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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43.
Sachen, und wir gewinnen damit zugleich einen passenden
Uebergang zum Folgenden. Dieser Satz hat nämlich außer der
so eben betrachteten wirthschaftlichen noch eine specifisch juristi-
sche Bedeutung.

Vom Standpunkt der natürlichen Betrachtung aus möge
man den Tauschverkehr als eine Uebertragung und Circulation
der Sachen ansehen, vom Standpunkt des Juristen ist er eine
Uebertragung von Rechten. Wer eine Sache erwirbt, ver-
langt vom Recht den rechtlichen Schutz seines Erwerbes, der
Ausdruck aber für den ihm darauf gewährten Anspruch ist
Recht. Die Uebertragung einer Sache heißt daher juristisch
Uebertragung des Rechts. Der Güterverkehr ist juristisch
Begründung, Uebertragung, Aufhebung von Rechten.

Die Richtigkeit dieser Bemerkung springt überall, wo es die
Bestellung oder Uebertragung eines anderen Rechts an der Sache,
als des Eigenthums gilt, sofort in die Augen, anders aber bei
der Uebertragung des Eigenthums, bei dem, so zu sagen, Recht
und Sache sich decken. Aeußerlich geht hier die Sache selbst über,
und eine an der äußeren Erscheinung klebende Auffassung kann
über diesem äußern Vorgang leicht den innern, den Uebergang
des Rechts, übersehen oder richtiger mit ihm verwechseln. So
auch das ältere Recht. Eigenthumsübertragung ist ihm in der
That, so paradox es klingt, nicht Uebertragung des Eigen-
thums, sondern der Sache. Der Uebergang des Rechts selbst
als eines von dem bisherigen Innehaber zu lösenden Dinges
von objectiver idealer Existenz ist ihm zu spitz, zu abstract.
Darum löst die ältere Zeit den Hergang bei der Eigenthums-
übertragung auf in ein Zurücktreten des bisherigen Eigen-
thümers von der einen und ein Eintreten des neuen in die
frei gewordene Sache von der andern Seite. So entschieden
bei der mancipatio (B. 1. S. 107). So auch bei der gericht-
lichen Abtretung (in jure cessio). Der juristischen Form nach
findet bei letzterer das gerade Gegentheil der Succession in ein
Recht Statt, denn der Erwerber, anstatt von dem bisherigen

Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43.
Sachen, und wir gewinnen damit zugleich einen paſſenden
Uebergang zum Folgenden. Dieſer Satz hat nämlich außer der
ſo eben betrachteten wirthſchaftlichen noch eine ſpecifiſch juriſti-
ſche Bedeutung.

Vom Standpunkt der natürlichen Betrachtung aus möge
man den Tauſchverkehr als eine Uebertragung und Circulation
der Sachen anſehen, vom Standpunkt des Juriſten iſt er eine
Uebertragung von Rechten. Wer eine Sache erwirbt, ver-
langt vom Recht den rechtlichen Schutz ſeines Erwerbes, der
Ausdruck aber für den ihm darauf gewährten Anſpruch iſt
Recht. Die Uebertragung einer Sache heißt daher juriſtiſch
Uebertragung des Rechts. Der Güterverkehr iſt juriſtiſch
Begründung, Uebertragung, Aufhebung von Rechten.

Die Richtigkeit dieſer Bemerkung ſpringt überall, wo es die
Beſtellung oder Uebertragung eines anderen Rechts an der Sache,
als des Eigenthums gilt, ſofort in die Augen, anders aber bei
der Uebertragung des Eigenthums, bei dem, ſo zu ſagen, Recht
und Sache ſich decken. Aeußerlich geht hier die Sache ſelbſt über,
und eine an der äußeren Erſcheinung klebende Auffaſſung kann
über dieſem äußern Vorgang leicht den innern, den Uebergang
des Rechts, überſehen oder richtiger mit ihm verwechſeln. So
auch das ältere Recht. Eigenthumsübertragung iſt ihm in der
That, ſo paradox es klingt, nicht Uebertragung des Eigen-
thums, ſondern der Sache. Der Uebergang des Rechts ſelbſt
als eines von dem bisherigen Innehaber zu löſenden Dinges
von objectiver idealer Exiſtenz iſt ihm zu ſpitz, zu abſtract.
Darum löſt die ältere Zeit den Hergang bei der Eigenthums-
übertragung auf in ein Zurücktreten des bisherigen Eigen-
thümers von der einen und ein Eintreten des neuen in die
frei gewordene Sache von der andern Seite. So entſchieden
bei der mancipatio (B. 1. S. 107). So auch bei der gericht-
lichen Abtretung (in jure cessio). Der juriſtiſchen Form nach
findet bei letzterer das gerade Gegentheil der Succeſſion in ein
Recht Statt, denn der Erwerber, anſtatt von dem bisherigen

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[461/0167] Haften an der Aeußerlichkeit. I. Der Materialismus. §. 43. Sachen, und wir gewinnen damit zugleich einen paſſenden Uebergang zum Folgenden. Dieſer Satz hat nämlich außer der ſo eben betrachteten wirthſchaftlichen noch eine ſpecifiſch juriſti- ſche Bedeutung. Vom Standpunkt der natürlichen Betrachtung aus möge man den Tauſchverkehr als eine Uebertragung und Circulation der Sachen anſehen, vom Standpunkt des Juriſten iſt er eine Uebertragung von Rechten. Wer eine Sache erwirbt, ver- langt vom Recht den rechtlichen Schutz ſeines Erwerbes, der Ausdruck aber für den ihm darauf gewährten Anſpruch iſt Recht. Die Uebertragung einer Sache heißt daher juriſtiſch Uebertragung des Rechts. Der Güterverkehr iſt juriſtiſch Begründung, Uebertragung, Aufhebung von Rechten. Die Richtigkeit dieſer Bemerkung ſpringt überall, wo es die Beſtellung oder Uebertragung eines anderen Rechts an der Sache, als des Eigenthums gilt, ſofort in die Augen, anders aber bei der Uebertragung des Eigenthums, bei dem, ſo zu ſagen, Recht und Sache ſich decken. Aeußerlich geht hier die Sache ſelbſt über, und eine an der äußeren Erſcheinung klebende Auffaſſung kann über dieſem äußern Vorgang leicht den innern, den Uebergang des Rechts, überſehen oder richtiger mit ihm verwechſeln. So auch das ältere Recht. Eigenthumsübertragung iſt ihm in der That, ſo paradox es klingt, nicht Uebertragung des Eigen- thums, ſondern der Sache. Der Uebergang des Rechts ſelbſt als eines von dem bisherigen Innehaber zu löſenden Dinges von objectiver idealer Exiſtenz iſt ihm zu ſpitz, zu abſtract. Darum löſt die ältere Zeit den Hergang bei der Eigenthums- übertragung auf in ein Zurücktreten des bisherigen Eigen- thümers von der einen und ein Eintreten des neuen in die frei gewordene Sache von der andern Seite. So entſchieden bei der mancipatio (B. 1. S. 107). So auch bei der gericht- lichen Abtretung (in jure cessio). Der juriſtiſchen Form nach findet bei letzterer das gerade Gegentheil der Succeſſion in ein Recht Statt, denn der Erwerber, anſtatt von dem bisherigen

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/167>, abgerufen am 25.11.2024.