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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Vorrede.
Gegensatz zwischen römischem und deutschem Recht zu bestimmen
oder gar auf die mir untergelegte Formel (die Schmidtsche,
gegen die ich Bd. 2 S. 125 selbst Protest erhoben habe) zurück-
zuführen? Wo habe ich von einer Objectivität des deutschen
Rechts gesprochen? Wo das römische über den kahlen und dürren
Leisten der Subjectivität geschlagen? Ich meine, mein ganzes
Buch liefert den schlagenden Gegenbeweis gegen die Möglich-
keit, den Charakter eines Rechts auf eine Formel zurückzu-
führen. Doch, warum soll ich mich über Walter beklagen? Wie
könnte ich mehr verlangen, als die alten Schriftsteller, deren
Citate nicht selten falsch, also ungelesen aus der Zimmern-
schen Rechtsgeschichte in die Waltersche übergegangen sind?
Nur den Rath will ich diesem Gelehrten nicht vorenthalten:
will er wiederum über Bücher urtheilen, ohne sie gelesen zu
haben, so verdecke er es durch das, was mir in seinen Augen
zum Schaden gereicht haben soll: "vage Allgemeinheit."

In der Vorrede zu seiner römischen Rechtsgeschichte hat Ru-
dorff
Aeußerungen gethan, die auch auf mich bezogen worden
sind. Er spricht hier von einer neuern Richtung, die sich durch
ihre "exclusive Verfolgung der allgemeinsten Rechtsanschauun-
gen, bedenkliche Unterschätzung treuer Erforschung auch des
scheinbar Geringfügigen, Versuche neuer Methoden und durch
eine der niedern Naturwissenschaft entlehnte Terminologie" cha-
rakterisire. In der Verdammung dieser Richtung stimme ich ganz
mit ihm überein, um so mehr aber habe ich Anlaß dagegen zu
protestiren, daß man mich ihr zuzähle.

Meine Ansicht über allgemeine Gesichtspunkte kann ich mit
einem Worte wiedergeben: ich betrachte sie als Schlüssel zum
Verständniß des Einzelnen. Für den, der sich nicht im Besitz
des Einzelnen befindet, ist der Schlüssel ohne allen Werth, und
ich könnte mir nichts Verkehrteres denken, als den akademischen

Vorrede.
Gegenſatz zwiſchen römiſchem und deutſchem Recht zu beſtimmen
oder gar auf die mir untergelegte Formel (die Schmidtſche,
gegen die ich Bd. 2 S. 125 ſelbſt Proteſt erhoben habe) zurück-
zuführen? Wo habe ich von einer Objectivität des deutſchen
Rechts geſprochen? Wo das römiſche über den kahlen und dürren
Leiſten der Subjectivität geſchlagen? Ich meine, mein ganzes
Buch liefert den ſchlagenden Gegenbeweis gegen die Möglich-
keit, den Charakter eines Rechts auf eine Formel zurückzu-
führen. Doch, warum ſoll ich mich über Walter beklagen? Wie
könnte ich mehr verlangen, als die alten Schriftſteller, deren
Citate nicht ſelten falſch, alſo ungeleſen aus der Zimmern-
ſchen Rechtsgeſchichte in die Walterſche übergegangen ſind?
Nur den Rath will ich dieſem Gelehrten nicht vorenthalten:
will er wiederum über Bücher urtheilen, ohne ſie geleſen zu
haben, ſo verdecke er es durch das, was mir in ſeinen Augen
zum Schaden gereicht haben ſoll: „vage Allgemeinheit.“

In der Vorrede zu ſeiner römiſchen Rechtsgeſchichte hat Ru-
dorff
Aeußerungen gethan, die auch auf mich bezogen worden
ſind. Er ſpricht hier von einer neuern Richtung, die ſich durch
ihre „excluſive Verfolgung der allgemeinſten Rechtsanſchauun-
gen, bedenkliche Unterſchätzung treuer Erforſchung auch des
ſcheinbar Geringfügigen, Verſuche neuer Methoden und durch
eine der niedern Naturwiſſenſchaft entlehnte Terminologie“ cha-
rakteriſire. In der Verdammung dieſer Richtung ſtimme ich ganz
mit ihm überein, um ſo mehr aber habe ich Anlaß dagegen zu
proteſtiren, daß man mich ihr zuzähle.

Meine Anſicht über allgemeine Geſichtspunkte kann ich mit
einem Worte wiedergeben: ich betrachte ſie als Schlüſſel zum
Verſtändniß des Einzelnen. Für den, der ſich nicht im Beſitz
des Einzelnen befindet, iſt der Schlüſſel ohne allen Werth, und
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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/14>, abgerufen am 18.12.2024.