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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
beschränkt war, ungeachtet Verträge desselben Inhalts ebenso-
wohl bei der Tradition vorkommen konnten. Bei letzterer fiel
das in der Form gelegene Hinderniß hinweg, sie hatten, soweit
sie juristisch möglich waren, Platz im Geschäft selbst und bilde-
ten nicht einen Vertrag neben demselben, sondern einen inte-
grirenden Bestandtheil desselben. 688)

Einen ferneren Ausfluß des obigen Gesichtspunkts finde ich
in einer Erscheinung, die sich auf andere Weise schwerlich wird
erklären lassen. Es geht aus verschiedenen Andeutungen her-
vor, daß das als Durchgangsstadium für gewisse Zwecke, also
Scheines halber benutzte Verhältniß des mancipium und der
manus 689) nicht, wie man geneigt sein könnte zu glauben, re-
gelmäßig bloß einen Moment bestanden, sondern sich über eine
gewisse Zeit, über deren Kürze oder Länge wir nichts weiteres

688) Die im Text gegebene Deutung ist von den Römern selbst nirgends
ausdrücklich ausgesprochen, sie gehört zu den Dingen, die man nur finden
kann, wenn man zwischen den Zeilen liest. Ob ich richtig gelesen, über-
lasse ich dem Urtheil jedes Kundigen. Die "solide" Rechtsgeschichte hat hier
andere Wege eingeschlagen. Um Anderer zu geschweigen, so vergleiche man
z. B. Huschke Recht des Nexum S. 76 "weil dies Geschäft (fiducia) auf
Mancipation beruhte" und S. 117 "er gab das Grundstück zur fiducia mit
der nuncupatio", über welche seltsame nuncupatio ein Römer kein gelindes
Erstaunen empfunden haben würde. Bachofen das röm. Pfandrecht Bd. 1
S. 2 Note 1 spricht freilich von der "Unmöglichkeit, mit der Tradition das
pactum fiduciae zu verbinden", allein worauf er dieselbe stützen will, ist
schwer einzusehen. Er scheint sich, da er auf Vat. fr. §. 47 verweist, dies
pactum als etwas ganz Apartes und Rares vorzustellen, das sich für die
simple Tradition, da sie nur juris gentium ist, nicht schickt; seiner Versiche-
rung nach hätten jedoch auch die res nec mancipi durch in jure cessio
desselben theilhaftig werden können, was ungefähr so gut ist, als wenn Je-
mand, der durch die Thür ins Haus gehen kann, durch den Schornstein hin-
einkriechen wollte.
689) Das erstere zum Zweck der in adoptionem datio und emancipa-
tio (Gaj. I, 132),
das letztere mit späterem mancipium und Freilassung aus
demselben 1. zum Zweck des Wechsels der tutores legitimi (Gaj. I, 115);
2. zur Erlangung der Testirfähigkeit (Gaj. I, 115a); 3. zur Befreiung von
den sacris (Cic. pro Murena c. 12).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
beſchränkt war, ungeachtet Verträge deſſelben Inhalts ebenſo-
wohl bei der Tradition vorkommen konnten. Bei letzterer fiel
das in der Form gelegene Hinderniß hinweg, ſie hatten, ſoweit
ſie juriſtiſch möglich waren, Platz im Geſchäft ſelbſt und bilde-
ten nicht einen Vertrag neben demſelben, ſondern einen inte-
grirenden Beſtandtheil deſſelben. 688)

Einen ferneren Ausfluß des obigen Geſichtspunkts finde ich
in einer Erſcheinung, die ſich auf andere Weiſe ſchwerlich wird
erklären laſſen. Es geht aus verſchiedenen Andeutungen her-
vor, daß das als Durchgangsſtadium für gewiſſe Zwecke, alſo
Scheines halber benutzte Verhältniß des mancipium und der
manus 689) nicht, wie man geneigt ſein könnte zu glauben, re-
gelmäßig bloß einen Moment beſtanden, ſondern ſich über eine
gewiſſe Zeit, über deren Kürze oder Länge wir nichts weiteres

688) Die im Text gegebene Deutung iſt von den Römern ſelbſt nirgends
ausdrücklich ausgeſprochen, ſie gehört zu den Dingen, die man nur finden
kann, wenn man zwiſchen den Zeilen lieſt. Ob ich richtig geleſen, über-
laſſe ich dem Urtheil jedes Kundigen. Die „ſolide“ Rechtsgeſchichte hat hier
andere Wege eingeſchlagen. Um Anderer zu geſchweigen, ſo vergleiche man
z. B. Huſchke Recht des Nexum S. 76 „weil dies Geſchäft (fiducia) auf
Mancipation beruhte“ und S. 117 „er gab das Grundſtück zur fiducia mit
der nuncupatio“, über welche ſeltſame nuncupatio ein Römer kein gelindes
Erſtaunen empfunden haben würde. Bachofen das röm. Pfandrecht Bd. 1
S. 2 Note 1 ſpricht freilich von der „Unmöglichkeit, mit der Tradition das
pactum fiduciae zu verbinden“, allein worauf er dieſelbe ſtützen will, iſt
ſchwer einzuſehen. Er ſcheint ſich, da er auf Vat. fr. §. 47 verweiſt, dies
pactum als etwas ganz Apartes und Rares vorzuſtellen, das ſich für die
ſimple Tradition, da ſie nur juris gentium iſt, nicht ſchickt; ſeiner Verſiche-
rung nach hätten jedoch auch die res nec mancipi durch in jure cessio
deſſelben theilhaftig werden können, was ungefähr ſo gut iſt, als wenn Je-
mand, der durch die Thür ins Haus gehen kann, durch den Schornſtein hin-
einkriechen wollte.
689) Das erſtere zum Zweck der in adoptionem datio und emancipa-
tio (Gaj. I, 132),
das letztere mit ſpäterem mancipium und Freilaſſung aus
demſelben 1. zum Zweck des Wechſels der tutores legitimi (Gaj. I, 115);
2. zur Erlangung der Teſtirfähigkeit (Gaj. I, 115a); 3. zur Befreiung von
den sacris (Cic. pro Murena c. 12).
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[558/0264] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. beſchränkt war, ungeachtet Verträge deſſelben Inhalts ebenſo- wohl bei der Tradition vorkommen konnten. Bei letzterer fiel das in der Form gelegene Hinderniß hinweg, ſie hatten, ſoweit ſie juriſtiſch möglich waren, Platz im Geſchäft ſelbſt und bilde- ten nicht einen Vertrag neben demſelben, ſondern einen inte- grirenden Beſtandtheil deſſelben. 688) Einen ferneren Ausfluß des obigen Geſichtspunkts finde ich in einer Erſcheinung, die ſich auf andere Weiſe ſchwerlich wird erklären laſſen. Es geht aus verſchiedenen Andeutungen her- vor, daß das als Durchgangsſtadium für gewiſſe Zwecke, alſo Scheines halber benutzte Verhältniß des mancipium und der manus 689) nicht, wie man geneigt ſein könnte zu glauben, re- gelmäßig bloß einen Moment beſtanden, ſondern ſich über eine gewiſſe Zeit, über deren Kürze oder Länge wir nichts weiteres 688) Die im Text gegebene Deutung iſt von den Römern ſelbſt nirgends ausdrücklich ausgeſprochen, ſie gehört zu den Dingen, die man nur finden kann, wenn man zwiſchen den Zeilen lieſt. Ob ich richtig geleſen, über- laſſe ich dem Urtheil jedes Kundigen. Die „ſolide“ Rechtsgeſchichte hat hier andere Wege eingeſchlagen. Um Anderer zu geſchweigen, ſo vergleiche man z. B. Huſchke Recht des Nexum S. 76 „weil dies Geſchäft (fiducia) auf Mancipation beruhte“ und S. 117 „er gab das Grundſtück zur fiducia mit der nuncupatio“, über welche ſeltſame nuncupatio ein Römer kein gelindes Erſtaunen empfunden haben würde. Bachofen das röm. Pfandrecht Bd. 1 S. 2 Note 1 ſpricht freilich von der „Unmöglichkeit, mit der Tradition das pactum fiduciae zu verbinden“, allein worauf er dieſelbe ſtützen will, iſt ſchwer einzuſehen. Er ſcheint ſich, da er auf Vat. fr. §. 47 verweiſt, dies pactum als etwas ganz Apartes und Rares vorzuſtellen, das ſich für die ſimple Tradition, da ſie nur juris gentium iſt, nicht ſchickt; ſeiner Verſiche- rung nach hätten jedoch auch die res nec mancipi durch in jure cessio deſſelben theilhaftig werden können, was ungefähr ſo gut iſt, als wenn Je- mand, der durch die Thür ins Haus gehen kann, durch den Schornſtein hin- einkriechen wollte. 689) Das erſtere zum Zweck der in adoptionem datio und emancipa- tio (Gaj. I, 132), das letztere mit ſpäterem mancipium und Freilaſſung aus demſelben 1. zum Zweck des Wechſels der tutores legitimi (Gaj. I, 115); 2. zur Erlangung der Teſtirfähigkeit (Gaj. I, 115a); 3. zur Befreiung von den sacris (Cic. pro Murena c. 12).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/264>, abgerufen am 24.11.2024.