sich der Literalcontract gebildet hatte (an einer andern Stelle "verliert er sich in die ältesten Zeiten"), und daß es "weder möglich, noch sonst passend erschien, jedem der unbenannten Realcontracte und jeder daraus entspringenden Klage einen eignen Namen zu geben."
In welche Verlegenheit würde der Verfasser gerathen, wenn er uns für diese Behauptungen, ich will nicht sagen, einen Beweis, sondern nur den allerdürftigsten Anhaltspunkt geben sollte! Und doch tritt hier die Construction nicht etwa auf im Gewande der Vermuthung, der Combination, sondern in dem der ausgemachten historischen Wahrheit.
In der That wer Angesichts solcher Proben den Stein auf- heben will, um vorzugsweise mich damit zu werfen, möge zu- sehen, ob er damit nicht die meisten unserer heutigen Rechts- historiker und sich selber mit trifft. Daß trotzdem so Mancher gern den Stein aufhebt, dafür ist die Erklärung schon in der Parabel vom Splitter im fremden und Balken im eignen Auge gegeben. Wenn ich nun die Steine, mit denen man mich hat treffen wollen, zurückgeworfen und unter dem Einfluß der durch den Angriff hervorgerufenen Stimmung gegen diejenigen, welche sich mir gegenüber im Alleinbesitz der correcten historisch- kritischen Methode zu sein rühmen, meiner Kritik und Polemik öfters einen Zusatz von würzender Schärfe gegeben habe, so denke ich, wird mir jeder Billige diesen Akt literarischer Noth- wehr zu gute halten -- eine Bemerkung, die sich namentlich mit auf Ad. Schmidt (von Ilmenau) bezieht, der durch seine von mir in keiner Weise provocirten Ausfälle gegen mich die Re- pressalien, die ich in §. 47 gegen ihn ergriffen, mehr als ver- dient hat.
Gießen, 1. August 1858.
Vorrede.
ſich der Literalcontract gebildet hatte (an einer andern Stelle „verliert er ſich in die älteſten Zeiten“), und daß es „weder möglich, noch ſonſt paſſend erſchien, jedem der unbenannten Realcontracte und jeder daraus entſpringenden Klage einen eignen Namen zu geben.“
In welche Verlegenheit würde der Verfaſſer gerathen, wenn er uns für dieſe Behauptungen, ich will nicht ſagen, einen Beweis, ſondern nur den allerdürftigſten Anhaltspunkt geben ſollte! Und doch tritt hier die Conſtruction nicht etwa auf im Gewande der Vermuthung, der Combination, ſondern in dem der ausgemachten hiſtoriſchen Wahrheit.
In der That wer Angeſichts ſolcher Proben den Stein auf- heben will, um vorzugsweiſe mich damit zu werfen, möge zu- ſehen, ob er damit nicht die meiſten unſerer heutigen Rechts- hiſtoriker und ſich ſelber mit trifft. Daß trotzdem ſo Mancher gern den Stein aufhebt, dafür iſt die Erklärung ſchon in der Parabel vom Splitter im fremden und Balken im eignen Auge gegeben. Wenn ich nun die Steine, mit denen man mich hat treffen wollen, zurückgeworfen und unter dem Einfluß der durch den Angriff hervorgerufenen Stimmung gegen diejenigen, welche ſich mir gegenüber im Alleinbeſitz der correcten hiſtoriſch- kritiſchen Methode zu ſein rühmen, meiner Kritik und Polemik öfters einen Zuſatz von würzender Schärfe gegeben habe, ſo denke ich, wird mir jeder Billige dieſen Akt literariſcher Noth- wehr zu gute halten — eine Bemerkung, die ſich namentlich mit auf Ad. Schmidt (von Ilmenau) bezieht, der durch ſeine von mir in keiner Weiſe provocirten Ausfälle gegen mich die Re- preſſalien, die ich in §. 47 gegen ihn ergriffen, mehr als ver- dient hat.
Gießen, 1. Auguſt 1858.
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[XVIII/0024]
Vorrede.
ſich der Literalcontract gebildet hatte (an einer andern Stelle
„verliert er ſich in die älteſten Zeiten“), und daß es „weder
möglich, noch ſonſt paſſend erſchien, jedem der unbenannten
Realcontracte und jeder daraus entſpringenden Klage einen
eignen Namen zu geben.“
In welche Verlegenheit würde der Verfaſſer gerathen, wenn
er uns für dieſe Behauptungen, ich will nicht ſagen, einen
Beweis, ſondern nur den allerdürftigſten Anhaltspunkt geben
ſollte! Und doch tritt hier die Conſtruction nicht etwa auf im
Gewande der Vermuthung, der Combination, ſondern in dem
der ausgemachten hiſtoriſchen Wahrheit.
In der That wer Angeſichts ſolcher Proben den Stein auf-
heben will, um vorzugsweiſe mich damit zu werfen, möge zu-
ſehen, ob er damit nicht die meiſten unſerer heutigen Rechts-
hiſtoriker und ſich ſelber mit trifft. Daß trotzdem ſo Mancher
gern den Stein aufhebt, dafür iſt die Erklärung ſchon in der
Parabel vom Splitter im fremden und Balken im eignen Auge
gegeben. Wenn ich nun die Steine, mit denen man mich hat
treffen wollen, zurückgeworfen und unter dem Einfluß der durch
den Angriff hervorgerufenen Stimmung gegen diejenigen,
welche ſich mir gegenüber im Alleinbeſitz der correcten hiſtoriſch-
kritiſchen Methode zu ſein rühmen, meiner Kritik und Polemik
öfters einen Zuſatz von würzender Schärfe gegeben habe, ſo
denke ich, wird mir jeder Billige dieſen Akt literariſcher Noth-
wehr zu gute halten — eine Bemerkung, die ſich namentlich mit
auf Ad. Schmidt (von Ilmenau) bezieht, der durch ſeine von
mir in keiner Weiſe provocirten Ausfälle gegen mich die Re-
preſſalien, die ich in §. 47 gegen ihn ergriffen, mehr als ver-
dient hat.
Gießen, 1. Auguſt 1858.
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/24>, abgerufen am 16.07.2024.
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