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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
lich; sie widerstreitet allem, was uns über die mancipatio ge-
lehrt wird. Da bliebe denn nur der Ausweg anzunehmen, daß
die Scheinzahlung erst nach den XII Tafeln und eben unter
dem Einfluß jener Bestimmung, um nämlich dem aufgestellten
Requisit zu genügen und bei dem Beweise des Eigenthums die
Frage von der Zahlung des Preises völlig abzuschneiden, in
die Mancipation gekommen sei. Die Form dieser Scheinzah-
lung ergab sich von selbst. Wirkliche Zahlungen bewerkstel-
ligte man damals nicht mehr durch Wägen, sondern durch Zäh-
len, das Wägen, die aes et libra, galt schon damals als Aus-
druck einer bloßen Scheinzahlung, aber als einer vom Civil-
recht für wirksam anerkannten. So nahm man denn
die aes et libra vom Nexum hinüber, dem einzigen Verhältniß,
bei dem sie sich damals noch erhalten. Eine Unterstützung fin-
det diese Hypothese in der Composition des Mancipations-
formulars (S. 564). Der erste Theil: ajo ... esse steht selb-
ständig für sich da, ihm schließt sich in rein äußerlicher Verbin-
dung (durch que) und in anderer Redeform mit isque emtus
est
u. s. w. der zweite Theil an. Warum nicht: ajo ...
meum esse eumque emtum esse?
Sodann und vor allem aber
welche seltsame Ordnung beider Theile! Zuerst wird der Ei-
genthumsübergang constatirt und dann erst der Kauf 712) und
die Zahlung!

Gerade bei der logischen Peinlichkeit, mit der die alten For-
meln abgefaßt sind (§. 47), hat diese Umstellung etwas höchst
Auffälliges. Sie wiederholt sich übrigens auch noch in den bei-
den entsprechenden Handlungen: dem Ergreifen der Sache mit
der Hand als der Darstellung des Eigenthums erwerbs und

712) Daß emere ursprünglich etwas anderes bedeutet hat als kaufen
(B. 1 S. 108 Anm. 12), was namentlich zu dem Zweck geltend gemacht
worden ist, um die Auffassung der manc. als eines Scheinkaufes abzuweh-
ren, kann man gern zugeben, ohne sich den Schluß gefallen lassen zu müssen;
jene Auffassung stützt sich nicht bloß auf das Wort emere, sondern auf
emere hoc aere d. h. kaufen.

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
lich; ſie widerſtreitet allem, was uns über die mancipatio ge-
lehrt wird. Da bliebe denn nur der Ausweg anzunehmen, daß
die Scheinzahlung erſt nach den XII Tafeln und eben unter
dem Einfluß jener Beſtimmung, um nämlich dem aufgeſtellten
Requiſit zu genügen und bei dem Beweiſe des Eigenthums die
Frage von der Zahlung des Preiſes völlig abzuſchneiden, in
die Mancipation gekommen ſei. Die Form dieſer Scheinzah-
lung ergab ſich von ſelbſt. Wirkliche Zahlungen bewerkſtel-
ligte man damals nicht mehr durch Wägen, ſondern durch Zäh-
len, das Wägen, die aes et libra, galt ſchon damals als Aus-
druck einer bloßen Scheinzahlung, aber als einer vom Civil-
recht für wirkſam anerkannten. So nahm man denn
die aes et libra vom Nexum hinüber, dem einzigen Verhältniß,
bei dem ſie ſich damals noch erhalten. Eine Unterſtützung fin-
det dieſe Hypotheſe in der Compoſition des Mancipations-
formulars (S. 564). Der erſte Theil: ajo … esse ſteht ſelb-
ſtändig für ſich da, ihm ſchließt ſich in rein äußerlicher Verbin-
dung (durch que) und in anderer Redeform mit isque emtus
est
u. ſ. w. der zweite Theil an. Warum nicht: ajo …
meum esse eumque emtum esse?
Sodann und vor allem aber
welche ſeltſame Ordnung beider Theile! Zuerſt wird der Ei-
genthumsübergang conſtatirt und dann erſt der Kauf 712) und
die Zahlung!

Gerade bei der logiſchen Peinlichkeit, mit der die alten For-
meln abgefaßt ſind (§. 47), hat dieſe Umſtellung etwas höchſt
Auffälliges. Sie wiederholt ſich übrigens auch noch in den bei-
den entſprechenden Handlungen: dem Ergreifen der Sache mit
der Hand als der Darſtellung des Eigenthums erwerbs und

712) Daß emere urſprünglich etwas anderes bedeutet hat als kaufen
(B. 1 S. 108 Anm. 12), was namentlich zu dem Zweck geltend gemacht
worden iſt, um die Auffaſſung der manc. als eines Scheinkaufes abzuweh-
ren, kann man gern zugeben, ohne ſich den Schluß gefallen laſſen zu müſſen;
jene Auffaſſung ſtützt ſich nicht bloß auf das Wort emere, ſondern auf
emere hoc aere d. h. kaufen.
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[569/0275] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. lich; ſie widerſtreitet allem, was uns über die mancipatio ge- lehrt wird. Da bliebe denn nur der Ausweg anzunehmen, daß die Scheinzahlung erſt nach den XII Tafeln und eben unter dem Einfluß jener Beſtimmung, um nämlich dem aufgeſtellten Requiſit zu genügen und bei dem Beweiſe des Eigenthums die Frage von der Zahlung des Preiſes völlig abzuſchneiden, in die Mancipation gekommen ſei. Die Form dieſer Scheinzah- lung ergab ſich von ſelbſt. Wirkliche Zahlungen bewerkſtel- ligte man damals nicht mehr durch Wägen, ſondern durch Zäh- len, das Wägen, die aes et libra, galt ſchon damals als Aus- druck einer bloßen Scheinzahlung, aber als einer vom Civil- recht für wirkſam anerkannten. So nahm man denn die aes et libra vom Nexum hinüber, dem einzigen Verhältniß, bei dem ſie ſich damals noch erhalten. Eine Unterſtützung fin- det dieſe Hypotheſe in der Compoſition des Mancipations- formulars (S. 564). Der erſte Theil: ajo … esse ſteht ſelb- ſtändig für ſich da, ihm ſchließt ſich in rein äußerlicher Verbin- dung (durch que) und in anderer Redeform mit isque emtus est u. ſ. w. der zweite Theil an. Warum nicht: ajo … meum esse eumque emtum esse? Sodann und vor allem aber welche ſeltſame Ordnung beider Theile! Zuerſt wird der Ei- genthumsübergang conſtatirt und dann erſt der Kauf 712) und die Zahlung! Gerade bei der logiſchen Peinlichkeit, mit der die alten For- meln abgefaßt ſind (§. 47), hat dieſe Umſtellung etwas höchſt Auffälliges. Sie wiederholt ſich übrigens auch noch in den bei- den entſprechenden Handlungen: dem Ergreifen der Sache mit der Hand als der Darſtellung des Eigenthums erwerbs und 712) Daß emere urſprünglich etwas anderes bedeutet hat als kaufen (B. 1 S. 108 Anm. 12), was namentlich zu dem Zweck geltend gemacht worden iſt, um die Auffaſſung der manc. als eines Scheinkaufes abzuweh- ren, kann man gern zugeben, ohne ſich den Schluß gefallen laſſen zu müſſen; jene Auffaſſung ſtützt ſich nicht bloß auf das Wort emere, ſondern auf emere hoc aere d. h. kaufen.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/275>, abgerufen am 24.11.2024.