Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. der ihnen in einem solchen Fall ihre Spekulationen vereitelthatte. Die gegen ihn erhobene Anschuldigung, daß er nach dem Königthum strebe, war mehr ein Vorwand zur Rache, als der wahre Grund derselben. 368) Die Lage der Aermeren war bei so bewandten Umständen 368) Liv. II. 12--16. Aehnlich verhielt es sich wohl in ähnlichen Fällen z. B. bei Sp. Cassius, M. Manlius. Das eigentliche Motiv des Hasses lag nicht in den politischen Tendenzen des Gegners, sondern in den socialen Be- strebungen desselben, in den materiellen Nachtheilen, die man von seinen Neue- rungen befürchtete. Man schob dann den Staat als den bedrohten Theil vor, während es doch nur der Gesellschaft gegolten hatte. 369) Ein Seitenstück zu dem im Text geschilderten Verhältniß findet sich
auch heutzutage, nämlich im Weinbau, nur mit dem Unterschiede, daß die Ursachen, die hier dem großen Producenten ein so bedeutendes Uebergewicht über den kleinen geben, nicht in äußern Verhältnissen, sondern in der Natur des Weinbaues und Weinhandels ihren Grund haben. S. darüber Riehl. die bürgerliche Gesellschaft. Stuttg. 1851. S. 60 fl. Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. der ihnen in einem ſolchen Fall ihre Spekulationen vereitelthatte. Die gegen ihn erhobene Anſchuldigung, daß er nach dem Königthum ſtrebe, war mehr ein Vorwand zur Rache, als der wahre Grund derſelben. 368) Die Lage der Aermeren war bei ſo bewandten Umſtänden 368) Liv. II. 12—16. Aehnlich verhielt es ſich wohl in ähnlichen Fällen z. B. bei Sp. Caſſius, M. Manlius. Das eigentliche Motiv des Haſſes lag nicht in den politiſchen Tendenzen des Gegners, ſondern in den ſocialen Be- ſtrebungen deſſelben, in den materiellen Nachtheilen, die man von ſeinen Neue- rungen befürchtete. Man ſchob dann den Staat als den bedrohten Theil vor, während es doch nur der Geſellſchaft gegolten hatte. 369) Ein Seitenſtück zu dem im Text geſchilderten Verhältniß findet ſich
auch heutzutage, nämlich im Weinbau, nur mit dem Unterſchiede, daß die Urſachen, die hier dem großen Producenten ein ſo bedeutendes Uebergewicht über den kleinen geben, nicht in äußern Verhältniſſen, ſondern in der Natur des Weinbaues und Weinhandels ihren Grund haben. S. darüber Riehl. die bürgerliche Geſellſchaft. Stuttg. 1851. S. 60 fl. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0260" n="246"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> der ihnen in einem ſolchen Fall ihre Spekulationen vereitelt<lb/> hatte. Die gegen ihn erhobene Anſchuldigung, daß er nach dem<lb/> Königthum ſtrebe, war mehr ein Vorwand zur Rache, als der<lb/> wahre Grund derſelben. <note place="foot" n="368)"><hi rendition="#aq">Liv. II.</hi> 12—16. Aehnlich verhielt es ſich wohl in ähnlichen Fällen<lb/> z. B. bei Sp. Caſſius, M. Manlius. Das eigentliche Motiv des Haſſes lag<lb/> nicht in den politiſchen Tendenzen des Gegners, ſondern in den ſocialen Be-<lb/> ſtrebungen deſſelben, in den materiellen Nachtheilen, die man von ſeinen Neue-<lb/> rungen befürchtete. Man ſchob dann den Staat als den bedrohten Theil vor,<lb/> während es doch nur der Geſellſchaft gegolten hatte.</note></p><lb/> <p>Die Lage der Aermeren war bei ſo bewandten Umſtänden<lb/> ganz unhaltbar. <note place="foot" n="369)">Ein Seitenſtück zu dem im Text geſchilderten Verhältniß findet ſich<lb/> auch heutzutage, nämlich im Weinbau, nur mit dem Unterſchiede, daß die<lb/> Urſachen, die hier dem großen Producenten ein ſo bedeutendes Uebergewicht<lb/> über den kleinen geben, nicht in äußern Verhältniſſen, ſondern in der Natur<lb/> des Weinbaues und Weinhandels ihren Grund haben. S. darüber Riehl.<lb/> die bürgerliche Geſellſchaft. Stuttg. 1851. S. 60 fl.</note> Bei unſern heutigen Verhältniſſen kann Ein<lb/> gutes Jahr allen Schaden des vorhergehenden ſchlechten Jah-<lb/> res für den Landwirth wieder ausgleichen. In Rom war dies<lb/> nicht möglich. Denn in einem Jahr des Ueberfluſſes, wo auch<lb/> der Aermere volle Scheunen hatte und ans Verkaufen denken<lb/> konnte, ſtanden die Preiſe natürlich am niedrigſten, vielleicht<lb/> um das Vierfache und Mehrfache niedriger, als zu dem er ſelbſt<lb/> gezwungen geweſen war zu kaufen. Um das Kaufgeld aufzu-<lb/> treiben, hatte er zu enormen Zinſen Geld aufnehmen müſſen.<lb/> Die nächſte Aerndte ſollte Kapital und Zinſen decken; kam da-<lb/> gegen abermals ein Kriegs- oder Nothjahr, ſo brachte daſſelbe<lb/> ſtatt Hülfe nur dieſelben Drangſale, alſo doppelte Laſten. Man<lb/> hat den Grund der ſteten Verſchuldung der Plebs in dem hohen<lb/> Zinsfuß finden wollen. Letzterer war aber nur eine Wirkung<lb/> des Uebels, nicht das Uebel ſelbſt; ohne die angedeuteten Ver-<lb/> hältniſſe würde der kleine Grundbeſitz dem großen Grundbeſitz<lb/> und Kapital nicht tributär geworden, der Zinsfuß ſelbſt folge-<lb/> weiſe kein ſo hoher geweſen ſein.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [246/0260]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
der ihnen in einem ſolchen Fall ihre Spekulationen vereitelt
hatte. Die gegen ihn erhobene Anſchuldigung, daß er nach dem
Königthum ſtrebe, war mehr ein Vorwand zur Rache, als der
wahre Grund derſelben. 368)
Die Lage der Aermeren war bei ſo bewandten Umſtänden
ganz unhaltbar. 369) Bei unſern heutigen Verhältniſſen kann Ein
gutes Jahr allen Schaden des vorhergehenden ſchlechten Jah-
res für den Landwirth wieder ausgleichen. In Rom war dies
nicht möglich. Denn in einem Jahr des Ueberfluſſes, wo auch
der Aermere volle Scheunen hatte und ans Verkaufen denken
konnte, ſtanden die Preiſe natürlich am niedrigſten, vielleicht
um das Vierfache und Mehrfache niedriger, als zu dem er ſelbſt
gezwungen geweſen war zu kaufen. Um das Kaufgeld aufzu-
treiben, hatte er zu enormen Zinſen Geld aufnehmen müſſen.
Die nächſte Aerndte ſollte Kapital und Zinſen decken; kam da-
gegen abermals ein Kriegs- oder Nothjahr, ſo brachte daſſelbe
ſtatt Hülfe nur dieſelben Drangſale, alſo doppelte Laſten. Man
hat den Grund der ſteten Verſchuldung der Plebs in dem hohen
Zinsfuß finden wollen. Letzterer war aber nur eine Wirkung
des Uebels, nicht das Uebel ſelbſt; ohne die angedeuteten Ver-
hältniſſe würde der kleine Grundbeſitz dem großen Grundbeſitz
und Kapital nicht tributär geworden, der Zinsfuß ſelbſt folge-
weiſe kein ſo hoher geweſen ſein.
368) Liv. II. 12—16. Aehnlich verhielt es ſich wohl in ähnlichen Fällen
z. B. bei Sp. Caſſius, M. Manlius. Das eigentliche Motiv des Haſſes lag
nicht in den politiſchen Tendenzen des Gegners, ſondern in den ſocialen Be-
ſtrebungen deſſelben, in den materiellen Nachtheilen, die man von ſeinen Neue-
rungen befürchtete. Man ſchob dann den Staat als den bedrohten Theil vor,
während es doch nur der Geſellſchaft gegolten hatte.
369) Ein Seitenſtück zu dem im Text geſchilderten Verhältniß findet ſich
auch heutzutage, nämlich im Weinbau, nur mit dem Unterſchiede, daß die
Urſachen, die hier dem großen Producenten ein ſo bedeutendes Uebergewicht
über den kleinen geben, nicht in äußern Verhältniſſen, ſondern in der Natur
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