Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45. beit des Richters und der Partheien stehen hierim entgegengesetzten Verhältniß. Im Formalismus hat es der Richter bequem, die Parthei unbequem, im System der Formlosigkeit umgekehrt die Parthei bequem, der Richter unbequem. Zu diesem ersten allgemeinen Vortheil der Form gesellt sich 666) Obl. Recht II S. 217. Diesen Gesichtspunkt hatte bereits Möser
patriot. Phantas. B. 2. XXIV (Berlin 1778) S. 121 fl. in seiner launi- gen, aber höchst treffenden Weise hervorgehoben. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45. beit des Richters und der Partheien ſtehen hierim entgegengeſetzten Verhältniß. Im Formalismus hat es der Richter bequem, die Parthei unbequem, im Syſtem der Formloſigkeit umgekehrt die Parthei bequem, der Richter unbequem. Zu dieſem erſten allgemeinen Vortheil der Form geſellt ſich 666) Obl. Recht II S. 217. Dieſen Geſichtspunkt hatte bereits Möſer
patriot. Phantaſ. B. 2. XXIV (Berlin 1778) S. 121 fl. in ſeiner launi- gen, aber höchſt treffenden Weiſe hervorgehoben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0229" n="523"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 45.</fw><lb/><hi rendition="#g">beit des Richters und der Partheien ſtehen hier<lb/> im entgegengeſetzten Verhältniß</hi>. Im Formalismus<lb/> hat es der Richter bequem, die Parthei unbequem, im Syſtem<lb/> der Formloſigkeit umgekehrt die Parthei bequem, der Richter<lb/> unbequem.</p><lb/> <p>Zu dieſem erſten allgemeinen Vortheil der Form geſellt ſich<lb/> ein zweiter, der unmittelbar in der Perſon der Parthei ſelbſt<lb/> wirkſam wird. „Für das Gedeihen des Rechtsverkehrs“, ſagt<lb/> Savigny,<note place="foot" n="666)">Obl. Recht <hi rendition="#aq">II</hi> S. 217. Dieſen Geſichtspunkt hatte bereits Möſer<lb/> patriot. Phantaſ. B. 2. <hi rendition="#aq">XXIV</hi> (Berlin 1778) S. 121 fl. in ſeiner launi-<lb/> gen, aber höchſt treffenden Weiſe hervorgehoben.</note> iſt es wünſchenswerth, daß Verträge nicht über-<lb/> eilt, ſondern in beſonnener Ueberlegung der daraus entſpringen-<lb/> den Folgen geſchloſſen werden. Die Natur des formellen Ver-<lb/> trags (wie der römiſchen Stipulation) führt dahin, die beſon-<lb/> nene Uebertragung zu wecken, alſo jenen wünſchenswerthen Zu-<lb/> ſtand zu befördern.“ Gewiß! bei allen Formen, die mit einem<lb/> gewiſſen Aufſchube verbunden ſind, wie z. B. gerichtliche Er-<lb/> richtung oder Inſinuation liegt dies auf der Hand. Allein auch<lb/> bei der Stipulation? Der mit ihr verknüpfte Aufenthalt war<lb/> viel zu kurz, um dem, der in Aufregung oder Uebereilung<lb/> etwas verſprochen, Zeit zu laſſen, ſich zu beruhigen und zu be-<lb/> ſinnen; es war ein Moment, weniger als eine Minute. Allein<lb/> es würde eben auch verkehrt ſein, jenen heilſamen Einfluß der<lb/> Form lediglich in dem durch ſie veranlaßten <hi rendition="#g">Aufſchub</hi> finden zu<lb/> wollen. Er liegt vielmehr in ihr ſelbſt, in den Ideen des Ge-<lb/> ſchäftlichen, rechtlich Gebundenen u. ſ. w., die ſich mit ihr ver-<lb/> knüpfen, darin alſo, daß ſie <hi rendition="#g">die</hi> Stimmung in dem Handeln-<lb/> den hervorruft, in der ſich jeder beim Abſchluß eines Rechts-<lb/> geſchäfts befinden ſollte, die <hi rendition="#g">geſchäftsmäßige</hi>. Für das rö-<lb/> miſche Ohr war das kleine Wörtchen <hi rendition="#aq">spondesne,</hi> ſowie es im<lb/> Lauf des Geſprächs ertönte, eine Benachrichtigung, daß die Un-<lb/> terhaltung einen andern, geſchäftsmäßigen Charakter anneh-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [523/0229]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45.
beit des Richters und der Partheien ſtehen hier
im entgegengeſetzten Verhältniß. Im Formalismus
hat es der Richter bequem, die Parthei unbequem, im Syſtem
der Formloſigkeit umgekehrt die Parthei bequem, der Richter
unbequem.
Zu dieſem erſten allgemeinen Vortheil der Form geſellt ſich
ein zweiter, der unmittelbar in der Perſon der Parthei ſelbſt
wirkſam wird. „Für das Gedeihen des Rechtsverkehrs“, ſagt
Savigny, 666) iſt es wünſchenswerth, daß Verträge nicht über-
eilt, ſondern in beſonnener Ueberlegung der daraus entſpringen-
den Folgen geſchloſſen werden. Die Natur des formellen Ver-
trags (wie der römiſchen Stipulation) führt dahin, die beſon-
nene Uebertragung zu wecken, alſo jenen wünſchenswerthen Zu-
ſtand zu befördern.“ Gewiß! bei allen Formen, die mit einem
gewiſſen Aufſchube verbunden ſind, wie z. B. gerichtliche Er-
richtung oder Inſinuation liegt dies auf der Hand. Allein auch
bei der Stipulation? Der mit ihr verknüpfte Aufenthalt war
viel zu kurz, um dem, der in Aufregung oder Uebereilung
etwas verſprochen, Zeit zu laſſen, ſich zu beruhigen und zu be-
ſinnen; es war ein Moment, weniger als eine Minute. Allein
es würde eben auch verkehrt ſein, jenen heilſamen Einfluß der
Form lediglich in dem durch ſie veranlaßten Aufſchub finden zu
wollen. Er liegt vielmehr in ihr ſelbſt, in den Ideen des Ge-
ſchäftlichen, rechtlich Gebundenen u. ſ. w., die ſich mit ihr ver-
knüpfen, darin alſo, daß ſie die Stimmung in dem Handeln-
den hervorruft, in der ſich jeder beim Abſchluß eines Rechts-
geſchäfts befinden ſollte, die geſchäftsmäßige. Für das rö-
miſche Ohr war das kleine Wörtchen spondesne, ſowie es im
Lauf des Geſprächs ertönte, eine Benachrichtigung, daß die Un-
terhaltung einen andern, geſchäftsmäßigen Charakter anneh-
666) Obl. Recht II S. 217. Dieſen Geſichtspunkt hatte bereits Möſer
patriot. Phantaſ. B. 2. XXIV (Berlin 1778) S. 121 fl. in ſeiner launi-
gen, aber höchſt treffenden Weiſe hervorgehoben.
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