Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. vollem Maße fühlbar, von den vortheilhaften merkt ernur wenig, die schädlichen Wirkungen desselben, namentlich das Unheil, das mitunter ein an sich höchst unbedeutender Formfehler anrichtet, kömmt durch den damit verbundenen Eclat vollständig zu seiner Kunde, die heilsamen Wirkungen hingegen, die tausend und aber tausend Fälle, in denen die Form Unheil abwendet und von denen Niemand spricht, entziehen sich sei- ner Beobachtung. Die Nachtheile der Form lassen sich auf zwei Eigenschaften Die Gefährlichkeit der Form, der ich mich zuerstzuwende, Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. vollem Maße fühlbar, von den vortheilhaften merkt ernur wenig, die ſchädlichen Wirkungen deſſelben, namentlich das Unheil, das mitunter ein an ſich höchſt unbedeutender Formfehler anrichtet, kömmt durch den damit verbundenen Eclat vollſtändig zu ſeiner Kunde, die heilſamen Wirkungen hingegen, die tauſend und aber tauſend Fälle, in denen die Form Unheil abwendet und von denen Niemand ſpricht, entziehen ſich ſei- ner Beobachtung. Die Nachtheile der Form laſſen ſich auf zwei Eigenſchaften Die Gefährlichkeit der Form, der ich mich zuerſtzuwende, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0212" n="506"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> vollem Maße fühlbar, von den <hi rendition="#g">vortheilhaften</hi> merkt er<lb/> nur wenig, die <hi rendition="#g">ſchädlichen</hi> Wirkungen deſſelben, namentlich<lb/> das Unheil, das mitunter ein an ſich höchſt unbedeutender<lb/> Formfehler anrichtet, kömmt durch den damit verbundenen Eclat<lb/> vollſtändig zu ſeiner Kunde, die heilſamen Wirkungen hingegen,<lb/> die tauſend und aber tauſend Fälle, in denen die Form Unheil<lb/><hi rendition="#g">abwendet</hi> und von denen Niemand ſpricht, entziehen ſich ſei-<lb/> ner Beobachtung.</p><lb/> <p>Die Nachtheile der Form laſſen ſich auf zwei Eigenſchaften<lb/> zurückführen, ihre <hi rendition="#g">Gefährlichkeit</hi> und <hi rendition="#g">Unbequemlich-<lb/> keit</hi>. Beide liegen ſchlechthin in der Form als ſolcher, einerlei<lb/> wie dieſelbe im übrigen beſchaffen ſei; der letztere Umſtand iſt<lb/> nur beſtimmend für das <hi rendition="#g">Maß</hi> derſelben. An <hi rendition="#g">jede</hi> Form knüpft<lb/> ſich die Gefahr eines Verſehens, eines <hi rendition="#g">Formfehlers</hi>, und ein<lb/> ſolches Verſehen rächt ſich unerbittlich bei <hi rendition="#g">jeder</hi> Form, dies<lb/> liegt einmal in ihrem Begriff, aber die Beſchaffenheit der Form<lb/> kann dieſe Gefahr näher oder ferner rücken. Es wird dies<lb/> ſpäter an mehren Beiſpielen gezeigt werden. Ebenſo verhält es<lb/> ſich mit der zweiten Eigenſchaft. Unbequem iſt <hi rendition="#g">jede</hi> Form, be-<lb/> ſtände ſie auch nur, wie die der Stipulation, in dem mündlichen<lb/> Abſchluß des Geſchäfts, aber die eine iſt es mehr als die andere<lb/> z. B. die des <hi rendition="#aq">testamentum in comitiis calatis</hi> mehr, als die des<lb/><hi rendition="#aq">test. per aes et libram,</hi> denn in der letzteren Form konnte man<lb/><hi rendition="#g">jederzeit</hi>, in jener hingegen nur <hi rendition="#g">zwei Mal</hi> im Jahr teſtiren.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Gefährlichkeit</hi> der Form, der ich mich zuerſtzuwende,<lb/> iſt ſo eben bereits im weſentlichen angegeben. Die Form erhebt<lb/> den Anſpruch einer genauen Kenntniß ihrer ſelbſt und belegt die<lb/> Unkenntniß derſelben, die Unachtſamkeit, Ungeſchicklichkeit, den<lb/> Leichtſinn mit ſchwerer Strafe. Das materielle Recht verlangt<lb/> dieſe Eigenſchaften in ungleich geringerem Grade. Einen form-<lb/> loſen Contract abſchließen kann Jemand, auch wenn er die<lb/> Rechtsgrundſätze, die bei ihm zur Anwendung kommen, nicht<lb/> kennt, wenn er im Recht ſich irrt und in den Worten ſich ver-<lb/> greift. Das Recht und der Richter kommen ihm zu Hülfe. Aber<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [506/0212]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
vollem Maße fühlbar, von den vortheilhaften merkt er
nur wenig, die ſchädlichen Wirkungen deſſelben, namentlich
das Unheil, das mitunter ein an ſich höchſt unbedeutender
Formfehler anrichtet, kömmt durch den damit verbundenen Eclat
vollſtändig zu ſeiner Kunde, die heilſamen Wirkungen hingegen,
die tauſend und aber tauſend Fälle, in denen die Form Unheil
abwendet und von denen Niemand ſpricht, entziehen ſich ſei-
ner Beobachtung.
Die Nachtheile der Form laſſen ſich auf zwei Eigenſchaften
zurückführen, ihre Gefährlichkeit und Unbequemlich-
keit. Beide liegen ſchlechthin in der Form als ſolcher, einerlei
wie dieſelbe im übrigen beſchaffen ſei; der letztere Umſtand iſt
nur beſtimmend für das Maß derſelben. An jede Form knüpft
ſich die Gefahr eines Verſehens, eines Formfehlers, und ein
ſolches Verſehen rächt ſich unerbittlich bei jeder Form, dies
liegt einmal in ihrem Begriff, aber die Beſchaffenheit der Form
kann dieſe Gefahr näher oder ferner rücken. Es wird dies
ſpäter an mehren Beiſpielen gezeigt werden. Ebenſo verhält es
ſich mit der zweiten Eigenſchaft. Unbequem iſt jede Form, be-
ſtände ſie auch nur, wie die der Stipulation, in dem mündlichen
Abſchluß des Geſchäfts, aber die eine iſt es mehr als die andere
z. B. die des testamentum in comitiis calatis mehr, als die des
test. per aes et libram, denn in der letzteren Form konnte man
jederzeit, in jener hingegen nur zwei Mal im Jahr teſtiren.
Die Gefährlichkeit der Form, der ich mich zuerſtzuwende,
iſt ſo eben bereits im weſentlichen angegeben. Die Form erhebt
den Anſpruch einer genauen Kenntniß ihrer ſelbſt und belegt die
Unkenntniß derſelben, die Unachtſamkeit, Ungeſchicklichkeit, den
Leichtſinn mit ſchwerer Strafe. Das materielle Recht verlangt
dieſe Eigenſchaften in ungleich geringerem Grade. Einen form-
loſen Contract abſchließen kann Jemand, auch wenn er die
Rechtsgrundſätze, die bei ihm zur Anwendung kommen, nicht
kennt, wenn er im Recht ſich irrt und in den Worten ſich ver-
greift. Das Recht und der Richter kommen ihm zu Hülfe. Aber
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