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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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I. Aeußerer Eindruck der Rechtswelt -- Plastik des Rechts -- §. 23.
physiognomischen Ausdruck nach nüchtern und prosaisch. Sie
enthalten wenig mehr, als was der juristische Zweck selbst mit
sich bringt (z. B. das persönliche Erscheinen der Partheien, die
Zuziehung und Anrufung der Zeugen, das Aussprechen der For-
mel), oder was zum äußern Ausdruck des innern Vorganges er-
forderlich schien (z. B. das Berühren der Sache mit der Hand
zum Zeichen des beabsichtigten Eigenthumserwerbs, das zum
Schein vorgenommene Zuwägen des Erzes als äußere Motivi-
rung einer eingegangenen oder aufgehobenen Obligation, der
Scheinkampf bei der Vindikation (B. 1 S. 153), der Gebrauch
des Speres (B. 1 S. 110, 111) u. s. w. 11) Die beiden
Hauptgeschäftsformen, die mancipatio und in jure cessio, lassen
sich sogar rationell analysiren, sie enthalten keinen Zusatz von
Symbolik, sondern was dem ähnelt, wie z. B. die Wagschaale
und das Einwerfen des Erzes, ist nichts als ein vor der Ein-
führung des gemünzten Geldes nothwendiger, später durch die
Macht der Gewohnheit beibehaltener materieller Bestandtheil des
Geschäfts selbst.

Der römische Verkehr bewegte sich zum größten Theil in die-
sen beiden Formen, und diese bei Eigenthumsübertragungen an
beweglichen wie unbeweglichen Sachen, beim Verkauf von Scla-
ven wie Hauskindern, bei der Adoption, der Ehe, der Emanci-
pation, Manumission, der Errichtung des Testaments, der Ein-
gehung und Lösung der Nexus-Schuld u. s. w. immer wieder-
kehrende Solennität der mancipatio und in jure cessio gibt dem
Verkehr in seinem Aeußern etwas Monotones. Zur Charakteri-
stik der römischen Nationalität im Gegensatz der deutschen kann

11) Es verdiente dieser Gegenstand wohl eine neue Bearbeitung. Es
existirt darüber eine Schrift von Everard Otto de jurisprudentia symbolica
exercitationum trias Traj. ad Rhen.
1730, die den Vorläufer eines meines
Wissens nicht erschienenen größeren Werkes bilden sollte. Für das deutsche
Recht hat Reyscher in seinen Beiträgen zur Kunde des deutschen Rechts Heft 1
(über die Symbolik des deutschen Rechts) Tübingen 1833 eine dankenswerthe,
aber der Vermehrung fähige Zusammenstellung geliefert.
Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 2

I. Aeußerer Eindruck der Rechtswelt — Plaſtik des Rechts — §. 23.
phyſiognomiſchen Ausdruck nach nüchtern und proſaiſch. Sie
enthalten wenig mehr, als was der juriſtiſche Zweck ſelbſt mit
ſich bringt (z. B. das perſönliche Erſcheinen der Partheien, die
Zuziehung und Anrufung der Zeugen, das Ausſprechen der For-
mel), oder was zum äußern Ausdruck des innern Vorganges er-
forderlich ſchien (z. B. das Berühren der Sache mit der Hand
zum Zeichen des beabſichtigten Eigenthumserwerbs, das zum
Schein vorgenommene Zuwägen des Erzes als äußere Motivi-
rung einer eingegangenen oder aufgehobenen Obligation, der
Scheinkampf bei der Vindikation (B. 1 S. 153), der Gebrauch
des Speres (B. 1 S. 110, 111) u. ſ. w. 11) Die beiden
Hauptgeſchäftsformen, die mancipatio und in jure cessio, laſſen
ſich ſogar rationell analyſiren, ſie enthalten keinen Zuſatz von
Symbolik, ſondern was dem ähnelt, wie z. B. die Wagſchaale
und das Einwerfen des Erzes, iſt nichts als ein vor der Ein-
führung des gemünzten Geldes nothwendiger, ſpäter durch die
Macht der Gewohnheit beibehaltener materieller Beſtandtheil des
Geſchäfts ſelbſt.

Der römiſche Verkehr bewegte ſich zum größten Theil in die-
ſen beiden Formen, und dieſe bei Eigenthumsübertragungen an
beweglichen wie unbeweglichen Sachen, beim Verkauf von Scla-
ven wie Hauskindern, bei der Adoption, der Ehe, der Emanci-
pation, Manumiſſion, der Errichtung des Teſtaments, der Ein-
gehung und Löſung der Nexus-Schuld u. ſ. w. immer wieder-
kehrende Solennität der mancipatio und in jure cessio gibt dem
Verkehr in ſeinem Aeußern etwas Monotones. Zur Charakteri-
ſtik der römiſchen Nationalität im Gegenſatz der deutſchen kann

11) Es verdiente dieſer Gegenſtand wohl eine neue Bearbeitung. Es
exiſtirt darüber eine Schrift von Everard Otto de jurisprudentia symbolica
exercitationum trias Traj. ad Rhen.
1730, die den Vorläufer eines meines
Wiſſens nicht erſchienenen größeren Werkes bilden ſollte. Für das deutſche
Recht hat Reyſcher in ſeinen Beiträgen zur Kunde des deutſchen Rechts Heft 1
(über die Symbolik des deutſchen Rechts) Tübingen 1833 eine dankenswerthe,
aber der Vermehrung fähige Zuſammenſtellung geliefert.
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[17/0031] I. Aeußerer Eindruck der Rechtswelt — Plaſtik des Rechts — §. 23. phyſiognomiſchen Ausdruck nach nüchtern und proſaiſch. Sie enthalten wenig mehr, als was der juriſtiſche Zweck ſelbſt mit ſich bringt (z. B. das perſönliche Erſcheinen der Partheien, die Zuziehung und Anrufung der Zeugen, das Ausſprechen der For- mel), oder was zum äußern Ausdruck des innern Vorganges er- forderlich ſchien (z. B. das Berühren der Sache mit der Hand zum Zeichen des beabſichtigten Eigenthumserwerbs, das zum Schein vorgenommene Zuwägen des Erzes als äußere Motivi- rung einer eingegangenen oder aufgehobenen Obligation, der Scheinkampf bei der Vindikation (B. 1 S. 153), der Gebrauch des Speres (B. 1 S. 110, 111) u. ſ. w. 11) Die beiden Hauptgeſchäftsformen, die mancipatio und in jure cessio, laſſen ſich ſogar rationell analyſiren, ſie enthalten keinen Zuſatz von Symbolik, ſondern was dem ähnelt, wie z. B. die Wagſchaale und das Einwerfen des Erzes, iſt nichts als ein vor der Ein- führung des gemünzten Geldes nothwendiger, ſpäter durch die Macht der Gewohnheit beibehaltener materieller Beſtandtheil des Geſchäfts ſelbſt. Der römiſche Verkehr bewegte ſich zum größten Theil in die- ſen beiden Formen, und dieſe bei Eigenthumsübertragungen an beweglichen wie unbeweglichen Sachen, beim Verkauf von Scla- ven wie Hauskindern, bei der Adoption, der Ehe, der Emanci- pation, Manumiſſion, der Errichtung des Teſtaments, der Ein- gehung und Löſung der Nexus-Schuld u. ſ. w. immer wieder- kehrende Solennität der mancipatio und in jure cessio gibt dem Verkehr in ſeinem Aeußern etwas Monotones. Zur Charakteri- ſtik der römiſchen Nationalität im Gegenſatz der deutſchen kann 11) Es verdiente dieſer Gegenſtand wohl eine neue Bearbeitung. Es exiſtirt darüber eine Schrift von Everard Otto de jurisprudentia symbolica exercitationum trias Traj. ad Rhen. 1730, die den Vorläufer eines meines Wiſſens nicht erſchienenen größeren Werkes bilden ſollte. Für das deutſche Recht hat Reyſcher in ſeinen Beiträgen zur Kunde des deutſchen Rechts Heft 1 (über die Symbolik des deutſchen Rechts) Tübingen 1833 eine dankenswerthe, aber der Vermehrung fähige Zuſammenſtellung geliefert. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 2

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/31>, abgerufen am 23.11.2024.