Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. daß die Anwendung desselben auf das Civilrecht nicht von denPontifices, sondern erst von den spätern Juristen herrühre, schwerlich mehr Beifall finden, ohne daß ich damit in Abrede nehmen will, daß nicht die spätern Juristen noch lange in der- selben Weise fortgearbeitet hätten, wie ihre Vorgänger, und daß also nicht alles und jedes, was im Geist der letzteren gearbeitet ist, unmittelbar ihnen angehörte. Darauf aber kömmt es auch nicht an, ob sie den Bau selbst bis ins Kleinste ausgeführt, jeden einzelnen Stein selbst eingefügt, sondern ob sie den Plan gemacht, den Styl bestimmt und wenigstens die Fundamente selbst gelegt haben. Und davon, hoffe ich, soll der Leser sich jetzt überzeugen. Wir vergleichen zu dem Zweck zunächst das ältere Recht mit 541) Verba certa, solemnia, legitima. S. die Belegstellen bei Brisso- nius de voc. ac formul. lib. I, c. 181, 191 und anderwärts z. B. Festus sub fanum: .. certa verba. Cicero pro domo c. 47 .. solennibus verbis. 542) z. B. die Formel sive deus sive dea es und seu quo alio nomine appellari volueris. Brissonius a. a. O. c. 89. 543) Ambrosch, die Religionsbücher der Römer S. 29, 30. Daher das
Vorsprechen der von einem weltlichen Beamten anzuwendenden Formel (z. B. beim öffentlichen votum, bei der devotio, dedicatio u. s. w.) durch den Pon- tif. Maximus. Brissonius c. 181, c. 192 und anderwärts, die Zuziehung eines custos. Plinius Hist. nat. XXVIII, 3. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. daß die Anwendung deſſelben auf das Civilrecht nicht von denPontifices, ſondern erſt von den ſpätern Juriſten herrühre, ſchwerlich mehr Beifall finden, ohne daß ich damit in Abrede nehmen will, daß nicht die ſpätern Juriſten noch lange in der- ſelben Weiſe fortgearbeitet hätten, wie ihre Vorgänger, und daß alſo nicht alles und jedes, was im Geiſt der letzteren gearbeitet iſt, unmittelbar ihnen angehörte. Darauf aber kömmt es auch nicht an, ob ſie den Bau ſelbſt bis ins Kleinſte ausgeführt, jeden einzelnen Stein ſelbſt eingefügt, ſondern ob ſie den Plan gemacht, den Styl beſtimmt und wenigſtens die Fundamente ſelbſt gelegt haben. Und davon, hoffe ich, ſoll der Leſer ſich jetzt überzeugen. Wir vergleichen zu dem Zweck zunächſt das ältere Recht mit 541) Verba certa, solemnia, legitima. S. die Belegſtellen bei Brisso- nius de voc. ac formul. lib. I, c. 181, 191 und anderwärts z. B. Festus sub fanum: .. certa verba. Cicero pro domo c. 47 .. solennibus verbis. 542) z. B. die Formel sive deus sive dea es und seu quo alio nomine appellari volueris. Brissonius a. a. O. c. 89. 543) Ambroſch, die Religionsbücher der Römer S. 29, 30. Daher das
Vorſprechen der von einem weltlichen Beamten anzuwendenden Formel (z. B. beim öffentlichen votum, bei der devotio, dedicatio u. ſ. w.) durch den Pon- tif. Maximus. Brissonius c. 181, c. 192 und anderwärts, die Zuziehung eines custos. Plinius Hist. nat. XXVIII, 3. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0130" n="424"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> daß die Anwendung deſſelben auf das Civilrecht nicht von den<lb/> Pontifices, ſondern erſt von den ſpätern Juriſten herrühre,<lb/> ſchwerlich mehr Beifall finden, ohne daß ich damit in Abrede<lb/> nehmen will, daß nicht die ſpätern Juriſten noch lange in der-<lb/> ſelben Weiſe fortgearbeitet hätten, wie ihre Vorgänger, und daß<lb/> alſo nicht alles und jedes, was im Geiſt der letzteren gearbeitet<lb/> iſt, unmittelbar ihnen angehörte. Darauf aber kömmt es auch<lb/> nicht an, ob ſie den Bau ſelbſt bis ins Kleinſte ausgeführt,<lb/> jeden einzelnen Stein ſelbſt eingefügt, ſondern ob ſie den Plan<lb/> gemacht, den Styl beſtimmt und wenigſtens die Fundamente<lb/> ſelbſt gelegt haben. Und davon, hoffe ich, ſoll der Leſer ſich jetzt<lb/> überzeugen.</p><lb/> <p>Wir vergleichen zu dem Zweck zunächſt das ältere Recht mit<lb/> der Religion rückſichtlich der <hi rendition="#g">Methode ihrer Bearbeitung</hi>.<lb/> Die Methode iſt bei beiden genau dieſelbe, die charakteriſtiſchen<lb/> Momente der ältern Technik, die uns die ſpätere Darſtellung<lb/> vorführen wird, kehren ſämmtlich bei der Religion wieder. Zu-<lb/> nächſt der Formalismus. Dieſelbe Beſtimmtheit, <note place="foot" n="541)"><hi rendition="#aq">Verba certa, solemnia, legitima.</hi> S. die Belegſtellen bei <hi rendition="#aq">Brisso-<lb/> nius de voc. ac formul. lib. I, c.</hi> 181, 191 und anderwärts z. B. <hi rendition="#aq">Festus<lb/> sub fanum: .. certa verba. Cicero pro domo c. 47 .. solennibus verbis.</hi></note> dieſelbe<lb/> ſcrupulöſe Genauigkeit in der Faſſung der Formeln, <note place="foot" n="542)">z. B. die Formel <hi rendition="#aq">sive deus sive dea es</hi> und <hi rendition="#aq">seu quo alio nomine<lb/> appellari volueris. Brissonius</hi> a. a. O. <hi rendition="#aq">c.</hi> 89.</note> dieſelbe<lb/> Strenge in der Handhabung derſelben, wie im ältern Recht;<lb/> das geringſte Verſehen im Ausſprechen der Formel begründete<lb/> hier nicht minder wie im Legisactionenprozeß Nichtigkeit. <note place="foot" n="543)">Ambroſch, die Religionsbücher der Römer S. 29, 30. Daher das<lb/> Vorſprechen der von einem weltlichen Beamten anzuwendenden Formel (z. B.<lb/> beim öffentlichen <hi rendition="#aq">votum,</hi> bei der <hi rendition="#aq">devotio, dedicatio</hi> u. ſ. w.) durch den <hi rendition="#aq">Pon-<lb/> tif. Maximus. Brissonius c. 181, c.</hi> 192 und anderwärts, die Zuziehung<lb/> eines <hi rendition="#aq">custos. Plinius Hist. nat. XXVIII,</hi> 3.</note><lb/> Auf dieſe Uebereinſtimmung will ich aber kein ſo hohes Gewicht<lb/> legen, denn der Zug und Hang zum Formalismus ſteckte tief im<lb/> römiſchen Volk ſelbſt und bethätigte ſich auch da, wo den Ponti-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [424/0130]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
daß die Anwendung deſſelben auf das Civilrecht nicht von den
Pontifices, ſondern erſt von den ſpätern Juriſten herrühre,
ſchwerlich mehr Beifall finden, ohne daß ich damit in Abrede
nehmen will, daß nicht die ſpätern Juriſten noch lange in der-
ſelben Weiſe fortgearbeitet hätten, wie ihre Vorgänger, und daß
alſo nicht alles und jedes, was im Geiſt der letzteren gearbeitet
iſt, unmittelbar ihnen angehörte. Darauf aber kömmt es auch
nicht an, ob ſie den Bau ſelbſt bis ins Kleinſte ausgeführt,
jeden einzelnen Stein ſelbſt eingefügt, ſondern ob ſie den Plan
gemacht, den Styl beſtimmt und wenigſtens die Fundamente
ſelbſt gelegt haben. Und davon, hoffe ich, ſoll der Leſer ſich jetzt
überzeugen.
Wir vergleichen zu dem Zweck zunächſt das ältere Recht mit
der Religion rückſichtlich der Methode ihrer Bearbeitung.
Die Methode iſt bei beiden genau dieſelbe, die charakteriſtiſchen
Momente der ältern Technik, die uns die ſpätere Darſtellung
vorführen wird, kehren ſämmtlich bei der Religion wieder. Zu-
nächſt der Formalismus. Dieſelbe Beſtimmtheit, 541) dieſelbe
ſcrupulöſe Genauigkeit in der Faſſung der Formeln, 542) dieſelbe
Strenge in der Handhabung derſelben, wie im ältern Recht;
das geringſte Verſehen im Ausſprechen der Formel begründete
hier nicht minder wie im Legisactionenprozeß Nichtigkeit. 543)
Auf dieſe Uebereinſtimmung will ich aber kein ſo hohes Gewicht
legen, denn der Zug und Hang zum Formalismus ſteckte tief im
römiſchen Volk ſelbſt und bethätigte ſich auch da, wo den Ponti-
541) Verba certa, solemnia, legitima. S. die Belegſtellen bei Brisso-
nius de voc. ac formul. lib. I, c. 181, 191 und anderwärts z. B. Festus
sub fanum: .. certa verba. Cicero pro domo c. 47 .. solennibus verbis.
542) z. B. die Formel sive deus sive dea es und seu quo alio nomine
appellari volueris. Brissonius a. a. O. c. 89.
543) Ambroſch, die Religionsbücher der Römer S. 29, 30. Daher das
Vorſprechen der von einem weltlichen Beamten anzuwendenden Formel (z. B.
beim öffentlichen votum, bei der devotio, dedicatio u. ſ. w.) durch den Pon-
tif. Maximus. Brissonius c. 181, c. 192 und anderwärts, die Zuziehung
eines custos. Plinius Hist. nat. XXVIII, 3.
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