Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. II. Die Wortinterpretation. §. 44. um den Preis also kann der Gedanke aus dem Schooß der sub-jectiven Innerlichkeit in die Außenwelt treten, daß er sein eigent- liches Wesen einbüßt d. h. daß er erstarrt; der ausgesprochene Gedanke ist, so zu sagen, gefrorenes Denken. Nur im uneigentlichen Sinn können wir daher von einer Uebertragung oder Mittheilung des Gedankens sprechen; übertragen wird nicht der Gedanke selbst, sondern das Wort gewährt nur den Anstoß und die Möglichkeit eines ähnlichen Denkens, der Reproduction einer ähnlichen geistigen Bewegung in der Seele des Hörers, wie in der des Sprechenden. Sprechen heißt eine Bewegung hervorrufen, eine physische in der Luft, eine gei- stige im Hörer. So wenig wie das Wort auf der Luftwelle treibt und schwimmt, die an das Ohr des Hörenden schlägt, sondern wie das Wort nichts ist, als Schwingung der Luft- welle, ebensowenig trägt das Wort den Gedanken, so zu sa- gen, als geistiges Product zu uns hinüber, sondern es be- wirkt nur eine entsprechende Schwingung unseres Gei- stes. Das Wort ist keine Gabe, sondern physikalisch wie moralisch eine Einwirkung auf einen andern Gegenstand, ein Stoß. Diese Einwirkung hervorzurufen und zwar ganz die, welche der Urheber beabsichtigt, dazu ist oft ein Blick, eine Gebehrde, ein Wink eben so gut im Stande, als das Wort; der beste Beweis, daß die Möglichkeit der geistigen Mittheilung nicht auf der Nothwendigkeit einer Objectivirung des Ge- dankens beruht -- denn was hat sich in jenen Zeichen objecti- virt oder wie unendlich weit bleiben auch bei der wörtlichen Mittheilung die gebrauchten Worte hinter dem Gedanken zu- rück, ohne daß dadurch die Hervorbringung desselben in der Seele des Andern in seiner ganzen beabsichtigten Gestalt und Ausdehnung im mindesten beeinträchtigt würde -- sondern auf der Gewährung eines Impulses zum verwandten Denken. Das Princip der Mittheilung ist bei der durch Worte ganz dasselbe, wie bei der durch Zeichen; das eine Mittel ist vollkommen, das andere unvollkommen, aber sie wirken in derselben Weise, Haften an der Aeußerlichkeit. II. Die Wortinterpretation. §. 44. um den Preis alſo kann der Gedanke aus dem Schooß der ſub-jectiven Innerlichkeit in die Außenwelt treten, daß er ſein eigent- liches Weſen einbüßt d. h. daß er erſtarrt; der ausgeſprochene Gedanke iſt, ſo zu ſagen, gefrorenes Denken. Nur im uneigentlichen Sinn können wir daher von einer Uebertragung oder Mittheilung des Gedankens ſprechen; übertragen wird nicht der Gedanke ſelbſt, ſondern das Wort gewährt nur den Anſtoß und die Möglichkeit eines ähnlichen Denkens, der Reproduction einer ähnlichen geiſtigen Bewegung in der Seele des Hörers, wie in der des Sprechenden. Sprechen heißt eine Bewegung hervorrufen, eine phyſiſche in der Luft, eine gei- ſtige im Hörer. So wenig wie das Wort auf der Luftwelle treibt und ſchwimmt, die an das Ohr des Hörenden ſchlägt, ſondern wie das Wort nichts iſt, als Schwingung der Luft- welle, ebenſowenig trägt das Wort den Gedanken, ſo zu ſa- gen, als geiſtiges Product zu uns hinüber, ſondern es be- wirkt nur eine entſprechende Schwingung unſeres Gei- ſtes. Das Wort iſt keine Gabe, ſondern phyſikaliſch wie moraliſch eine Einwirkung auf einen andern Gegenſtand, ein Stoß. Dieſe Einwirkung hervorzurufen und zwar ganz die, welche der Urheber beabſichtigt, dazu iſt oft ein Blick, eine Gebehrde, ein Wink eben ſo gut im Stande, als das Wort; der beſte Beweis, daß die Möglichkeit der geiſtigen Mittheilung nicht auf der Nothwendigkeit einer Objectivirung des Ge- dankens beruht — denn was hat ſich in jenen Zeichen objecti- virt oder wie unendlich weit bleiben auch bei der wörtlichen Mittheilung die gebrauchten Worte hinter dem Gedanken zu- rück, ohne daß dadurch die Hervorbringung deſſelben in der Seele des Andern in ſeiner ganzen beabſichtigten Geſtalt und Ausdehnung im mindeſten beeinträchtigt würde — ſondern auf der Gewährung eines Impulſes zum verwandten Denken. 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jectiven Innerlichkeit in die Außenwelt treten, daß er ſein eigent-
liches Weſen einbüßt d. h. daß er erſtarrt; der ausgeſprochene
Gedanke iſt, ſo zu ſagen, gefrorenes Denken. Nur im
uneigentlichen Sinn können wir daher von einer Uebertragung
oder Mittheilung des Gedankens ſprechen; übertragen wird
nicht der Gedanke ſelbſt, ſondern das Wort gewährt nur den
Anſtoß und die Möglichkeit eines ähnlichen Denkens, der
Reproduction einer ähnlichen geiſtigen Bewegung in der Seele
des Hörers, wie in der des Sprechenden. Sprechen heißt eine
Bewegung hervorrufen, eine phyſiſche in der Luft, eine gei-
ſtige im Hörer. So wenig wie das Wort auf der Luftwelle
treibt und ſchwimmt, die an das Ohr des Hörenden ſchlägt,
ſondern wie das Wort nichts iſt, als Schwingung der Luft-
welle, ebenſowenig trägt das Wort den Gedanken, ſo zu ſa-
gen, als geiſtiges Product zu uns hinüber, ſondern es be-
wirkt nur eine entſprechende Schwingung unſeres Gei-
ſtes. Das Wort iſt keine Gabe, ſondern phyſikaliſch wie
moraliſch eine Einwirkung auf einen andern Gegenſtand,
ein Stoß. Dieſe Einwirkung hervorzurufen und zwar ganz die,
welche der Urheber beabſichtigt, dazu iſt oft ein Blick, eine
Gebehrde, ein Wink eben ſo gut im Stande, als das Wort;
der beſte Beweis, daß die Möglichkeit der geiſtigen Mittheilung
nicht auf der Nothwendigkeit einer Objectivirung des Ge-
dankens beruht — denn was hat ſich in jenen Zeichen objecti-
virt oder wie unendlich weit bleiben auch bei der wörtlichen
Mittheilung die gebrauchten Worte hinter dem Gedanken zu-
rück, ohne daß dadurch die Hervorbringung deſſelben in der
Seele des Andern in ſeiner ganzen beabſichtigten Geſtalt und
Ausdehnung im mindeſten beeinträchtigt würde — ſondern auf
der Gewährung eines Impulſes zum verwandten Denken. Das
Princip der Mittheilung iſt bei der durch Worte ganz daſſelbe,
wie bei der durch Zeichen; das eine Mittel iſt vollkommen,
das andere unvollkommen, aber ſie wirken in derſelben Weiſe,
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