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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
weichung beim Testament? Vielleicht von dem Satz der XII
Tafeln: uti legassit super pecunia tutelave suae rei, ita jus
esto,
denn ein "legare" erforderte ein Sprechen. Viel-
leicht war sogar die nuncupatio testamenti nichts, als die aus
der ehemaligen Form der Testamentserrichtung in die neuere
hinübergegangene Ansprache ans Volk (... itaque vos,
Quirites, testimonium mihi perhibetote
) 731), jedenfalls aber
steht fest, daß die Nothwendigkeit einer nuncupatio des
Mancipanten nur für die Testamentserrichtung bezeugt ist,
und es wird nicht zu kühn sein, darin eine Besonderheit dieses
Actes zu erblicken.

Es verbleiben uns schließlich noch die verschiedenen An-
wendungsfälle
der mancipatio. Es lassen sich im ganzen
nach der Verschiedenheit des durch sie zu begründenden Rechts
fünf unterscheiden, nämlich die mancipatio in Anwendung
1. auf das Eigenthum, 2. die Rusticalservituten
(beziehungsweise die vier ältesten Species derselben: iter, via,
actus, aquaeductus
), 3. die Begründung der manus (coem-
tio),
4. das mancipium und 5. das Erbrecht. Alle diese
Fälle haben ihr mehr oder minder Eigenthümliches. Wenn der
dritte und vierte dem ersten, den wir als den eigentlichen Ty-
pus betrachten dürfen, in der Beziehung am nächsten stehen,
daß bei ihnen wenn auch keine Sache, so doch noch ein sicht-
barer und faßbarer Gegenstand vorhanden ist, so weichen sie
darin von ihm ab, daß im vierten das verliehene Recht, ganz
abgesehen von der mancipatio fiduciae causa, regelmäßig 732)
eine vorübergehende Dauer hat, praktisch mehr der Miethe, als

731) Hierzu stimmt denn auch die Art, wie Ulp. XX, 9 die Sache dar-
stellt: in testamento, quod per aes et libram fit, duae res aguntur,
familiae mancipatio et nuncupatio testamenti.
Ebenso Gaj. II, 116.
Diese nuncupatio gehört demnach nicht mehr zu der mancipatio,
sie ist etwas außer und neben ihr, während die nuncupatio bei der
gewöhnlichen mancipatio einen integrirenden Bestandtheil derselben bildet.
732) Gaj. I, 140. S. oben S. 190.
Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 37

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
weichung beim Teſtament? Vielleicht von dem Satz der XII
Tafeln: uti legassit super pecunia tutelave suae rei, ita jus
esto,
denn ein „legare“ erforderte ein Sprechen. Viel-
leicht war ſogar die nuncupatio testamenti nichts, als die aus
der ehemaligen Form der Teſtamentserrichtung in die neuere
hinübergegangene Anſprache ans Volk (… itaque vos,
Quirites, testimonium mihi perhibetote
) 731), jedenfalls aber
ſteht feſt, daß die Nothwendigkeit einer nuncupatio des
Mancipanten nur für die Teſtamentserrichtung bezeugt iſt,
und es wird nicht zu kühn ſein, darin eine Beſonderheit dieſes
Actes zu erblicken.

Es verbleiben uns ſchließlich noch die verſchiedenen An-
wendungsfälle
der mancipatio. Es laſſen ſich im ganzen
nach der Verſchiedenheit des durch ſie zu begründenden Rechts
fünf unterſcheiden, nämlich die mancipatio in Anwendung
1. auf das Eigenthum, 2. die Ruſticalſervituten
(beziehungsweiſe die vier älteſten Species derſelben: iter, via,
actus, aquaeductus
), 3. die Begründung der manus (coem-
tio),
4. das mancipium und 5. das Erbrecht. Alle dieſe
Fälle haben ihr mehr oder minder Eigenthümliches. Wenn der
dritte und vierte dem erſten, den wir als den eigentlichen Ty-
pus betrachten dürfen, in der Beziehung am nächſten ſtehen,
daß bei ihnen wenn auch keine Sache, ſo doch noch ein ſicht-
barer und faßbarer Gegenſtand vorhanden iſt, ſo weichen ſie
darin von ihm ab, daß im vierten das verliehene Recht, ganz
abgeſehen von der mancipatio fiduciae causa, regelmäßig 732)
eine vorübergehende Dauer hat, praktiſch mehr der Miethe, als

731) Hierzu ſtimmt denn auch die Art, wie Ulp. XX, 9 die Sache dar-
ſtellt: in testamento, quod per aes et libram fit, duae res aguntur,
familiae mancipatio et nuncupatio testamenti.
Ebenſo Gaj. II, 116.
Dieſe nuncupatio gehört demnach nicht mehr zu der mancipatio,
ſie iſt etwas außer und neben ihr, während die nuncupatio bei der
gewöhnlichen mancipatio einen integrirenden Beſtandtheil derſelben bildet.
732) Gaj. I, 140. S. oben S. 190.
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 37
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[577/0283] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. weichung beim Teſtament? Vielleicht von dem Satz der XII Tafeln: uti legassit super pecunia tutelave suae rei, ita jus esto, denn ein „legare“ erforderte ein Sprechen. Viel- leicht war ſogar die nuncupatio testamenti nichts, als die aus der ehemaligen Form der Teſtamentserrichtung in die neuere hinübergegangene Anſprache ans Volk (… itaque vos, Quirites, testimonium mihi perhibetote) 731), jedenfalls aber ſteht feſt, daß die Nothwendigkeit einer nuncupatio des Mancipanten nur für die Teſtamentserrichtung bezeugt iſt, und es wird nicht zu kühn ſein, darin eine Beſonderheit dieſes Actes zu erblicken. Es verbleiben uns ſchließlich noch die verſchiedenen An- wendungsfälle der mancipatio. Es laſſen ſich im ganzen nach der Verſchiedenheit des durch ſie zu begründenden Rechts fünf unterſcheiden, nämlich die mancipatio in Anwendung 1. auf das Eigenthum, 2. die Ruſticalſervituten (beziehungsweiſe die vier älteſten Species derſelben: iter, via, actus, aquaeductus), 3. die Begründung der manus (coem- tio), 4. das mancipium und 5. das Erbrecht. Alle dieſe Fälle haben ihr mehr oder minder Eigenthümliches. Wenn der dritte und vierte dem erſten, den wir als den eigentlichen Ty- pus betrachten dürfen, in der Beziehung am nächſten ſtehen, daß bei ihnen wenn auch keine Sache, ſo doch noch ein ſicht- barer und faßbarer Gegenſtand vorhanden iſt, ſo weichen ſie darin von ihm ab, daß im vierten das verliehene Recht, ganz abgeſehen von der mancipatio fiduciae causa, regelmäßig 732) eine vorübergehende Dauer hat, praktiſch mehr der Miethe, als 731) Hierzu ſtimmt denn auch die Art, wie Ulp. XX, 9 die Sache dar- ſtellt: in testamento, quod per aes et libram fit, duae res aguntur, familiae mancipatio et nuncupatio testamenti. Ebenſo Gaj. II, 116. Dieſe nuncupatio gehört demnach nicht mehr zu der mancipatio, ſie iſt etwas außer und neben ihr, während die nuncupatio bei der gewöhnlichen mancipatio einen integrirenden Beſtandtheil derſelben bildet. 732) Gaj. I, 140. S. oben S. 190. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 37

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/283>, abgerufen am 24.11.2024.