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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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B. Stellung der Magistratur. -- Verhältniß zum Senat. §. 35.
Mitteln, seinen Willen durchzusetzen. Das nächstgelegene war,
daß er sich der Mitwirkung eines andern Magistrats versicherte,
der vermöge seiner amtlichen Stellung den Widerspenstigen zu
zwingen vermochte. In diesem Verhältniß standen z. B. der
Dictator und die Tribunen zu allen Beamten, der Consul zu
allen andern mit Ausnahme dieser beiden. War also z. B. der
Consul selbst nicht in autoritate senatus, so ward sein College
beauftragt, einen Dictator zu ernennen. 453) Führte dieser den
Auftrag aus, so war die Gewalt der Consuln erloschen und damit
der Widerstand gebrochen. Führte er den Auftrag nicht aus,
oder machte er von Anfang an gemeinschaftliche Sache mit sei-
nem Collegen, so konnte der Senat die Tribunen angehen und
dieselben ersuchen, von ihrem Zwangsrecht gegen die Consuln
Gebrauch zu machen, um letztere zu der gewünschten Maßregel
oder zur Niederlegung ihres Amts (unmittelbar durch Abdika-
tion oder mittelbar durch Ernennung eines Dictators) zu zwin-
gen. 454) Auch sie wie der Consul selbst waren rechtlich nicht
verpflichtet, den Auftrag anzunehmen, aber es ist begreiflich,
daß sie gern bereit waren, es zu thun. Im äußersten Fall blieb
dem Senat noch das Mittel, den Beamten für einen Feind des
Vaterlandes 455) und damit seines Amtes für verlustig zu er-
klären. Abgesehen davon konnte aber der Senat ihn nicht seines
Amts entsetzen (bekanntlich konnte dies selbst das Volk nicht)
und eignete sich daher der Fall nicht zu einer äußersten Maßregel,
und verweigerten die Tribunen ihre Hülfe, so blieb dem Senat

453) Liv. XXX, 24.
454) Liv. IV, 26: ut dictatorem dicere consules pro potestate vestra
cogatis.
Der hier erwähnten Aufforderung von Seiten des Senats hatten
die Tribunen die Möglichkeit einer Ausdehnung ihrer prensio gegen die Con-
suln zu verdanken. Liv. V, 9: et collegae aut facient, quod censet senatus
aut si pertinacius tendent, dictatorem extemplo dicam, qui eos abire
magistratu cogat.
455) z. B. Appian. de bello civili I, 65.

B. Stellung der Magiſtratur. — Verhältniß zum Senat. §. 35.
Mitteln, ſeinen Willen durchzuſetzen. Das nächſtgelegene war,
daß er ſich der Mitwirkung eines andern Magiſtrats verſicherte,
der vermöge ſeiner amtlichen Stellung den Widerſpenſtigen zu
zwingen vermochte. In dieſem Verhältniß ſtanden z. B. der
Dictator und die Tribunen zu allen Beamten, der Conſul zu
allen andern mit Ausnahme dieſer beiden. War alſo z. B. der
Conſul ſelbſt nicht in autoritate senatus, ſo ward ſein College
beauftragt, einen Dictator zu ernennen. 453) Führte dieſer den
Auftrag aus, ſo war die Gewalt der Conſuln erloſchen und damit
der Widerſtand gebrochen. Führte er den Auftrag nicht aus,
oder machte er von Anfang an gemeinſchaftliche Sache mit ſei-
nem Collegen, ſo konnte der Senat die Tribunen angehen und
dieſelben erſuchen, von ihrem Zwangsrecht gegen die Conſuln
Gebrauch zu machen, um letztere zu der gewünſchten Maßregel
oder zur Niederlegung ihres Amts (unmittelbar durch Abdika-
tion oder mittelbar durch Ernennung eines Dictators) zu zwin-
gen. 454) Auch ſie wie der Conſul ſelbſt waren rechtlich nicht
verpflichtet, den Auftrag anzunehmen, aber es iſt begreiflich,
daß ſie gern bereit waren, es zu thun. Im äußerſten Fall blieb
dem Senat noch das Mittel, den Beamten für einen Feind des
Vaterlandes 455) und damit ſeines Amtes für verluſtig zu er-
klären. Abgeſehen davon konnte aber der Senat ihn nicht ſeines
Amts entſetzen (bekanntlich konnte dies ſelbſt das Volk nicht)
und eignete ſich daher der Fall nicht zu einer äußerſten Maßregel,
und verweigerten die Tribunen ihre Hülfe, ſo blieb dem Senat

453) Liv. XXX, 24.
454) Liv. IV, 26: ut dictatorem dicere consules pro potestate vestra
cogatis.
Der hier erwähnten Aufforderung von Seiten des Senats hatten
die Tribunen die Möglichkeit einer Ausdehnung ihrer prensio gegen die Con-
ſuln zu verdanken. Liv. V, 9: et collegae aut facient, quod censet senatus
aut si pertinacius tendent, dictatorem extemplo dicam, qui eos abire
magistratu cogat.
455) z. B. Appian. de bello civili I, 65.
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[295/0309] B. Stellung der Magiſtratur. — Verhältniß zum Senat. §. 35. Mitteln, ſeinen Willen durchzuſetzen. Das nächſtgelegene war, daß er ſich der Mitwirkung eines andern Magiſtrats verſicherte, der vermöge ſeiner amtlichen Stellung den Widerſpenſtigen zu zwingen vermochte. In dieſem Verhältniß ſtanden z. B. der Dictator und die Tribunen zu allen Beamten, der Conſul zu allen andern mit Ausnahme dieſer beiden. War alſo z. B. der Conſul ſelbſt nicht in autoritate senatus, ſo ward ſein College beauftragt, einen Dictator zu ernennen. 453) Führte dieſer den Auftrag aus, ſo war die Gewalt der Conſuln erloſchen und damit der Widerſtand gebrochen. Führte er den Auftrag nicht aus, oder machte er von Anfang an gemeinſchaftliche Sache mit ſei- nem Collegen, ſo konnte der Senat die Tribunen angehen und dieſelben erſuchen, von ihrem Zwangsrecht gegen die Conſuln Gebrauch zu machen, um letztere zu der gewünſchten Maßregel oder zur Niederlegung ihres Amts (unmittelbar durch Abdika- tion oder mittelbar durch Ernennung eines Dictators) zu zwin- gen. 454) Auch ſie wie der Conſul ſelbſt waren rechtlich nicht verpflichtet, den Auftrag anzunehmen, aber es iſt begreiflich, daß ſie gern bereit waren, es zu thun. Im äußerſten Fall blieb dem Senat noch das Mittel, den Beamten für einen Feind des Vaterlandes 455) und damit ſeines Amtes für verluſtig zu er- klären. Abgeſehen davon konnte aber der Senat ihn nicht ſeines Amts entſetzen (bekanntlich konnte dies ſelbſt das Volk nicht) und eignete ſich daher der Fall nicht zu einer äußerſten Maßregel, und verweigerten die Tribunen ihre Hülfe, ſo blieb dem Senat 453) Liv. XXX, 24. 454) Liv. IV, 26: ut dictatorem dicere consules pro potestate vestra cogatis. Der hier erwähnten Aufforderung von Seiten des Senats hatten die Tribunen die Möglichkeit einer Ausdehnung ihrer prensio gegen die Con- ſuln zu verdanken. Liv. V, 9: et collegae aut facient, quod censet senatus aut si pertinacius tendent, dictatorem extemplo dicam, qui eos abire magistratu cogat. 455) z. B. Appian. de bello civili I, 65.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/309>, abgerufen am 23.11.2024.