer nämlich ward es möglich, indirect alle gedenk-
baren Gegenſtände, Leiſtungen u. ſ. w. in den Bereich der
Obligation zu ziehen, der Stipulation die weiteſte Ausdehnung
zu geben. Die einfache Formel war: verſprichſt Du die und
die Summe, wenn Du dies und das gethan oder nicht gethan
haſt? Unter dieſer letzteren Rubrik (in conditione positum)
hatte alles und jedes Platz; die einzige Gränze war das Un-
erlaubte, ſei es der Handlung ſelbſt oder der Tendenz des Ver-
trages. In einem Recht, wo alle erlaubten Beredungen klagbar
d. h. direct erzwingbar ſind, iſt der Werth dieſer indirecten Er-
zwingung um etwas verringert. Allein wo, wie im alten Recht,
zwiſchen dem Klagbaren und dem Unerlaubten die große Menge
der zwar erlaubten, aber nicht direct erzwingbaren Leiſtungen in
der Mitte lag, wo, wie ich andern Orts nachzuweiſen hoffe,
Obligationen auf ein bloßes Thun als ſolches (d. h. inſofern
es nicht eine Sache zum Gegenſtand hatte, ein Geben war)
noch keine Anerkennung gefunden hatten, war der Werth dieſes
Mittels ein unſchätzbarer. Ich führe zunächſt nur dies eine
Beiſpiel an, 749) ein weiteres Eingehen auf die praktiſche Ver-
werthung der Bedingung muß ich mir für eine andere Stelle
vorbehalten. An der gegenwärtigen, wo es ſich im weſentlichen
nur um die Form der Stipulation handelt, muß ich überhaupt
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