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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45.
Form auf legislativem Wege (wie im späteren römischen Recht
bei der der instrumenta publica vel quasi publica, der Insinua-
tion, im preußischen Recht der der schriftlichen Form) bilden
vorzugsweise sie das Ziel, welches der Gesetzgeber im Auge
hatte, und das ihn veranlaßte, der Form gerade diesen bestimm-
ten Zuschnitt zu geben. Ich will die gangbareren Formen in
dieser Rücksicht einer Prüfung und Vergleichung unterwerfen.

Es ist ein Vorzug der schriftlichen Aufzeichnung des
Rechtsgeschäfts vor der mündlichen Errichtung, daß sie den
demnächstigen Beweis desselben sichert. Die Zuziehung von
Zeugen gewährt einen ähnlichen Nutzen, aber die Fixirung des
Rechtsgeschäfts in der Erinnerung ist theils eine minder ge-
naue, als die durch die Schrift, denn sie erstreckt sich nur auf
den Sinn, nicht auf die Wortfassung, und doch kann gerade
letztere unter Umständen von höchster Wichtigkeit sein; theils
eine minder dauerhafte, denn sie ist abhängig von dem Erinne-
rungsvermögen und dem Leben der Zeugen; theils endlich ist sie
bei solchen Rechtsgeschäften, die eine Menge detaillirter, schwer
zu behaltender Bestimmungen, Zahlen u. s. w. enthalten, wie
z. B. nicht selten die Testamente, von vornherein höchst un-
geeignet. Einen andern folgenreichen Differenzpunkt zwischen
beiden Formen bietet der Umstand dar, daß die eine eine abso-
lute Geheimhaltung des Rechtsgeschäfts möglich macht, die an-
dere eine Mittheilung desselben an die Zeugen erfordert; ersteres
wird mehr dem Interesse der Parthei, letzteres mehr dem dritter
Personen und des Verkehrs entsprechen. 667) Beide Formen
lassen sich übrigens auch verbinden wie z. B. in unserer heuti-
gen Form der Errichtung vor Notar und Zeugen. Eine eigen-
thümliche Combination derselben enthält das schriftliche Privat-
testament des römischen Rechts, insofern es dem Testator ver-
stattet, den Zeugen den Inhalt des Testaments vorzuenthalten.

667) Einen hierauf bezüglichen Gesichtspunkt in Betreff der mündlichen
Errichtung des Testaments habe ich S. 163 Anm. 204 hervorgehoben.

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45.
Form auf legislativem Wege (wie im ſpäteren römiſchen Recht
bei der der instrumenta publica vel quasi publica, der Inſinua-
tion, im preußiſchen Recht der der ſchriftlichen Form) bilden
vorzugsweiſe ſie das Ziel, welches der Geſetzgeber im Auge
hatte, und das ihn veranlaßte, der Form gerade dieſen beſtimm-
ten Zuſchnitt zu geben. Ich will die gangbareren Formen in
dieſer Rückſicht einer Prüfung und Vergleichung unterwerfen.

Es iſt ein Vorzug der ſchriftlichen Aufzeichnung des
Rechtsgeſchäfts vor der mündlichen Errichtung, daß ſie den
demnächſtigen Beweis deſſelben ſichert. Die Zuziehung von
Zeugen gewährt einen ähnlichen Nutzen, aber die Fixirung des
Rechtsgeſchäfts in der Erinnerung iſt theils eine minder ge-
naue, als die durch die Schrift, denn ſie erſtreckt ſich nur auf
den Sinn, nicht auf die Wortfaſſung, und doch kann gerade
letztere unter Umſtänden von höchſter Wichtigkeit ſein; theils
eine minder dauerhafte, denn ſie iſt abhängig von dem Erinne-
rungsvermögen und dem Leben der Zeugen; theils endlich iſt ſie
bei ſolchen Rechtsgeſchäften, die eine Menge detaillirter, ſchwer
zu behaltender Beſtimmungen, Zahlen u. ſ. w. enthalten, wie
z. B. nicht ſelten die Teſtamente, von vornherein höchſt un-
geeignet. Einen andern folgenreichen Differenzpunkt zwiſchen
beiden Formen bietet der Umſtand dar, daß die eine eine abſo-
lute Geheimhaltung des Rechtsgeſchäfts möglich macht, die an-
dere eine Mittheilung deſſelben an die Zeugen erfordert; erſteres
wird mehr dem Intereſſe der Parthei, letzteres mehr dem dritter
Perſonen und des Verkehrs entſprechen. 667) Beide Formen
laſſen ſich übrigens auch verbinden wie z. B. in unſerer heuti-
gen Form der Errichtung vor Notar und Zeugen. Eine eigen-
thümliche Combination derſelben enthält das ſchriftliche Privat-
teſtament des römiſchen Rechts, inſofern es dem Teſtator ver-
ſtattet, den Zeugen den Inhalt des Teſtaments vorzuenthalten.

667) Einen hierauf bezüglichen Geſichtspunkt in Betreff der mündlichen
Errichtung des Teſtaments habe ich S. 163 Anm. 204 hervorgehoben.
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[525/0231] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45. Form auf legislativem Wege (wie im ſpäteren römiſchen Recht bei der der instrumenta publica vel quasi publica, der Inſinua- tion, im preußiſchen Recht der der ſchriftlichen Form) bilden vorzugsweiſe ſie das Ziel, welches der Geſetzgeber im Auge hatte, und das ihn veranlaßte, der Form gerade dieſen beſtimm- ten Zuſchnitt zu geben. Ich will die gangbareren Formen in dieſer Rückſicht einer Prüfung und Vergleichung unterwerfen. Es iſt ein Vorzug der ſchriftlichen Aufzeichnung des Rechtsgeſchäfts vor der mündlichen Errichtung, daß ſie den demnächſtigen Beweis deſſelben ſichert. Die Zuziehung von Zeugen gewährt einen ähnlichen Nutzen, aber die Fixirung des Rechtsgeſchäfts in der Erinnerung iſt theils eine minder ge- naue, als die durch die Schrift, denn ſie erſtreckt ſich nur auf den Sinn, nicht auf die Wortfaſſung, und doch kann gerade letztere unter Umſtänden von höchſter Wichtigkeit ſein; theils eine minder dauerhafte, denn ſie iſt abhängig von dem Erinne- rungsvermögen und dem Leben der Zeugen; theils endlich iſt ſie bei ſolchen Rechtsgeſchäften, die eine Menge detaillirter, ſchwer zu behaltender Beſtimmungen, Zahlen u. ſ. w. enthalten, wie z. B. nicht ſelten die Teſtamente, von vornherein höchſt un- geeignet. Einen andern folgenreichen Differenzpunkt zwiſchen beiden Formen bietet der Umſtand dar, daß die eine eine abſo- lute Geheimhaltung des Rechtsgeſchäfts möglich macht, die an- dere eine Mittheilung deſſelben an die Zeugen erfordert; erſteres wird mehr dem Intereſſe der Parthei, letzteres mehr dem dritter Perſonen und des Verkehrs entſprechen. 667) Beide Formen laſſen ſich übrigens auch verbinden wie z. B. in unſerer heuti- gen Form der Errichtung vor Notar und Zeugen. Eine eigen- thümliche Combination derſelben enthält das ſchriftliche Privat- teſtament des römiſchen Rechts, inſofern es dem Teſtator ver- ſtattet, den Zeugen den Inhalt des Teſtaments vorzuenthalten. 667) Einen hierauf bezüglichen Geſichtspunkt in Betreff der mündlichen Errichtung des Teſtaments habe ich S. 163 Anm. 204 hervorgehoben.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/231>, abgerufen am 25.11.2024.