Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
Schließlich und vor allem ist aber die Obligation hervorzu-
heben. Für sie bildete die Sache ursprünglich sowohl das Fun-
dament, den Grund, als den Zweck, den Gegenstand des An-
spruchs. Jenes -- denn der Grund einer jeden Obligation im
Sinn des älteren Rechts 605) ist der Umstand, daß der Schuld-
ner vom Gläubiger etwas (res) erhalten, (de - habet,
debet)
letzterer ihm etwas gegeben (cre - dedit, credidit), sei
die Hingabe wirklich erfolgt (Realcontract) oder nur rechtlich
angenommen (Literal- und Verbalcontract). Dieses -- jede
Obligation geht im ältern Recht auf ein dare, das Geben
einer Sache, rem persequitur; in dem Ausdruck actio rei
persequendae causa,
der später auch die obligationes faciendi
umfaßt, 606) ist res wie in dem obigen quanti ea res est ur-
sprünglich im wörtlichen Sinn gebraucht gewesen. Die nähere
Ausführung bleibt einer spätern Stelle vorbehalten. An keinem
Verhältniß bewährt sich der Spiritualismus des neuern römi-
schen Rechts in dem Maße, als an der Obligation. Denn nicht
bloß daß sie sich von der res nach beiden Seiten hin abgetrennt
hat, so hat sie selbst sich gewissermaßen zu einer idealen res
aufgeschwungen. Der neuere Verkehr operirt mit diesem Object
mit derselben Leichtigkeit und Sicherheit, wie es der alte nur
mit den Sachen thun konnte. So kann z. B. ein Versprechen
und eine Klage wie auf Hingabe eines körperlichen, so auf Lei-
stung dieses unkörperlichen Objects (Abschluß eines Con-
tracts), 607) wie auf Rückgabe jenes, so auf Rückgabe dieses
(Liberation) gerichtet werden. So kann man schenken, erfüllen,

scheinlichkeit. Im Justinianeischen Recht ist selbst die immissio in possessio-
nem
oder das pignus praetorium auf Forderungen ausgedehnt L. 1 Cod. de
praet. pign. (8. 22).
605) Der Anspruch des durch ein Delict Verletzten fiel ursprünglich nicht
unter den Gesichtspunkt der Obligation B. 1. S. 122 fl.
606) §. 17 I. de act. (4. 6) .. rei persequendae causa comparatae
videntur veluti .... commodati, depositi, mandati, pro socio
u. s. w.
607) z. B. damnatus vendere vel locare L. 44 de solut. (46. 3).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
Schließlich und vor allem iſt aber die Obligation hervorzu-
heben. Für ſie bildete die Sache urſprünglich ſowohl das Fun-
dament, den Grund, als den Zweck, den Gegenſtand des An-
ſpruchs. Jenes — denn der Grund einer jeden Obligation im
Sinn des älteren Rechts 605) iſt der Umſtand, daß der Schuld-
ner vom Gläubiger etwas (res) erhalten, (de - habet,
debet)
letzterer ihm etwas gegeben (cre - dedit, credidit), ſei
die Hingabe wirklich erfolgt (Realcontract) oder nur rechtlich
angenommen (Literal- und Verbalcontract). Dieſes — jede
Obligation geht im ältern Recht auf ein dare, das Geben
einer Sache, rem persequitur; in dem Ausdruck actio rei
persequendae causa,
der ſpäter auch die obligationes faciendi
umfaßt, 606) iſt res wie in dem obigen quanti ea res est ur-
ſprünglich im wörtlichen Sinn gebraucht geweſen. Die nähere
Ausführung bleibt einer ſpätern Stelle vorbehalten. An keinem
Verhältniß bewährt ſich der Spiritualismus des neuern römi-
ſchen Rechts in dem Maße, als an der Obligation. Denn nicht
bloß daß ſie ſich von der res nach beiden Seiten hin abgetrennt
hat, ſo hat ſie ſelbſt ſich gewiſſermaßen zu einer idealen res
aufgeſchwungen. Der neuere Verkehr operirt mit dieſem Object
mit derſelben Leichtigkeit und Sicherheit, wie es der alte nur
mit den Sachen thun konnte. So kann z. B. ein Verſprechen
und eine Klage wie auf Hingabe eines körperlichen, ſo auf Lei-
ſtung dieſes unkörperlichen Objects (Abſchluß eines Con-
tracts), 607) wie auf Rückgabe jenes, ſo auf Rückgabe dieſes
(Liberation) gerichtet werden. So kann man ſchenken, erfüllen,

ſcheinlichkeit. Im Juſtinianeiſchen Recht iſt ſelbſt die immissio in possessio-
nem
oder das pignus praetorium auf Forderungen ausgedehnt L. 1 Cod. de
praet. pign. (8. 22).
605) Der Anſpruch des durch ein Delict Verletzten fiel urſprünglich nicht
unter den Geſichtspunkt der Obligation B. 1. S. 122 fl.
606) §. 17 I. de act. (4. 6) .. rei persequendae causa comparatae
videntur veluti .... commodati, depositi, mandati, pro socio
u. ſ. w.
607) z. B. damnatus vendere vel locare L. 44 de solut. (46. 3).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0172" n="466"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juri&#x017F;t. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/>
Schließlich und vor allem i&#x017F;t aber die <hi rendition="#g">Obligation</hi> hervorzu-<lb/>
heben. Für &#x017F;ie bildete die Sache ur&#x017F;prünglich &#x017F;owohl das Fun-<lb/>
dament, den Grund, als den Zweck, den Gegen&#x017F;tand des An-<lb/>
&#x017F;pruchs. <hi rendition="#g">Jenes</hi> &#x2014; denn der Grund einer jeden Obligation im<lb/>
Sinn des älteren Rechts <note place="foot" n="605)">Der An&#x017F;pruch des durch ein Delict Verletzten fiel ur&#x017F;prünglich nicht<lb/>
unter den Ge&#x017F;ichtspunkt der Obligation B. 1. S. 122 fl.</note> i&#x017F;t der Um&#x017F;tand, daß der Schuld-<lb/>
ner vom Gläubiger etwas <hi rendition="#aq">(res)</hi> <hi rendition="#g">erhalten</hi>, <hi rendition="#aq">(de - <hi rendition="#g">habet</hi>,<lb/>
debet)</hi> letzterer ihm etwas gegeben <hi rendition="#aq">(cre - <hi rendition="#g">dedit</hi>, credidit)</hi>, &#x017F;ei<lb/>
die Hingabe wirklich erfolgt (Realcontract) oder nur rechtlich<lb/>
angenommen (Literal- und Verbalcontract). <hi rendition="#g">Die&#x017F;es</hi> &#x2014; jede<lb/>
Obligation geht im ältern Recht auf ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">dare</hi>,</hi> das Geben<lb/>
einer Sache, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">rem</hi> persequitur;</hi> in dem Ausdruck <hi rendition="#aq">actio <hi rendition="#g">rei</hi><lb/>
persequendae causa,</hi> der &#x017F;päter auch die <hi rendition="#aq">obligationes faciendi</hi><lb/>
umfaßt, <note place="foot" n="606)"><hi rendition="#aq">§. 17 I. de act. (4. 6) .. rei persequendae causa comparatae<lb/>
videntur veluti .... commodati, depositi, mandati, pro socio</hi> u. &#x017F;. w.</note> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">res</hi> wie in dem obigen <hi rendition="#aq">quanti ea res est</hi> ur-<lb/>
&#x017F;prünglich im wörtlichen Sinn gebraucht gewe&#x017F;en. Die nähere<lb/>
Ausführung bleibt einer &#x017F;pätern Stelle vorbehalten. An keinem<lb/>
Verhältniß bewährt &#x017F;ich der Spiritualismus des neuern römi-<lb/>
&#x017F;chen Rechts in dem Maße, als an der Obligation. Denn nicht<lb/>
bloß daß &#x017F;ie &#x017F;ich von der <hi rendition="#aq">res</hi> nach beiden Seiten hin abgetrennt<lb/>
hat, &#x017F;o hat &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen zu einer idealen <hi rendition="#aq">res</hi><lb/>
aufge&#x017F;chwungen. Der neuere Verkehr operirt mit die&#x017F;em Object<lb/>
mit der&#x017F;elben Leichtigkeit und Sicherheit, wie es der alte nur<lb/>
mit den Sachen thun konnte. So kann z. B. ein Ver&#x017F;prechen<lb/>
und eine Klage wie auf Hingabe eines körperlichen, &#x017F;o auf Lei-<lb/>
&#x017F;tung die&#x017F;es unkörperlichen Objects (Ab&#x017F;chluß eines Con-<lb/>
tracts), <note place="foot" n="607)">z. B. <hi rendition="#aq">damnatus vendere vel locare L. 44 de solut. (46. 3).</hi></note> wie auf Rückgabe jenes, &#x017F;o auf Rückgabe die&#x017F;es<lb/>
(Liberation) gerichtet werden. So kann man &#x017F;chenken, erfüllen,<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="604)">&#x017F;cheinlichkeit. Im Ju&#x017F;tinianei&#x017F;chen Recht i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t die <hi rendition="#aq">immissio in possessio-<lb/>
nem</hi> oder das <hi rendition="#aq">pignus praetorium</hi> auf Forderungen ausgedehnt <hi rendition="#aq">L. 1 Cod. de<lb/>
praet. pign. (8. 22).</hi></note><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0172] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. Schließlich und vor allem iſt aber die Obligation hervorzu- heben. Für ſie bildete die Sache urſprünglich ſowohl das Fun- dament, den Grund, als den Zweck, den Gegenſtand des An- ſpruchs. Jenes — denn der Grund einer jeden Obligation im Sinn des älteren Rechts 605) iſt der Umſtand, daß der Schuld- ner vom Gläubiger etwas (res) erhalten, (de - habet, debet) letzterer ihm etwas gegeben (cre - dedit, credidit), ſei die Hingabe wirklich erfolgt (Realcontract) oder nur rechtlich angenommen (Literal- und Verbalcontract). Dieſes — jede Obligation geht im ältern Recht auf ein dare, das Geben einer Sache, rem persequitur; in dem Ausdruck actio rei persequendae causa, der ſpäter auch die obligationes faciendi umfaßt, 606) iſt res wie in dem obigen quanti ea res est ur- ſprünglich im wörtlichen Sinn gebraucht geweſen. Die nähere Ausführung bleibt einer ſpätern Stelle vorbehalten. An keinem Verhältniß bewährt ſich der Spiritualismus des neuern römi- ſchen Rechts in dem Maße, als an der Obligation. Denn nicht bloß daß ſie ſich von der res nach beiden Seiten hin abgetrennt hat, ſo hat ſie ſelbſt ſich gewiſſermaßen zu einer idealen res aufgeſchwungen. Der neuere Verkehr operirt mit dieſem Object mit derſelben Leichtigkeit und Sicherheit, wie es der alte nur mit den Sachen thun konnte. So kann z. B. ein Verſprechen und eine Klage wie auf Hingabe eines körperlichen, ſo auf Lei- ſtung dieſes unkörperlichen Objects (Abſchluß eines Con- tracts), 607) wie auf Rückgabe jenes, ſo auf Rückgabe dieſes (Liberation) gerichtet werden. So kann man ſchenken, erfüllen, 604) 605) Der Anſpruch des durch ein Delict Verletzten fiel urſprünglich nicht unter den Geſichtspunkt der Obligation B. 1. S. 122 fl. 606) §. 17 I. de act. (4. 6) .. rei persequendae causa comparatae videntur veluti .... commodati, depositi, mandati, pro socio u. ſ. w. 607) z. B. damnatus vendere vel locare L. 44 de solut. (46. 3). 604) ſcheinlichkeit. Im Juſtinianeiſchen Recht iſt ſelbſt die immissio in possessio- nem oder das pignus praetorium auf Forderungen ausgedehnt L. 1 Cod. de praet. pign. (8. 22).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/172
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/172>, abgerufen am 18.12.2024.