Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.I. Der Selbständigkeitstrieb. 1. Die äußere Form des Rechts. §. 25. viel weniger günstig sind, zum Prinzip erhoben z. B. im öster-reichischen Gesetzbuch. Die im bisherigen vertheidigte Ansicht wird sich mit allge- 22) Lt eres also z. B. nicht dadurch, daß spätere Referenten im allge-
meinen von mores majorum sprechen. Die richtige Art der Widerlegung wäre die durch Beispiele von gewohnheitsrechtlichen Bildungen, die erwiese- nermaßen aus dieser Periode stammen (wohin ich die querela inofficiosi nicht rechne, s. drittes System). Will man mit allgemeinen Quellen-Aeußerungen operiren, was meiner Ansicht nach zu nichts führt, so könnte ich mich z. B. berufen auf Pomponius, der die Aufhebung des unsichern Ge- wohnheitsrechts als Motiv der Zwölf-Tafeln-Gesetzgebung angibt (L. 2 §. 4 de orig. juris), und für die Zeit nach den Zwölf Tafeln zwar die interpretatio, nicht aber das eigentliche Gewohnheitsrecht als Bestand- theil des Rechts anführt. Er nennt §. 6 drei Bestandtheile des Rechts: die XII, die interpretatio und die legis actiones, und bei der Tripertita des Ae- lius (§. 38) kehren sie und nur sie wieder; von einem Gewohnheitsrecht keine Rede. I. Der Selbſtändigkeitstrieb. 1. Die äußere Form des Rechts. §. 25. viel weniger günſtig ſind, zum Prinzip erhoben z. B. im öſter-reichiſchen Geſetzbuch. Die im bisherigen vertheidigte Anſicht wird ſich mit allge- 22) Lt eres alſo z. B. nicht dadurch, daß ſpätere Referenten im allge-
meinen von mores majorum ſprechen. Die richtige Art der Widerlegung wäre die durch Beiſpiele von gewohnheitsrechtlichen Bildungen, die erwieſe- nermaßen aus dieſer Periode ſtammen (wohin ich die querela inofficiosi nicht rechne, ſ. drittes Syſtem). Will man mit allgemeinen Quellen-Aeußerungen operiren, was meiner Anſicht nach zu nichts führt, ſo könnte ich mich z. B. berufen auf Pomponius, der die Aufhebung des unſichern Ge- wohnheitsrechts als Motiv der Zwölf-Tafeln-Geſetzgebung angibt (L. 2 §. 4 de orig. juris), und für die Zeit nach den Zwölf Tafeln zwar die interpretatio, nicht aber das eigentliche Gewohnheitsrecht als Beſtand- theil des Rechts anführt. Er nennt §. 6 drei Beſtandtheile des Rechts: die XII, die interpretatio und die legis actiones, und bei der Tripertita des Ae- lius (§. 38) kehren ſie und nur ſie wieder; von einem Gewohnheitsrecht keine Rede. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0053" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Der Selbſtändigkeitstrieb. 1. Die äußere Form des Rechts. §. 25.</fw><lb/> viel weniger günſtig ſind, zum Prinzip erhoben z. B. im öſter-<lb/> reichiſchen Geſetzbuch.</p><lb/> <p>Die im bisherigen vertheidigte Anſicht wird ſich mit allge-<lb/> meinen Quellen-Aeußerungen weder erweiſen, noch widerlegen<lb/> laſſen.<note place="foot" n="22)">Lt eres alſo z. B. nicht dadurch, daß ſpätere Referenten im allge-<lb/> meinen von <hi rendition="#aq">mores majorum</hi> ſprechen. Die richtige Art der Widerlegung<lb/> wäre die durch Beiſpiele von gewohnheitsrechtlichen Bildungen, die erwieſe-<lb/> nermaßen aus dieſer Periode ſtammen (wohin ich die <hi rendition="#aq">querela inofficiosi</hi> nicht<lb/> rechne, ſ. drittes Syſtem). Will man mit allgemeinen Quellen-Aeußerungen<lb/> operiren, was meiner Anſicht nach zu nichts führt, ſo könnte ich mich z. B.<lb/> berufen auf Pomponius, der <hi rendition="#g">die Aufhebung des unſichern Ge-<lb/> wohnheitsrechts</hi> als Motiv der Zwölf-Tafeln-Geſetzgebung angibt<lb/> (<hi rendition="#aq">L. 2 §. 4 de orig. juris</hi>), und für die Zeit nach den Zwölf Tafeln zwar<lb/> die <hi rendition="#aq">interpretatio,</hi> nicht aber das eigentliche Gewohnheitsrecht als Beſtand-<lb/> theil des Rechts anführt. Er nennt §. 6 drei Beſtandtheile des Rechts: die<lb/><hi rendition="#aq">XII,</hi> die <hi rendition="#aq">interpretatio</hi> und die <hi rendition="#aq">legis actiones,</hi> und bei der <hi rendition="#aq">Tripertita</hi> des <hi rendition="#aq">Ae-<lb/> lius (§. 38)</hi> kehren ſie und nur ſie wieder; von einem Gewohnheitsrecht keine<lb/> Rede.</note> Für mich liegt der entſcheidende Grund in dem Cha-<lb/> rakter und der ganzen Tendenz des ältern Rechts, namentlich in<lb/> ſeinem Streben nach äußerer Beſtimmtheit und ſeinem Forma-<lb/> lismus. Wie es dem ältern Recht widerſtrebte, dem Vertrage<lb/> d. i. dem formloſen individuellen Willen eine juriſtiſche Wirk-<lb/> ſamkeit zuzugeſtehen, ſo war es auch ſeiner Natur zuwider, dem<lb/> formloſen allgemeinen oder ſ. g. objektiven Willen d. h. dem<lb/> Gewohnheitsrecht eine ſolche einzuräumen. Nicht darin, daß<lb/> beide formlos ſind, liegt ihre Unvollkommenheit, ſondern darin,<lb/> daß ihnen mit der Form auch die Beſtimmtheit abgeht. Ob Je-<lb/> mand ſich durch ein formloſes Verſprechen bloß moraliſch oder<lb/> juriſtiſch hat binden wollen, iſt unter Umſtänden ebenſo zwei-<lb/> felhaft, als ob einer Gewohnheit das Gefühl rechtlicher Noth-<lb/> wendigkeit oder das einer bloß moraliſchen Verpflichtung zu<lb/> Grunde liegt. Der Formalismus (§. 34) iſt einer der hervor-<lb/> ragendſten Grundzüge des ältern Rechts. Wie derſelbe nun im<lb/> Privatrecht zu den formellen Verträgen, im Prozeß zu den feſten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0053]
I. Der Selbſtändigkeitstrieb. 1. Die äußere Form des Rechts. §. 25.
viel weniger günſtig ſind, zum Prinzip erhoben z. B. im öſter-
reichiſchen Geſetzbuch.
Die im bisherigen vertheidigte Anſicht wird ſich mit allge-
meinen Quellen-Aeußerungen weder erweiſen, noch widerlegen
laſſen. 22) Für mich liegt der entſcheidende Grund in dem Cha-
rakter und der ganzen Tendenz des ältern Rechts, namentlich in
ſeinem Streben nach äußerer Beſtimmtheit und ſeinem Forma-
lismus. Wie es dem ältern Recht widerſtrebte, dem Vertrage
d. i. dem formloſen individuellen Willen eine juriſtiſche Wirk-
ſamkeit zuzugeſtehen, ſo war es auch ſeiner Natur zuwider, dem
formloſen allgemeinen oder ſ. g. objektiven Willen d. h. dem
Gewohnheitsrecht eine ſolche einzuräumen. Nicht darin, daß
beide formlos ſind, liegt ihre Unvollkommenheit, ſondern darin,
daß ihnen mit der Form auch die Beſtimmtheit abgeht. Ob Je-
mand ſich durch ein formloſes Verſprechen bloß moraliſch oder
juriſtiſch hat binden wollen, iſt unter Umſtänden ebenſo zwei-
felhaft, als ob einer Gewohnheit das Gefühl rechtlicher Noth-
wendigkeit oder das einer bloß moraliſchen Verpflichtung zu
Grunde liegt. Der Formalismus (§. 34) iſt einer der hervor-
ragendſten Grundzüge des ältern Rechts. Wie derſelbe nun im
Privatrecht zu den formellen Verträgen, im Prozeß zu den feſten
22) Lt eres alſo z. B. nicht dadurch, daß ſpätere Referenten im allge-
meinen von mores majorum ſprechen. Die richtige Art der Widerlegung
wäre die durch Beiſpiele von gewohnheitsrechtlichen Bildungen, die erwieſe-
nermaßen aus dieſer Periode ſtammen (wohin ich die querela inofficiosi nicht
rechne, ſ. drittes Syſtem). Will man mit allgemeinen Quellen-Aeußerungen
operiren, was meiner Anſicht nach zu nichts führt, ſo könnte ich mich z. B.
berufen auf Pomponius, der die Aufhebung des unſichern Ge-
wohnheitsrechts als Motiv der Zwölf-Tafeln-Geſetzgebung angibt
(L. 2 §. 4 de orig. juris), und für die Zeit nach den Zwölf Tafeln zwar
die interpretatio, nicht aber das eigentliche Gewohnheitsrecht als Beſtand-
theil des Rechts anführt. Er nennt §. 6 drei Beſtandtheile des Rechts: die
XII, die interpretatio und die legis actiones, und bei der Tripertita des Ae-
lius (§. 38) kehren ſie und nur ſie wieder; von einem Gewohnheitsrecht keine
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